Deutsche Klimainitiative und Klimastreit mit der EU passen nicht zusammen
Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe warnt Bundesregierung vor Eskalation des Klimastreits mit der EU und präsentiert transparentes Zuteilungssystem für Emissionsrechte - Dem Lobbyismus der Großkonzerne widerstehen - Merkel soll Fehler ihres Vorgängers nicht wiederholen
19. Dezember 2006: Die Bundeskanzlerin will den Klimaschutz zu einem zentralen Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und dem Vorsitz bei G 8 machen. Die Deutsche Umwelthilfe begrüßt diese Initiative als gut und richtig. Das Kyoto-Abkommen laufe 2012 aus. Es sei ein erster, wichtiger Schritt gewesen. Die Dimension des Problems verlange jedoch erheblich größere Anstrengungen. Der Bericht des Ökonomen Nicholas Stern für die britische Regierung habe vor wenigen Wochen überdeutlich gemacht, dass nicht nur unsere ökologische, sondern auch unsere ökonomische Zukunft von der Lösung des Klimaproblems maßgeblich mitbestimmt werde. Ohne ein klares Signal der Regierungschefs sind die internationalen Klimaverhandlungen über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen für die Zeit nach 2012 nach Überzeugung der DUH von vornherein zum Scheitern verurteilt.
"Die Initiative der Kanzlerin kann aber nur Erfolg haben, wenn Deutschland im eigenen Land einen glaubwürdigen Klimaschutz betreibt. Dazu muss Frau Merkel den Streit ihrer Regierung mit der EU-Kommission zum Emissionshandel in der Kyotoperiode von 2008 bis 2012 schnellstens beilegen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Worum geht es in der Auseinandersetzung? Erstens um die Menge der Emissionslizenzen (Zertifikate), die die Regierung der deutschen Industrie und Energiewirtschaft in diesen Jahren kostenlos zuteilen will. Den Plan der Bundesregierung, jährlich für 482 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate zu verschenken, hat die Kommission nach Auffassung der DUH zu Recht beanstandet. Mit dieser Ausstattung hätte Deutschland seine Kyotoverpflichtung verletzt. Die Kommission will dagegen maximal 453 Mio. t zulassen. Der Wirtschaftsminister und Interessenvertreter der Wirtschaft verlangen, dass die Bundesregierung eine Klage gegen die EU-Forderung anstrebt. "Das hätte zur Folge, dass Deutschland bis zur Klärung des Streits beim Europäischen Gerichtshof keine Zuteilungen mehr vornehmen dürfte. Der Emissionshandel in Deutschland läge für Jahre auf Eis. Ohne Emissionshandel aber wird Deutschland seine Kyotoverpflichtungen niemals einhalten können", erläuterte Baake.
Verlangt die Kommission von der deutschen Wirtschaft zu viel Klimaschutz? Wer den aufgeregten Brief des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) an die Kanzlerin vom Wochenende liest, könnte glauben, dass die Geschichte sich wiederholt. Für die erste Emissionshandelsperiode der Jahre 2005 bis 2007 hatte der damalige Bundesumweltminister als Einstieg eine jährliche Zuteilung von 488 Millionen Tonnen vorgeschlagen. Die Wirtschaft protestierte seinerzeit mit denselben Argumenten wie heute. Der damalige Bundeskanzler und sein Wirtschaftminister setzten innerhalb der Regierung 499 Millionen Tonnen durch. Der Umweltminister erhielt im Gegenzug ein Anreizsystem zur wirksamen Emissionsminderung. Wie wirksam es war, stellte sich schnell heraus. Lagen die Emissionen in den letzten zwei Jahren vor Einführung des Emissionshandels noch bei 491 Millionen Tonnen CO2, so stürzten sie im Jahr 2005, also binnen zwölf Monaten, auf nur noch 477 Millionen Tonnen ab. Der Emissionshandel zeigte massive Wirkung. Ein Wunder war das nicht, denn für jede nicht emittierte Tonne Kohlendioxid konnte die deutsche Wirtschaft Zertifikate für bis zu 30 Euro am europäischen Markt verkaufen. Der Vorgänger der Bundeskanzlerin hatte sich durch die Klagen der Wirtschaft so sehr beeindrucken lassen, dass diese für 22 Millionen Tonnen mehr Zertifikate bekam als sie 2005 überhaupt benötigte. Baake: "Frau Merkel wäre gut beraten, diesen Fehler nicht zu wiederholen".
