POL-H: Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2022 der Polizeidirektion Hannover
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Hannover (ots)
Fallzahlenanstieg und sinkende Aufklärungsquote - aus gesteigerter Teilhabe am öffentlichen Leben resultieren auch die Anstiege von Gewalt- und Eigentumsdelikten. Jugendkriminalität und Gewalt gegen Einsatzkräfte nehmen zu. Vergleiche zum Vorjahr im Bereich häuslicher Gewalt sind nun erstmalig möglich. Weitere Erklärungen zur Kriminalitätsstatistik werden in diesem Bericht erläutert.
Gesamtzahl der Straftaten
Für den Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion (PD) Hannover wurden 2022 insgesamt 108.375 Straftaten erfasst. Dies macht im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 12,50% aus. Damit ergibt sich im Jahr 2022 ein Höchstwert im Vergleich der vergangenen fünf Jahre. Letztmalig waren für das Jahr 2017 mit 114.685 Taten höhere Fallzahlen erfasst.
Mit deutlichen Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kehrte das öffentliche Leben schrittweise zu seiner früheren Form zurück. Aufgrund dessen haben sich nunmehr auch wieder häufiger Tatgelegenheiten ergeben. Besonders die Zahlen in den Bereichen der Rohheits- und Eigentumsdelikte stiegen merkbar an.
Aufklärungsquote (AQ)
Mit 60,63% sank die Aufklärungsquote um 3,22 Prozentpunkte (PP). Der Rückgang der AQ hängt hauptursächlich mit der Entwicklung in der Deliktsgruppe der Vermögens- und Fälschungsdelikten (AQ: -9,55PP) und dem dortigen Anstieg von nicht aufgeklärten Fällen zusammen. In diesem Zusammenhang stellt der deutliche Rückgang der - in aller Regel aufgeklärten - Fälle der Beförderungserschleichung nur einen Teilaspekt dar. Die AQ wird auch durch den Anstieg von nicht aufgeklärten Fällen insbesondere in den Bereichen des Warenkreditbetrugs sowie des Betrugs mittels rechtswidrig erlangter Zahlungsmittel beeinflusst.
Tatverdächtigenanalyse
Von den 42.040 ermittelten Tatverdächtigen waren 31.928 (75,95%) männlich und 10.112 (24,05%) weiblich. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger betrug dabei 40,72%.
Rohheitsdelikte
Insgesamt sind 17.662 Taten in der Gruppe der Rohheitsdelikte bearbeitet worden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 3.433 Fälle (+ 24,13%). Damit liegt diese Deliktsgruppe deutlich über dem Niveau vor der Pandemie.
"Binnen 12 Monaten haben sich die Zahlen vom historischen Tiefststand auf den historischen Höchststand entwickelt. Die Gewalt hat zugenommen. Dies beginnt bei einer erhöhten Aggressionsbereitschaft, die allzu oft in tätliche Auseinandersetzungen münden. Schwerwiegende Folgen hat dies, wenn Waffen zum Einsatz kommen.", so Polizeipräsident Volker Kluwe.
Häusliche Gewalt
Bis einschließlich des Berichtsjahrs 2020 lag keine bundeseinheitliche Definition bzw. Begriffsbestimmung zum Deliktsfeld "Häusliche Gewalt" vor. Die Fallzahlen konnten lediglich innerhalb der Bundesländer miteinander verglichen werden. Ab dem Berichtsjahr 2021 wird nun das Phänomen "Häusliche Gewalt" anhand einer bundesweit einheitlichen Erfassung auf Grundlage der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) abgebildet. Damit können PKS-Entwicklungen bundesweit gegenübergestellt werden.
Den 4.830 in der PD Hannover bearbeiteten Fällen aus dem Vorjahr stehen für 2022 nun 5.566 Fälle gegenüber, dies stellt einen Anstieg um 15,3% dar.
