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WAZ: Jamaika im Saarland - Kampf der Kulturen - Leitartikel von Frank Stenglein

Essen (ots)

Zugegeben, das Saarland ist kaum größer als anderswo
Landkreise, die Politiker sind dort weniger wichtig als sie meinen. 
Das ändert nichts daran, dass im kleinsten deutschen Flächenstaat 
Geschichte geschrieben wurde. CDU und FDP auf der einen, die Grünen 
auf der anderen Seite - trotz kommunaler Annäherungen ist eine solche
Koalition immer noch stark begründungsbedürftig, vor allem für die 
Grünen. Dabei geht es weniger um die Öffentlichkeit als vielmehr um 
die eigene Basis. Und es geht kaum um Inhalte, sondern um Kulturen 
und Milieus, um politische Signale.
Die Inhalte? Sie sind für eine CDU, deren weltanschauliches 
Koordinatensystem von der Vorsitzenden geschreddert wurde, das 
kleinste Problem. Gestrichene Studiengebühren, Verzicht auf neue 
Kohlekraftwerke, weniger Selektionsstress in den Schulen - darf's 
noch etwas mehr sein? Die traditionell sozialkatholische, eher linke 
Saar-Union räumte Positionen schneller als die Grünen Forderungen 
stellen konnten. Ähnlich steht es mit der Prinzipientreue der 
schwachen Saar-Liberalen, und umgekehrt fehlen bei den Landesgrünen 
linke Hitzköpfe. Seit langem lief es deshalb auf Jamaika hinaus. Die 
Rückkehr seines Intimfeinds Oskar Lafontaine war für Grünen-Chef 
Hubert Ulrich nur eine willkommene Zusatzbegründung, keinesfalls die 
Ursache.
Die Bundes-Grünen sind dennoch bemüht, Jamaika als Experiment, ja
als Betriebsunfall darzustellen. Verständlich. Renate Künast und 
Jürgen Trittin sind wie der Großteil der grünen Funktionäre kulturell
und von ihrem Lebensgefühl her links verortet. CDU und vor allem FDP 
sind da nur mühsam gesellschaftsfähig, was abgeschwächt auch 
umgekehrt gilt. Zwischen linksliberalen grünen Bildungsbürgern und 
FDP-nahen Leistungsträgern mag es Gemeinsamkeiten der Herkunft geben,
die Chemie stimmt deshalb noch lange nicht.
Ist das so schlimm? Eigentlich nicht. Politik lebt von 
Gegensätzen, auch solchen grundsätzlicher Art. Wenn in Deutschland 
bald alle mit allen koalieren können, mag das in einem 
strukturkonservativen, streitunlustigen Land Beifall finden. Der 
Preis der Konsenssoße könnte jedoch glattgeschliffenes Mittelmaß 
sein, regierendes Lavieren an den Problemen vorbei, stets den 
kleinsten gemeinsamen Nenner im Auge.
Machtpolitisch hat Jamaika freilich erst einmal Vorteile für die 
Beteiligten: eine Option mehr. Bei den Grünen ruft das noch Unbehagen
hervor. Angela Merkel, die kühle Ingenieurin der Macht, ist schon 
weiter.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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