Historiker Bernd Wegner über Grass: Skandalöse Reaktion vonseiten der Öffentlichkeit
Hamburg (ots)
Der Historiker Bernd Wegner verurteilt die öffentliche Aufregung über das Bekenntnis von Günter Grass, der Waffen-SS angehört zu haben. "Die Tatsache, dass allein die Erwähnung des Begriffs Waffen-SS jemanden ins Abseits stellt, ohne dass nach der persönlichen, individuellen Schuld gefragt wird, scheint mir vonseiten der Öffentlichkeit eine ziemlich skandalöse Reaktion", sagt Wegner im Gespräch mit der ZEIT. Er könne "die Erschütterung, die in diesen Tagen in den Zeitungen vermerkt wird, nicht teilen", und verurteilt sie als "Verweigerung, sich mit der Vielfalt historischer Erfahrung auseinander zu setzen". Wegner, Professor an der Bundeswehr-Universität Hamburg, ist einer der bekanntesten SS-Forscher.
Die heftigen öffentlichen Reaktionen entzünden sich laut Wegner am Begriff Waffen-SS. Die Öffentlichkeit habe eine "kategorische Verkürzung der historischen Erfahrung auf eine Opfer-Täter-Dichotomie vorgenommen ... Der Begriff Waffen-SS genügte zur Stigmatisierung." Wegner weiter: "Hätte Grass gesagt, er sei bei der U-Boot-Waffe gewesen,... wäre das Beben nur ein Bruchteil so stark, wie es jetzt ist." Die Waffen-SS werde automatisch "geradezu reflexartig mit Ausschwitz und Völkermord assoziiert".
Zum jahrzehntelangen Schweigen Günter Grass' über seine Vergangenheit sagt Wegner: "Mein erster Eindruck ist, dass hier eine persönliche Schwäche vorliegt. Warum soll da, wo Größe ist, nicht auch Schwäche sein?" Er glaube, "dass sich hier lediglich eine relativ normale deutsche Biografie zeigt mit allen ihren Widersprüchen und all ihrem Zwiespalt".
Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 34 vom 17. August 2006 senden wir Ihnen gerne zu.
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