"Es scheint ja alles in Ordnung zu sein"
Prof. Glaeske kritisiert Präventionsgedanken im geplanten "Faire-Kassenwahl"-Gesetz
Bremen/Obernkirchen (ots)
Seit es die Wahlfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, existiert der sogenannte Risikostrukturausgleich (RSA). Hintergrund ist der angestrebte finanzielle Ausgleich von strukturellen Ungleichheiten zwischen den Krankenkassen. Damit sind Aspekte wie Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand der Versicherten gemeint. "Kassen mit vielen jungen und gesunden Menschen haben Vorteile gegenüber Kassen mit vielen älteren und kränkeren Menschen. Der RSA greift hier ein und verteilt Geld von Kassen mit günstiger Versichertenstruktur mit potentiell weniger Ausgaben für Behandlungsleistungen an Kassen mit ungünstiger und daher zumeist kostenintensiverer Struktur um", beschreibt Prof. Gerd Glaeske vom "Länger besser leben."-Institut, einer Kooperation von Universität Bremen und Krankenkasse BKK24, den grundsätzlichen Ausgleichsmechanismus zur Herstellung von vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen.
Der RSA soll nun ergänzt werden und auch die Prävention ins Blickfeld nehmen. Dies sieht der aus dem Gesundheitsministerium stammende Entwurf zum "Faire-Kassenwahl"-Gesetz vor. Das Ministerium plant, eine Vorsorgepauschale einzuführen, die eine Kasse dann erhält, wenn ihre Versicherten sich an Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten oder zur Vorsorge bei bestehenden Krankheitsrisiken beteiligen. Ziel des Ganzen: Der finanzielle Anreiz soll dazu führen, dass die Kassen ihre Versicherten motivieren, häufiger an derartigen Maßnahmen teilzunehmen.
"Auch wenn jegliche Förderung von Prävention grundsätzlich positiv zu bewerten ist, sind vor allem die Früherkennungsuntersuchungen ab dem 18. Lebensjahr immer wieder in der Diskussion bezüglich des nachgewiesenen Nutzens", kritisiert Prof. Glaeske die punktuell vorgenommenen Untersuchungen, die zur weiteren Gesunderhaltung im Falle der festgestellten Nicht-Erkrankung kaum etwas beitragen würden. Der Gesundheitsexperte sieht sogar Gefahren: "Es kann der Eindruck entstehen, dass am Lebensstil, der Ernährung, dem Umgang mit Nikotin oder Alkohol nichts verändert werden muss. Es scheint ja alles in Ordnung zu sein." Deutlich wertvoller seien auf Dauer angelegte Präventionsmaßnahmen, die ein gesundes Leben auch in der Zukunft ermöglichen. Ein von Prof. Glaeske herangezogener Vergleich verdeutlicht dies: Beim Auto geht es um die Prüfung der Bremsen, von Licht und von Abgasen. Wenn hier keine Mängel festgestellt werden, gibt es die TÜV-Plakette. Bei Mängeln wird repariert und das Auto ist wieder für zwei Jahre verkehrstüchtig.
Präventionsmaßnahmen für einen gesunden Lebensstil mit einer Motivation zum Gesundheitshandeln müssen aber langfristige und auch dauerhafte Veränderungen mit sich bringen, fordert Prof. Glaeske. Es geht in diesem Zusammenhang um differenziert gestaltete Angebote unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation der Menschen, die erreicht werden sollen, wobei der sozialen und geschlechtsbedingten Ungleichheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Vorsorgeuntersuchungen seien dort wichtig, wo es darum ginge, nach der Behandlung von Krankheiten regelmäßig zu prüfen, ob wieder Anzeichen für ein neues Auftreten festgestellt werden können. "Prävention und Gesundheitsförderung haben aber einen anderen Zweck. Häufige Krankheiten wie Herz-Kreislaufbeschwerden, Diabetes oder auch Krebs sollen am besten gar nicht erst entstehen, das muss das Ziel einer wirksamen Gesundheitspolitik sein. Und dies wird nicht durch Früherkennungs- oder Vorsorgeuntersuchungen erreicht, die per Gesetz nach dem Gießkannenprinzip propagiert und den Versicherten wegen des finanziellen Ausgleichs aus dem RSA von den Kassen empfohlen werden." Vielmehr würden langfristig angelegte Präventionsprogramme wie die Gesundheitsinitiative "Länger besser leben." der Krankenkasse BKK24 - an der sich alle Menschen, und nicht nur Versicherte der Kasse, beteiligen können - zeigen, wie eine wirksame Motivation zu einer dauerhaften Prävention gelingt und bei den Teilnehmenden zu einer besseren Gesundheit und mehr Wohlbefinden führt.
Pressekontakt:
"Länger besser leben."-Institut
an der Universität Bremen
Wissenschaftlicher Leiter Prof. Gerd Glaeske
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