Ralf Dahrendorf: "In einer Gesellschaft, in der es keine Regeln gibt, ist auch Fortschritt nicht mehr möglich"
Hamburg (ots)
Der Soziologe Lord Ralf Dahrendorf warnt davor, die Möglichkeiten einer transnationalen Demokratie zu überschätzen. In der ZEIT sagt Dahrendorf, die freiheitlichen Institutionen ließen sich "nicht auf größere Räume übertragen". Andererseits dürften sich die Nationalstaaten nicht gegenüber den "globaleren Räumen abschließen". Bindungen aber seien unverzichtbar. "Ich bin zu der Auffassung gekommen, dass in einer Gesellschaft der Anomie, in der es also keine Regeln gibt, an die sich die Menschen halten können oder wollen, auch Fortschritt nicht mehr möglich ist."
Dahrendorf, der künftig eine Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) übernimmt, plädiert für das "Prinzip des garantierten Grundeinkommens". Darüber hinaus sei der Staat aber zu keinen Leistungen verpflichtet. "Wenn ich 'Recht auf Arbeit' oder 'Recht auf Sozialstaat' höre, dann bin ich nicht mehr mit von der Partie."
Dahrendorf warnt davor, die europäische Idee nur defensiv zu verstehen. "Europa als ein protektionistischer Verein, der sich selbst oder manche Gruppen im Inneren gegen äußere Einflüsse schützt, interessiert mich eigentlich nicht und ist auch keine sehr erfreuliche Sache. Leider hat das europäische Projekt von Anfang an solche defensiven Züge gehabt."
Die Idee des Sozialstaats, so Dahrendorf, sei für Europa allerdings nicht maßgebend. "So denkt man in Deutschland, wo der paternalistische Staat zu Hause ist, und bis zu einem gewissen Grade in Frankreich. Ich halte das für eine bismarckdeutsche Illusion von Europa." Es sei ein "fataler Fehler, wenn in Deutschland Europa immer durch die deutsche Brille gesehen wird".
Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 5 vom 27.Januar 2005 senden wir Ihnen gerne zu.
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