Von den 5.536 Fällen, die einen Tatort in der PD Hannover hatten, sind 4.414 Fälle als Opferdelikte im Sinne der PKS (Totschlag, Körperverletzung etc.) und 1.122 Nicht-Opfer-Delikte (Diebstahl, Betrug u. ä.) erfasst. Den Großteil an Delikten bilden die Körperverletzungen mit 3.132 Fällen. Es wurden aber auch 151 Sexualdelikte sowie vier vollendete und fünf versuchte Tötungsdelikte, bearbeitet.
Es handelt sich um 3.104 Fälle der Partnerschaftlichen Gewalt, um 1.373 Fälle der Familiären Gewalt sowie um 1.122 Fälle sonstiger Delikte im Kontext häuslicher Gewalt (Sachbeschädigung, Beleidigung, Straftaten gegen das Gewaltschutzgesetz etc.). Die Gesamtzahl dieser Delikte weicht mit 5.599 Taten von der o. a. Fallzahl ab und ist mit der statistischen Erfassung der jeweiligen Sachverhalte zu erklären. Von den 4.719 Opfern sind 3.357 weiblich (71,14%) und 1.362 männlich (28,86%). 2.487 Opfer wurden leicht, 27 schwer und vier tödlich verletzt.
Die 4.087 Tatverdächtigen sind überwiegend männlich (3.001 bzw. 73,34%), Frauen sind mit 1.086 Tatverdächtigen deutlich geringer vertreten. 2.546 (62,3%) der Tatverdächtigen hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, 1.541 (37,7%) waren nichtdeutsch. 835 Tatverdächtige (20,43%) standen unter dem Einfluss von Alkohol und 81 Tatverdächtige (1,98%) unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln.
Maßnahmen und Veranstaltungen im Kontext Häusliche Gewalt
Die Verhinderung sowie Bekämpfung von "Häuslicher Gewalt" ist ein besonderes Anliegen der PD Hannover. Mit weiteren Akteuren in der Region Hannover (Umland wie LHH) sind umfangreiche Erfahrungen im gemeinsamen Zusammenwirken zum Schutz von Betroffenen von häuslicher Gewalt vorhanden und Beratungs- sowie Interventionsstrukturen etabliert. Ein wichtiges Ziel ist dabei, durch präventive Maßnahmen zum Phänomen zu sensibilisieren und Fälle aus dem "Dunkelfeld" zu holen.
U. a. hat der Kommunale Präventionsrat (KPR) der Landeshauptstadt Hannover (LHH) im Jahr 2022 unter dem Jahresmotto "Häusliche Gewalt - Hannover ist stärker als Gewalt" eine Vielzahl von Veranstaltungen unter Beteiligung des Präventionsteams der PI Hannover umgesetzt.
Anlässlich des Orange Days am 25.11.2022 wurden in der hannoverschen Innenstadt symbolisch vier Sitzbänke aufgestellt. Im Rahmen der Aktion "Die Roten Bänke" wurde medienwirksam zum Jahresmotto "Hannover ist stärker als Gewalt" aufmerksam gemacht. Die Initiative des KPR der LHH wurde durch die Polizeidirektion Hannover begleitet. Auf den Sitzbänken sind Plaketten mit relevanten Rufnummern für betroffene Frauen angebracht.
Im Neuen Rathaus der LHH wurde eine Ausstellung mit Plakaten zum Thema "Gewalt ist nie privat" umgesetzt. Das Angebot richtete sich zunächst an Schülerinnen und Schüler unter vorheriger Anmeldung der jeweiligen Schule. Anschließend wurde die Ausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Jahresverlauf 2022 wurden zum Jahresmotto des KPR der LHH sechs After-Work-Veranstaltungen im Kontext Häuslichen Gewalt angeboten. Die Umsetzung der Veranstaltungen erfolgte unter Mitwirkung des Präventionsteams der PI Hannover, zwei Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft Hannover sowie der Waage Hannover e.V. Im Rahmen der After-Work-Veranstaltungen wurden Diskussionsforen über die Rollen und Aufgaben der Justiz und der Polizei geschaffen.
