Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Jugendhilfetag in Essen - Gerechtigkeit für alle Kinder. Leitartikel von Birgitta Stauber-Klein
Essen (ots)
Die Zahl ist erschreckend: Jedes 6. Kind lebt von Sozialtransfers und somit in Armut. Zudem ist der gesundheitliche Zustand von Jungen und Mädchen aus armen Familien vergleichsweise schlecht. Immer mehr Eltern sind nicht in der Lage, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie in dieser Gesellschaft klarkommen. Diese Kinder stehen vor einer unsicheren Zukunft.
Die Zahl der Heranwachsenden steigt, denen es an Fürsorge, Liebe, Zuwendung mangelt. Der Gipfel dieser Entwicklung sind die spektakulären Fälle von Misshandlung, Verwahrlosung und Missbrauch. Dabei denken wir an Kevin, dem so lange die Knochen gebrochen wurden, bis er starb. Wir denken an Jessica und Lea-Sophie, die jahrelang dahinvegetierten, bis sie verhungerte. Und an Justin aus Bochum, das zehn Monate alte Baby. Es überlebte die Verbrühungen nicht, die sein Stiefvater ihm mit heißem Wasser zugefügt hatte.
Die spektakulären Fälle rütteln auf. Sie lenken zugleich den Blick auf überforderte Eltern, die oft von Perspektivlosigkeit gestresst sind. Ins Visier geraten auch die Jugendämter, in denen überlastete Mitarbeiter den Personalmangel verwalten. Auf der anderen Seite werden auf diese Weise die Ursachen der Symptome benannt, unter denen hier zu Lande zu viele Kinder und Jugendliche leiden. Die Diskussion, wie Kinder eine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe bekommen, wenn die Eltern versagen, wie sie fit gemacht werden können für die Zukunft, ist eröffnet.
Die Behandlung indes ist noch dem Zufall überlassen. Selbst wenn es gut läuft, beschränkt sie sich auf den akuten Einzelfall, etwa wenn Gefahr in Verzug ist. Viele Experten sind dagegen zu Recht der Überzeugung, dass die Kinder- und Jugendhilfe der Gesellschaft mehr wert sein müsse. Erst wenn das erreicht ist, können wir von einem kinderfreundlichen Land sprechen.
Um nicht weniger geht es auch beim 13. Kinder- und Jugendhilfetag in Essen: Das Motto "gerechtes Aufwachsen ermöglichen" ist gut zusammengefasst: Denn während ein Teil der Heranwachsenden auf die Hilfe des Staates angewiesen ist, sind andere durch den Einsatz der Familie in unserem Bildungssystem privilegiert. Denn viele Eltern mit höherem sozialen Status sind bereit und betrachten es auch als eines ihrer Lebensziele, ihre Kinder zu fördern. Wenn diese Gerechtigkeitslücke in Zukunft kleiner wird, dann ist das für unsere Gesellschaft insgesamt ein Erfolg. Der übrigens nötig ist, um unseren Wohlstand für die kommenden Generationen zu sichern.
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