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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Kabinettsbildung der Bundesregierung, Autor: Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Im Schach gibt es die Möglichkeit der Rochade, mit der der eigene König geschützt wird, nur einmal. Angela Merkel indes hat bei der Benennung der CDU-Minister in ihrem vierten Kabinett gleich mehrere Personalrochaden vorgenommen. Ein kluger Schachzug von ihr war es dabei, ausgerechnet ihren größten innerparteilichen Kritiker, den aufstrebenden Noch-Finanzstaatssekretär und bekennenden Fan des österreichischen Jung-Kanzlers Sebastian Kurz, Jens Spahn, ins Kabinett zu holen. So kann sie auch dem großen Hoffnungsträger der Konservativen in der Union die Linie vorgeben. Ob sich der hoch aufgeschossene Münsterländer im Gesundheitsministerium allerdings immer und zu einhundert Prozent an Merkels politische Richtlinen halten wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Spahn wäre nicht Spahn, wenn er auch im Kabinett nicht die politischen Spielräume ausnutzte, die ihm über das Fachministerium hinaus die Medien, Interviews, Talkshows weiterhin gerne bieten werden. Zumindest hat Merkel einen potenziellen Unruheherd einmal die Woche am Kabinettstisch. Und wer weiß, vielleicht ist die Benennung des jungen Politikers, der gerne auch flott und selbstbewusst mit gängigen Unions-Vorstellungen bricht, mehr als nur eine Verbeugung vor den Konservativen in ihrer Partei. Es kommt in den nächsten Jahren auf Spahn selbst an, ob er loyal zur Kanzlerin, aber gleichzeitig auch profilgebend konservativ agieren wird. Schafft er beides, könnte er vielleicht sogar Kanzlerkandidat werden. Auch wenn Merkel das ganz bestimmt nicht will. Als Favoritin für ihre Nachfolge an der Parteispitze sowie im Kanzleramt hat Angela Merkel vielmehr die künftige CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auserkoren, die heute auf dem CDU-Parteitag in Berlin ins Amt gewählt werden soll. Die Saarländerin hat einen ähnlichen Politikstil wie Merkel: Schnörkellos, auf Effizienz nicht auf Effekte ausgerichtet. Auch wenn die Saarländerin und Katholikin anders sozialisiert wurde als die ostdeutsche Protestantin und Pastorentochter Merkel, so "ticken" beide Politikerinnen doch ähnlich. Freilich kommt "AKK", wie die Saarländerin in ihrer Partei keineswegs abschätzig genannt wird, nun eine wichtige Aufgabe zu. Sie muss das verwässerte Profil der Kanzlerinnen-Partei schärfen, muss den christlich-sozialen, den liberalen und den konservativen Flügel zusammen halten und alles für die Zeit nach Merkel fit machen. Das ist ein anspruchsvolles Programm, dass Kramp-Karrenbauer, frei von den Aufgaben eines Ministeramtes, schaffen muss. Packt sie es, führt an ihr als nächster Unions-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl 2021 kein Weg vorbei. Kramp-Karrenbauer wird eine Generalsekretärin, die zu Höherem berufen ist. Mit Jens Spahn, der künftigen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der überraschend nominierten Anja Karliczek als Bildungsministerin, hat Merkel auch personell ein Zeichen gesetzt, dass ihr viertes Kabinett kein Weiter so sein soll. Das Bemühen, die Regierung jünger und weiblicher machen zu wollen, ist unverkennbar. Es wurde auch Zeit dafür. Zugleich hat die Langzeitkanzlerin die meisten Regierunsämter ihrer Partei an altbekannte, vertraute Kräfte vergeben. Von ihrer "Allzweckwaffe" Peter Altmaier, der endlich beweisen kann, dass die CDU etwas von moderner Wirtschaftspolitik versteht, bis zu Ursula von der Leyen, die als Verteidigungsministerin eine zweite Chance bekommen soll. In diesem Job ist von der Leyen, die schon lange nicht mehr als Merkel-Nachfolgerin gehandelt wird, vollauf beschäftigt. Mit dem unauffälligen, aber grundsoliden Helge Braun macht Merkel wiederum einen engen Vertrauten zum Chef des Kanzleramtes. Da geht sie auf Nummer sicher.

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