FZ: Lösungen sehen anders aus Kommentar der Fuldaer Zeitung (30.06.2018) zu den Ergebnissen des EU-Gipfels und zum Streit in der Union über die Asylpolitik
Fulda (ots)
Hat Angela Merkel ihren Hals nochmal aus der Schlinge gezogen und durch Verhandlungsgeschick ihr politisches Überleben gesichert? Auf den ersten Blick taugen die Ergebnisse des Gipfels von Brüssel dazu, den Koalitionspartner CSU zu besänftigen. Merkel hat ihr "Wir schaffen das!" aufgegeben und sich - freilich unter größtem innenpolitischen Druck - eingereiht in die größer werdende Schar von EU-Staaten, die "Es reicht!" sagen. Der Gipfelbeschluss räumt den Staaten, ganz im Sinne Horst Seehofers, nationale Maßnahmen an den Grenzen ein, gibt grünes Licht für die von ihm geforderten Ankerzentren, und auch zwei Rückführungsabkommen, die den "Asyltourismus" nach Deutschland eindämmen sollen, hat die Kanzlerin mit nach Berlin gebracht.
Taktisch ein Merkelsches Meisterstück, denn Seehofer wird es sich angesichts dieser (zugegebenermaßen minimalen) Fortschritte in der europäischen Asylpolitik kaum leisten können, die Kanzlerin weiter mit Drohungen unter Druck zu setzen. Wie lassen sich jetzt noch Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze rechtfertigen, wenn dadurch nicht nur das Gipfelergebnis Makulatur, sondern auch ein neuer Streit mit Seehofers Verbündetem Sebastian Kurz entfacht würde? Der österreichische Bundeskanzler hat bereits angekündigt, auf eine solche Maßnahme mit der Schließung der Grenze zu reagieren - für Seehofer ein Fiasko.
Es sieht also ganz danach aus, als hätten die Kontrahenten in Berlin und München wieder einmal die Kurve gekriegt, wie schon so oft in der Vergangenheit. Wie viele Male hatte Seehofer damit gedroht, die Bundesregierung wegen der offenen Grenzen vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen, ohne es dann tatsächlich wahr zu machen. Immerhin: Jeder Bluff trieb die Kanzlerin ein Stückchen mehr in die Enge - und am Ende lächelten beide wieder gemeinsam in die Kameras.
Aber niemand sollte sich zu früh freuen: Abgesehen davon, dass die Regierung (noch einmal) gerettet zu sein scheint, ist das Ergebnis von Brüssel ein Formelkompromiss, der nicht einmal ansatzweise dazu taugt, das Asylproblem in den Griff zu bekommen. Bei näherer Betrachtung bleibt vieles, was vereinbart wurde - auch das ist typisch für die Politik der Bundeskanzlerin -, diffus und vage: Die EU-Staaten bleiben in zentralen Fragen der Asylpolitik zerstritten. Das Abschlussdokument enthält eine Menge von Absichtserklärungen, deren Umsetzung in den Sternen steht. Geschlossene Auffangzentren in Nordafrika? Wo die entstehen sollen, weiß keiner. Die gerechte Aufteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten? Nur auf freiwilliger Basis, was die Visegrád-Staaten direkt dazu veranlasste, nochmal auf ihre harte Haltung zu pochen.
Echte Lösungen sehen anders aus. Die Europäische Union tritt auf der Stelle, wie bei so vielen anderen Themen auch. Kein gutes Zeichen für die Reformen, die dringend notwendig sind. Dass die österreichische EU-Ratspräsidentschaft, die am Sonntag beginnt, die Staaten ein Stückchen mehr zusammenbringt, ist kaum zu erwarten. / Bernd Loskant
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