Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Lafontaine sucht neue Wählerschichte: Flirt mit den Rechten - Leitartikel von Christina Wandt
Essen (ots)
Fabulöse Werte werden der neuen Linkspartei derzeit für die Wahl vorausgesagt, und da mag mancher vergessen, dass viele dieser Stimmen nicht der Überzeugung geschuldet sind, sondern der Enttäuschung. Ginge es um das Programm, so ließe sich der sagenhafte Stimmenzuwachs vor allem in Westdeutschland nicht erklären. Denn diese Partei ist nicht neu, sie hat bloß einen neuen Namen, wer sie bisher wählen wollte, musste sein Kreuz bei der PDS machen. Das freilich fiel im Westen den meisten schwer, und so erweist sich die Umbenennung als kluger Schachzug. Die vormalige PDS hätte um den Einzug in den Bundestag bangen müssen, als Linkspartei bewegt sie sich im zweistelligen Prozentbereich. Dass das auch den anderweitig Enttäuschten zu verdanken ist, gehört zu den Gesetzmäßigkeiten des Politikbetriebes. Auch Angela Merkel wird nicht nur von überzeugten Christdemokraten gewählt, sondern von manchem, der 2002 noch auf Gerhard Schröder und die SPD setzte. Doch muss man in SPD und CDU lange nach jemandem suchen, der so schamlos um die Stimmen der Enttäuschten buhlt wie Oskar Lafontaine. Nun werde eine Partei in den Bundestag ziehen, die die Interessen des Volkes vertritt, verspricht er und meint doch nur die eigenen. Der ehemalige SPD-Chef nutzt die Linkspartei zur Selbstvermarktung und kümmert sich nicht darum, dass seine dumpfen Parolen in der PDS auf breite Ablehnung stoßen. In Essen hat er jetzt argumentiert, bei vielen Wählern rechtsradikaler Parteien handele es sich um verzweifelte Menschen, um die man werben müsse, statt sie in die Ex-tremismusecke zu stellen. Da mag er sogar recht haben, wer aber allein auf Protestwähler schielt, der gibt seine Werte preis, der verliert sein Profil, so er beides hat. Am Ende ereilt derlei Populisten ein Schicksal wie Statt- und Schill-Partei. Es bleibt abzuwarten, was nach der Wahl vom ad-hoc-Bündnis zwischen PDS und WASG bleibt.
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