Zumal in der Kyotoperiode 2008 bis 2012 erstmals gilt: Jede (netto) von der deutschen Wirtschaft ins Ausland verkaufte Emissionsberechtigung erhöht die deutsche Minderungsverpflichtung über die im Rahmen der EU vereinbarten 21 Prozent hinaus.
Der zweite große Streitpunkt mit der EU-Kommission betrifft die Zuteilungsgarantien und die von der Bundesregierung bisher vorgesehene Ungleichbehandlung bestimmter bestehender Anlagen. Nach Informationen der DUH will die Bundesregierung das Zuteilungssystem für die existierenden Kraftwerke jetzt auf so genannte Benchmarks umstellen. Industrieanlagen blieben von der Änderung ausgenommen. Entscheidend sollen danach also nicht mehr die tatsächlichen Emissionsmengen eines Kraftwerks in einer Basisperiode sein, sondern ein angenommener technischer Standard. Dasselbe Zuteilungssystem, das heute schon für neue Anlagen gilt, solle zukünftig auch auf bestehende Anlagen angewandt werden. "Das ist grundsätzlich vernünftig", sagte Baake, warnte aber davor, "alten ineffizienten Anlagen einen höheren Benchmark zuzubilligen als neuen Anlagen. Damit würde die die Bundesregierung den Motor aus dem Emissionshandel ausbauen. Wenn außerdem Braunkohleanlagen fast dreimal soviel Zertifikate bekommen wie klimafreundliche Kraftwerke auf Erdgasbasis, dann wird aus dem Emissionshandel ein Förderprogramm für besonders klimaschädliche Brennstoffe."
Als Alternative schlägt die Deutsche Umwelthilfe vor, alle Stromerzeugungsanlagen, neue wie alte, mit Zertifikaten nach einem einheitlichen Benchmark auszustatten. Der verbleibende Rest bis zur Erreichung des Caps wird nach diesem Modell versteigert.
Der DUH-Geschäftsführer erklärte die Vorteile des Vorschlags: "Investitionen in klimaschonende Technik würden sich lohnen. Altanlagen müssten Zertifikate zukaufen, je ineffizienter die Anlage, desto höher der Bedarf an zusätzlichen Zertifikaten. Je klimaschädlicher der Brennstoff, desto größer die Lücke zwischen kostenloser Zuteilung und Bedarf. Ein solches Zuteilungssystem wäre einfach, transparent und EU-konform. Es wäre ein Modernisierungsmotor für den Standort Deutschland."
Den Argumenten und der Befürchtung der Besitzstandswahrer und der Verzagten, damit werde der Strompreis steigen, hielt Baake entgegen:. "Die Konzerne haben den Preis der geschenkten Zertifikate längst auf den Strompreis aufgeschlagen. Mit der Teil-Versteigerung würden diese ungerechtfertigten Zusatzgewinne abgeschöpft. Der Staat könnte sie den Verbrauchern über eine Senkung der Stromsteuer zurückgeben".
In ihrer Koalitionsvereinbarung hätten sich CDU/CSU und SPD vorgenommen, gegen die ungerechtfertigte Einpreisung von geschenkten Zertifikaten vorzugehen und "Windfall Profits" in Zukunft zu vermeiden. Baake: "Wer hindert die Große Koalition daran, umzusetzen was sie den Verbrauchern versprochen hat?"
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Berlin; Mobil: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
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