Der Tagesspiegel: Westerwelle: Merkel hat bei Nahost-Politik schweren Fehler gemacht/ Schwarz-Rot betreibt Politik des Abkassierens
Berlin (ots)
FDP-Chef Guido Westerwelle wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) im Zusammenhang mit dem Einsatz deutscher Truppen im Nahen Osten "Falscheinschätzung, Laufenlassen und mangelnde Disziplin" vor. Jung habe schon Anfang Juli öffentlich über bewaffnete deutsche Soldaten im Nahen Osten gesprochen hat, "als ob er noch im hessischen Landtag säße und nicht durch seine Worte internationale Reaktionen auslöst", sagte Westerwelle dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Dagegen hätte Merkel ein klares Wort sprechen müssen. "Die Bundeskanzlerin hat einen schweren Fehler gemacht, dass sie die Diskussion nicht sofort beendet hat", sagte Westerwelle. "Sie hätte sie niemals über den gesamten Sommer laufen lassen dürfen. Der Konflikt im Nahen Osten ist Jahrzehnte alt, und es gab noch keinen deutschen Bundeskanzler, der sein Kabinett und seine Koalition wochenlang über den Einsatz deutscher Soldaten spekulieren ließ."
Westerwelle warf Jung "Disziplinlosigkeit" vor. "Nach dem Kongo hat uns der Verteidigungsminister nun schon zum zweiten Mal in außenpolitische Schwierigkeiten gebracht."
Wenige Tage vor der geplanten Bundestagsabstimmung über einen Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten begründet FDP-Chef Guido Westerwelle die Ablehnung durch die FDP-Fraktion. "Wir sind im Nahen Osten nicht neutral", sagte er, "auch und gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte". Deshalb lehne er einen Einsatz deutscher Truppen ab. Diese Überzeugung gehöre zu den "Grundpositionen jeder Bundesregierung seit Gründung der Bundesrepublik". Westerwelle warnte: "Wir sollten es vermeiden, zu einer Art Kriegspartei zu werden". Als deutschem Politiker bleibe ihm "der Atem weg " bei dem Gedanken, es könnte zu einem Feuergefecht zwischen deutschen und israelischen Soldaten kommen, bei dem ein Israeli durch eine deutsche Kugel getroffen werde.
Westerwelle zeigte sich verwundert darüber, dass Merkel vor einer Woche öffentlich die Politik ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) als Wende zum Besseren in Deutschland gelobt habe. Merkel äußere sich über Schröders Politik "ganz so, als hätte sie ihn nicht im Bundestagswahlkampf letztes Jahr ablösen wollen", sagte der FDP-Chef. Die Merkel-Regierung betreibe eine "Politik des Abkassierens". Die durch die Regierung beschlossenen Belastungen würden Durchschnittsfamilien mit einem Einkommen von jährlich 40000 Euro im nächsten Jahr rund 2000 Euro kosten. Dem Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) warf Westerwelle "Verarschung der Wähler" vor. Er erinnerte daran, dass die SPD vor der Bundestagswahl die von der Union geplante Mehrwertsteueranhebung habe verhindern wollen und nun einer noch umfangreicheren Anhebung der Steuer zugestimmt habe. Wenn es Müntefering nun, wie es vergangenen Montag geschehen ist, als "unfair" bezeichnet hat, die Koalitionsparteien an ihren Wahlprogrammen zu messen, dann sei das eine "Unverschämtheit", sagte Westerwelle.
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