Demokratiebildung an Schulen gehört auf die nationale Agenda
Hertie-Kommission stellt Empfehlungen vor
Berlin (ots)
- Experten fordern mehr Autonomie für Schulleitungen und verbindliche Bildungsstandards
- Toolbox zeigt Best Practice-Beispiele zur Demokratiebildung
Der wichtigste Ort, an dem ganze Generationen Demokratiekompetenzen erwerben können, ist die Schule. Deshalb hat die Hertie-Kommission Demokratie und Bildung über einen Zeitraum von 15 Monaten dieses Feld analysiert, mit Praktikern über Defizite und Innovationen diskutiert, von internationalen Erfolgsbeispielen gelernt und vertiefende Studien zu Einzelfragen in Auftrag gegeben. Heute stellt die Kommission in der Bundespressekonferenz in Berlin ihren rund 70-seitigen Bericht "Mehr und besser. Vorschläge für eine Demokratiebildung von morgen" vor.
In acht Empfehlungen sind die zentralen Ergebnisse zusammengefasst. "Demokratiebildung gehört auf die Agenda der Bundesregierung", sagt Kommissionsleiterin Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Global Perspectives Initiative. "Die Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben verlangt großes Vertrauen in unsere Demokratie und ein tiefes Verständnis für die Regeln unseres demokratischen Zusammenlebens. Demokratiebildung ist daher eine Aufgabe von hoher Priorität. Wir empfehlen dafür eine übergreifende Initiative auf allen staatlichen Ebenen."
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat im Rahmen ihres Leitthemas "Demokratie stärken" die Hertie-Kommission Demokratie und Bildung einberufen. "Die Hertie-Stiftung arbeitet bei Projekten wie 'Jugend debattiert' seit mehr als zwanzig Jahren mit Schulen zusammen", sagt Frank-J. Weise, Vorstandsvorsitzender der Stiftung. "Dieses Erfahrungswissen bringen wir gern ein, wenn über die Zukunft der Demokratiebildung in Deutschland gesprochen wird."
Demokratiebildung braucht Anreize und die Gesellschaft
Mit der Ganztagsschule und der Nachmittagsbetreuung öffnen sich dringend benötigte Räume für die Demokratiebildung - insbesondere mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026. Schulen werden immer mehr zu Lebensräumen, in denen Projektwochen, aber auch Besuche von Externen aus allen Bereichen der Gesellschaft zu Demokratie-Begegnungen werden können. Daher setzt die Kommission auf eine stärkere Öffnung der Schulen für die Zusammenarbeit mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft.
Um Debatte, Beteiligung und Engagement als entscheidende Angebote zur Entwicklung eines demokratischen Verständnissens an möglichst vielen Schulen wirkungsvoll einzusetzen, rät die Hertie-Kommission zudem zu Anreizen, die von staatlicher Seite geschaffen werden, zum Beispiel durch die Einführung eines Demokratiebudgets an Schulen von mindestens 5 Euro pro Schülerin und Schüler, über das Schülerschaft und Lehrkräfte gemeinsam entscheiden.
Mehr Angebote in Berufsschulen gefordert
Die Hertie-Kommission Demokratie und Bildung bezieht sich bei ihrer Arbeit auch auf die Befragung von Schulleitungen, die eine große Bereitschaft für mehr Demokratiebildung an Schulen signalisiert haben. Die Kommission empfiehlt deshalb die systematische Überarbeitung der Bildungsstandards für die Sekundarstufe I sowie die Einbettung der Demokratiebildung in die Primarstufe. Zudem müsse die Ausblendung der Demokratiebildung an beruflichen Schulen dringend korrigiert werden. Zugleich empfiehlt die Hertie-Kommission, Schulleitungen und Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten und mehr Autonomie als "Führungskräfte mit Gestaltungsfreiheit" zuzubilligen.
"Befragungen zeigen, dass viele Schulleiter und Lehrkräfte gern die Angebote rund um das Thema Demokratie ausweiten oder qualitativ verbessern wollen - aber viel zu oft hängt es nur am Engagement und Netzwerk einzelner Personen, ob tatsächlich etwas geschieht", so Hertie-Stiftungsvorstand Frank-J. Weise. "Bei der schulischen Demokratiebildung fehlt es nicht an guten Ansätzen einzelner, wohl aber an der Umsetzung in der Breite."
Die Mitglieder der Hertie-Kommission Demokratie und Bildung sind Experten aus Wissenschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft: Dr. Ingrid Hamm, Anna Engelke, Maja Finke, Diana Kinnert, Thomas Krüger, Mirko Meyerding, Prof. Dr. Armin Nassehi, Prof. Dr. Andreas Schleicher, Linda Teuteberg und Prof. Dr. Ludger Wößmann. Eine Übersicht der Kommissions-Mitglieder mit Kurzvitae ist beigefügt.
Toolbox Demokratiebildung mit mehr als 50 Best Practice-Beispielen
Die Kommission ist überzeugt, dass ein leicht zugänglicher Projektpool die Praxis der Demokratiebildung in Schulen erheblich erleichtert. Deshalb hat das Projektteam der Hertie-Stiftung über 50 schulische Best-Practice-Beispiele in einer Toolbox zusammengetragen, auch außerschulische Angebote sind in der Sammlung beschrieben und verlinkt. Die Toolbox ist ab sofort kostenlos abrufbar und wird zukünftig ergänzt und aktualisiert. Auch mehrere empirische Kurzstudien und Zwischenberichte von der OECD, dem ifo-Institut und dem FiBS (Forschungsinstitut für Bildung- und Sozialökonomie) sind auf der Website der Kommission einsehbar.
Weitere Informationen
Der Kommissionsbericht zum Download: www.ghst.de/kommissionsbericht
Die Toolbox zum Download: www.ghst.de/toolbox
Die acht Empfehlungen der Kommission in Kurzform: www.ghst.de/empfehlungen
Die Mitglieder der Kommission (Kurzvita): www.ghst.de/kommissionsmitglieder
Die Webseite des Projektes: www.ghst.de/hertie-kommission
Über die Gemeinnützige Hertie-Stiftung
Die Arbeit der Hertie-Stiftung konzentriert sich auf zwei Leitthemen: Gehirn erforschen und Demokratie stärken. Die Projekte der Stiftung setzen modellhafte Impulse innerhalb dieser Themen. Im Fokus stehen dabei immer der Mensch und die konkrete Verbesserung seiner Lebensbedingungen. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung wurde 1974 von den Erben des Kaufhausinhabers Georg Karg ins Leben gerufen und ist heute eine der größten weltanschaulich unabhängigen und unternehmerisch ungebundenen Stiftungen in Deutschland. Der Name "Hertie" geht zurück auf Hermann Tietz, Mitbegründer des gleichnamigen Warenhauskonzerns zum Ende des 19. Jahrhunderts. www.ghst.de
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