Die Polizeidirektion Hannover beteiligt sich gemeinsam mit anderen Institutionen an einem Projekt, um potentiell Betroffenen Hilfsangebote zu unterbreiten und somit den Gewaltkreislauf zu unterbrechen.
Markus Häckl, Leiter des Dezernates für Kriminalitätsbekämpfung und Prävention, resümiert: "Mit der umfangreichen Beteiligung an diversen Projekten leistet die PD Hannover einen Beitrag zur Vorbeugung von Gewaltstraftaten. Die Prävention von Häuslicher Gewalt hat einen hohen Stellenwert. Wir verfügen über etablierte, interdisziplinäre Hilfe- und Interventionsstrukturen in der gesamten Region Hannover. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen werden wir auch weiterhin einen schnellen Interventionsverlauf für gewaltbetroffene Personen garantieren."
Phänomen Messerangriff
Der Messerangriff ist seit 2020 als Phänomen in der PKS darstellbar, allerdings nur bei vorgegebenen Deliktsschlüsseln. Messerangriffe im Sinne der PKS-Erfassung sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus, ebenso nicht der Einsatz einer sonstigen Stichwaffe.
Es ergeben sich für das Berichtsjahr 2022 in der PD Hannover 786 Fälle, in denen ein Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wurde. Im Jahr 2021 wurden 589 Fälle gezählt, sodass sich hier eine erneute Steigerung um +197 Fälle bzw. +33,45% ergibt. 177 Fälle ereigneten sich unter dem Einfluss berauschender Mittel.
72,52% dieser Taten (570 Fälle) fanden im Stadtgebiet der LHH statt. Am höchsten ist hierbei der Stadtteil Mitte mit 162 Fällen (20,61% an PD gesamt) betroffen. Im Umland sind die Städte Garbsen (32 Fälle) sowie Laatzen und Neustadt (je 23 Fälle) am häufigsten betroffen.
Tatverdächtigen Analyse
Die Anzahl der Tatverdächtigen (TV), die im Berichtsjahr 2022 einen Messerangriff unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt haben, liegt in der PD Hannover bei 571 Tatverdächtigen insgesamt und stieg damit um +119. Der Anteil der Männer, liegt bei 88,79% (507 TV), der Anteil der Frauen bei 11,21% (64 TV). Dies entspricht in etwa der Verteilung aus dem Vorjahr. Von den 571 TV sind 307 TV (53,77%) deutsche Staatsangehörige und 264 TV (46,23%) nichtdeutsche Staatsangehörige.
Bei der Altersstruktur ist erkennbar, dass der Großteil der TV der Gruppe der Erwachsenen zugehörig ist (416 TV). In der Altersgruppe der Heranwachsenden wurden 52 TV erfasst und in der Altersgruppe der Jugendlichen 75 TV. 28 TV waren zur Tatzeit noch Kinder. Eine weitere Unterteilung der Alterskohorten ist nicht möglich.
Bei den Messerangriffen, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt stattfanden, wurden im Berichtsjahr 2022 insgesamt 127 TV bekannt, davon 82 männliche TV und 45 weibliche TV. Damit liegt der Anteil der Frauen als TV (35,43 %) in diesem Phänomenbereich mehr als doppelt so hoch, verglichen mit der Anzahl der weiblichen TV bei den Messerangriffen insgesamt. 73 TV (57,48 %) von den insgesamt 127 TV aus dem Phänomenbereich Häusliche Gewalt sind deutsche Staatsangehörige, 54 TV (42,52 %) sind nichtdeutsche Staatsangehörige.
