Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
FBW empfiehlt französisches Drama DER HIMMEL WIRD WARTEN mit "besonders wertvoll"/Kinostart mit Prädikat auch für Jugendfilm STORM UND DER VERBOTENE BRIEF und Doku GAZA SURF CLUB
Wiesbaden (ots)
In ihrem neuen Film DER HIMMEL WIRD WARTEN (Start: 23. März) greift die Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar ein hochbrisantes Thema auf. Wie können Töchter, die sich, von ihren Eltern unbemerkt, radikalisiert haben und bereit sind in den Dschihad zu ziehen, zurückgewonnen werden? Im Mittelpunkt stehen zwei Mädchen aus gut situierten Mittelstandsfamilien. Die 17jährige Sonia wird unter dem Verdacht verhaftet, ein Attentat geplant zu haben. Das Mädchen ist überzeugt, dass nur ihr Einsatz im Dschihad ihre "ungläubigen" Eltern und ihre kleine Schwester ins Paradies bringen könne. Und während Sonia bereits radikalisiert ist, wird am Beispiel der 16jährigen Mélanie der unerbittliche Sog der Manipulation gezeigt. Die fünfköpfige Expertenrunde der FBW zeichnet das Drama mit dem höchsten Prädikat "besonders wertvoll" aus und schreibt in ihrer Begründung: "Der Film überzeugt durch die sensible und differenzierte Behandlung des heiklen Themas ohne erhobenen Zeigefinger und einfachen Lösungen. Ein wichtiger Film in der aktuellen Debatte."
Wir schreiben das Jahr 1521, die Zeit der Reformation. Der 12-jährige Storm, der mit seiner Familie in Antwerpen lebt, wird durch seinen Vater in ein aufregendes Abenteuer verwickelt, als dieser den Auftrag erhält, in seiner Druckerei einen Brief von Martin Luther zu drucken. Eine Mission, durch die auch Storm in große Gefahr gerät. Denn die Inquisitoren jagen alle, die sich gegen die Allmacht der katholischen Kirche stellen. Aber Storm ist der Sohn seines Vaters. Und er ist bereit, für die Freiheit zu kämpfen. Das ist erst der Anfang der spannenden Geschichte dies niederländischen Kinder- und Jugendfilms STORM UND DER VERBOTENE BRIEF (Start: 23. März). In ihrem Gutachten lobt die FBW-Jury die großartige Ausstattung des Films. Dadurch entstehe eine wahrhaftige und authentische Mittelalterstimmung. Auch Kamera, Bildgestaltung und der großartige Cast machen den historischen Abenteuerfilm, der sich vornehmlich an Kinder und Jugendliche richtet, zu etwas ganz Besonderem. Sie verleiht dem Film das Prädikat "besonders wertvoll". Und auch die Jugend Filmjury der FBW ist begeistert und empfiehlt den Film mit 4,5 Sternen ab 10 Jahren. In ihrer Begründung schreiben die Nachwuchsexperten: "Zuerst denkt man vielleicht, das Thema Luther wäre unspannend, denn auch wir hätten vorher nicht gedacht, dass daraus ein spannender Film werden kann. Aber der Film fesselt! Geht rein!"
Eine Gruppe junger Menschen in Gaza hat sich zu einem Surf Club zusammengeschlossen, um der Hoffnungslosigkeit des Alltags im besetzten Gazastreifen für Momente zu entkommen. Der Film GAZA SURF CLUB (Start: 30. März) von Philip Gnadt porträtiert das Leben der palästinensischen Surfer, indem diese selbst zu Wort kommen und ihr Alltag in Gaza begleitet wird. Immer wieder kommt die Frage auf, ob der Surfsport mit den dortigen Gesetzen vereinbar ist. Konflikte sind an der Tagesordnung, die Hoffnung als Surfer nach Hawaii oder auch nur Ägypten zu reisen, scheitert meist schon am abgelehnten Visumsantrag. Die Jury der FBW vergibt das Prädikat "wertvoll" für diese "intensive Langzeitbeobachtung", die mit "sorgfältig ausgewählten Kameraperspektiven das Bild einer Oase der Hoffnung innerhalb einer von der restlichen Welt isolierten Kampfzone entwirft". Der Film überzeuge "durch seinen subtil politischen Blick auf ein im Grunde tragisches Geschehen".
Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen unter www.fbw-filmbewertung.com.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet herausragende Filme mit den Prädikaten wertvoll und besonders wertvoll aus. Über die Auszeichnungen entscheiden unabhängige Jurys mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz Deutschland. Die FBW bewertet die Filme innerhalb ihres jeweiligen Genres.
Die Jugend Filmjurys der FBW sind mit 10-14-jährigen Schülerinnen und Schülern besetzt. Sie sind an insgesamt acht Standorten in Deutschland etabliert und sichten vor Kinostart das Filmprogramm für 5-14-jährige. Die Filme, die von der Jury 3-5 Sterne erhalten, werden als Empfehlung auf der Homepage www.jugend-filmjury.com veröffentlicht.
Prädikatsfilme vom 23. bis 30. März 2017
Der Himmel wird warten
Spielfilm, Drama. Frankreich 2016.
Keiner der Eltern, die in der Selbsthilfegruppe sitzen, hat die Gefahr kommen sehen. Die Töchter hatten allesamt ein behütetes Familienleben, sie hätten immer mit ihren Eltern sprechen können, wenn es ein Problem gibt, ihnen fehlte es an nichts. Und doch ist es passiert. Zum Beispiel bei Sonia. Die 17-Jährige wurde am Flughafen gestoppt, bevor sie nach Syrien fliehen konnte, um dort als Anhängerin des IS ein Attentat in Frankreich zu planen. Nun soll Sonia "entradikalisiert" werden - doch die junge Frau weigert sich, ihr neu entdecktes Weltbild zu verraten. Und dann gibt es da noch Mélanie, die von ihrer Mutter Sylvie allein erzogen wird. Sie hat Freunde, ist gut in der Schule, liebt ihr Cello. Doch dann stirbt ihre Großmutter, mit ihrer Mutter hat sie ständig Streit und sie fühlt sich allein. Bis sich über Facebook ein junger Mann bei ihr meldet, der sie in ihren Gedanken genau zu verstehen scheint. Und der ihr verspricht, er sei der Prinz, der sie retten würde. Doch nur dann, wenn sie sich ganz ihm und seiner Religion verspricht. Als Sylvie bemerkt, wie ihre Tochter sich verändert, ist sie entsetzt. Doch was kann sie tun, wenn Mélanie sich nach und nach aus ihrer gemeinsamen Welt entfernt? DER HIMMEL WIRD WARTEN von Marie-Castille Mention-Schaar erzählt auf sensible Art ein hochaktuelles Thema. Sonia und Mélanie, überzeugend dargestellt von Noémie Merlant und Naomi Amarger, sind sehr unterschiedlich und doch vereint in ihrer Sehnsucht nach einem Halt, den beide im Leben vermissen. Dabei werden die Probleme der Teenager vom Film nicht heruntergespielt, der Film nimmt seine Figuren ernst und urteilt nicht. Auch nicht über die Eltern, die in ihrer ganzen Hilflosigkeit und Ohnmacht gezeigt werden und sich immer wieder die Frage stellen, was man hätte tun können, um die Katastrophe zu verhindern. Der Film moralisiert nicht, gibt keine Lösung vor, lädt aber zu Diskussionen und Reflexionen ein. Auf geschickte Weise verknüpft Marie-Castille Mention-Schaar die Geschichte einer fortschreitenden Verführung mit dem Weg zurück in die Realität und dem Begreifen der Wahrheit. Durch das Erzählen verschiedener "Stadien" einer religiösen Radikalisierung erhält die Geschichte eine spannende dramaturgische Klammer, an deren Ende sowohl ein desillusionierendes wie auch hoffnungsvolles Ende steht. Die Kamera ist immer nah bei den Protagonisten, sodass auch der Zuschauer den Figuren immer sehr dicht folgen kann. DER HIMMEL WIRD WARTEN ist ein klug reflektierter und gesellschaftlich hochrelevanter Film, der für den Umgang mit einem Problem sensibilisiert, welches auch durch die Verbreitung im Rahmen sozialer Netzwerke immer stärker um sich greift.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/der_himmel_wird_warten
Storm und der verbotene Brief
Spielfilm, Abenteuer, Kinder- und Jugendfilm. Niederlande 2017.
Wir schreiben das Jahr 1521. Der 12-jährige Storm lebt mit seiner Familie in Antwerpen. Seine Mutter ist eine gottesfürchtige Frau, die auf die Aussagen der katholischen Kirche und die Einhaltung ihrer Regeln großen Wert legt. Doch Storms Vater Klaas, ein Drucker, zweifelt an deren absoluten Herrschaft und ist beeindruckt von den Aussagen Martin Luthers, der die Kirche stürzen und reformieren möchte. Und so druckt Klaas heimlich einen Brief von Luther, auch wenn ihm bewusst ist, dass er sich dadurch in große Gefahr begibt. Denn der neu in die Stadt gekommene Inquisitor verfolgt alle Ketzer und Abtrünnigen, verhört und foltert sie und lässt verbotene Schriften und Bücher verbrennen. Als auch Klaas in die Hände des Inquisitors gerät, kann dieser seine Arbeit nicht mehr vollenden. Doch Storm geht noch einmal in die Druckerei und flieht mit der Druckplatte des Briefes in die unterirdischen Katakomben der Stadt. Dort begegnet er dem tapferen Waisenmädchen Marieke. Zusammen versuchen sie, Storms Vater vor dem Scheiterhaufen zu bewahren. Doch die Zeit ist knapp. Denn der Inquisitor ist den beiden immer auf der Spur. Schon von der ersten Minute an zieht der niederländische Abenteuerfilm STORM UND DER VERBOTENE BRIEF seine Zuschauer in den Bann. Die Geschichte ist spannend erzählt, die Ausstattung und das mittelalterliche Setting lassen das Mittelalter lebendig werden und die Musik treibt die Handlung dynamisch an. Die Nebenfiguren sind gut gewählt und werden überzeugend von den Darstellern verkörpert. Storm und Marieke sind als junge Helden die perfekten Identifikationsfiguren für die Zielgruppe. Storm ist tapfer, mutig und dazu klug - er verlässt sich nicht auf das, was seine Eltern ihm sagen, möchte sich eine eigene Meinung bilden und steht für das ein, woran er glaubt. Und Marieke ist ihm nicht nur ebenbürtig, sondern schafft es oft durch ihren großen Mut und ihre selbst erlernten Fähigkeiten, Storm aus vielen brenzligen Situationen zu befreien. Die Kamera von Rolf Dekens liefert tolle dynamische Bilder, vor allem die Aufnahmen in den unterirdischen Gängen und den kleinen engen Gassen lassen den Zuschauer zu einem Teil des Abenteuers werden. Doch STORM UND DER VERBOTENE BRIEF ist auch lehrreiche Unterhaltung, denn ein so wichtiges Thema wie die Reformation wird ganz zielgruppengerecht und auf anschauliche Weise vermittelt. Dennis Bots' STORM UND DER VERBOTENE BRIEF ist ein mitreißender Abenteuerfilm, der mit seiner spannenden Geschichte und seinen großartigen Bildern nicht nur das junge Publikum begeistern wird.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/storm_und_der_verbotene_brief http://www.jugend-filmjury.com/film/storm_und_der_verbotene_brief
Gaza Surf Club
Dokumentarfilm. Deutschland 2016.
Ibrahim ist ein junger Mann, der Träume hat. Er will eine Familie, er will glücklich in Frieden leben, er will surfen. Doch all diese Dinge, die für andere gar kein Problem darstellen, sind für Ibrahim keine Selbstverständlichkeit. Denn Ibrahim lebt in Gaza, der Stadt, die wie keine als Synonym für den Konflikt zwischen Israel und Palästina steht. In einer Region, die besetzt ist und die täglich vom Terror der Extremisten beider Seiten bedroht ist, versuchen Ibrahim und seine Freunde eine Art Normalität - und auch Spaß - in ihr Leben zu lassen. Und so sind sie ein Teil des Gaza Surf Club geworden. Sie treffen sich am Strand der Stadt und haben für einen kleinen Moment des Tages Spaß. Dann sind sie frei und fühlen sich fast schon wie andere Jugendliche, die einfach dem nachgehen, was ihnen am meisten Vergnügen bereitet. Bis wieder Schüsse fallen und der Strand gesperrt wird. Und der Freiheit eine Grenze aufgezeigt wird. In seinem Debütfilm begleitet Regisseur Philip Gnadt eine Gruppe Jugendlicher, die versucht, sich innerhalb der sehr schweren Lebensumstände ein Stück Normalität aufzubauen. Als Zuschauer spürt man, dass all die Leichtigkeit, die die Jungs bei ihren Unterhaltungen an den Tag legen, immer nur versuchen kann, über die stete Angst, die über der Stadt liegt, hinwegzutäuschen. Umso beeindruckender wirken die großartigen Surf-Aufnahmen, die Gnadt und sein Team einfangen können und die trotz allem eine große Schönheit und Unschuld offenbaren. Doch Gnadt wirft auch einen Blick auf andere Gruppen. Da ist zum Beispiel der Trainer der Jungs, der für das Surfen sein Leben geben würde. Und das junge Mädchen, das auch so gerne surfen würde. Doch ab einem gewissen Alter ist Mädchen in Gaza das Schwimmen im Meer verboten. Dass ihr Vater sie dennoch heimlich auf eine Tour mitnimmt und sie danach so glücklich lächelt wie selten zuvor, ist nur eine der vielen beeindruckenden Beobachtungen, die der Film macht, ohne sie groß auszustellen. GAZA SURF CLUB zeigt die Umstände und muss zu keinem umständlichen Kommentar greifen, um sie noch zusätzlich zu werten. Das überlässt der Film dem Zuschauer. Am Ende des Films begleiten wir Ibrahim nach Hawaii. Lange hat er auf ein Ausreisevisum gewartet, nun wartet die "freie Welt". Er weiß, dass er seine Freunde, seine Familie und seine Heimat zurücklässt. Eine Heimat, die er schrecklich vermisst. Doch in der er nicht das tun kann, was er über alles liebt: die Wellen zu reiten. Ein kluger und reflektierter Dokumentarfilm, der den Mut junger Menschen zeigt, die sich mit dem Wunsch nach Normalität gegen die Macht des Terrors stellen. Und der eine Welt zeigt, die so viel komplexer ist als wir sie aus den Medien kennen.
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