Verbotszone
Messerangriffe waren im Jahr 2022 aufgrund einer Häufung von u.a. auch schweren Kapitaldelikten in einem besonderen Fokus der medialen Berichterstattung und damit auch in der Wahrnehmung der Stadtgesellschaft. Die LHH hat mit einer Verordnung über die Einrichtung einer Verbotszone über das Führen von Waffen, Messern und gefährlichen Gegenständen in der Landeshauptstadt Hannover mit Wirkung vom 24.11.2022 die bestehende Verbotszone räumlich erweitert. Der Innenstadtbereich umfasst jetzt örtlich den Raschplatz und Teile des Weißekreuzplatzes sowie einen definierten Bereich des Quartiers Steintor/Marstall.
Aufgrund der Entwicklung ist von der PD Hannover ein Einsatzschwerpunkt im innerstädtischen Bereich gesetzt worden. Mit dem Projekt Innenstadt (PRIN) der PI Hannover und der Einbindung in das Projekt bahnhof.sicher ist an relevanten Bereichen die polizeiliche Präsenz deutlich erhöht worden. Zur Verbotszone werden niedrigschwellig Kontrollmaßnahmen durchgeführt, Verstöße gegen die Verbotszone konsequent geahndet.
Zur Analyse der aktuellen Entwicklungen sowie der Abstimmung des gemeinsamen Vorgehens wurde ein "Runder Tisch Messerangriffe" gemeinsam durch die LHH sowie der PD Hannover eingerichtet. Weiter sind die Bundespolizei, die Staatsanwaltschaft Hannover, das Landeskriminalamt, das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, die ÜSTRA, die Firma protec, das Deutsch-Europäische Forum für Urbane Sicherheit (Defus) sowie der Kommunale Präventionsrat Teilnehmende des Runden Tisches.
Raubdelikte
Bei den Raubdelikten beträgt der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr 296 Fälle bzw. 43,40% auf insgesamt 978 Taten. Von diesen ereigneten sich 767 auf dem Gebiet der LHH, davon 304 Fälle im Stadtteil Mitte. In der Region sind mit 32 die meisten Fälle in der Stadt Laatzen erfolgt, gefolgt von 26 Fällen in Lehrte und 23 Fälle in Neustadt am Rübenberge. Die AQ der Raubdelikte liegt in etwa auf dem Niveau des Vorjahres (2022: 57,36% / 2021: 59,24%). Zu den 561 aufgeklärten Fällen wurden 638 TV erfasst.
Der Schwerpunkt im Bereich des Stadtteils Mitte ist mit der kriminalgeografischen Lage zu erklären. Dieser Stadtteil ist wesentlich geprägt von Einkaufsmöglichkeiten, dem im Zuständigkeitsbereich des PK Mitte gelegenen Vergnügungsviertel und der damit verbundenen Frequentierung. Aber auch das Aufeinandertreffen ganz unterschiedlicher Personengruppen führt zu einem hohen Konfliktpotenzial dieser Gruppen untereinander. Entsprechend stellt dieser Bereich einen Einsatzschwerpunkt der PD Hannover dar, u.a. und analog zum Thema Messerangriff mit dem Projekt Innenstadt (PRIN), bahnhof.sicher sowie auch der Verbotszone.
Tötungsdelikte
Bei den Delikten Mord und Totschlag wurden insgesamt 35 Fälle und somit ein Fall mehr bearbeitet als im Vorjahreszeitraum. Hiervon wurden neun Tötungsdelikte vollendet (2021: sechs Fälle). In 22 von 35 Fällen wurden Stichwaffen als Tatwaffe eingesetzt und zählen demnach als Messerangriff.
Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte
Die Straftaten gegen Polizeivollzugsbeamte (PVB) sind im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls gestiegen - 2022 um 65 Fälle bzw. 6,88% auf nunmehr 1.010 Fälle. Bei den Körperverletzungsdelikten wurden 26 Fälle leichter, gefährlicher und schwerer Körperverletzung und Fälle der fahrlässigen Körperverletzung der PKS 2022 gemeldet. In 79 Fällen wurden Polizeivollzugsbeamte bedroht und in sechs Fällen genötigt.
Für das Berichtsjahr 2022 wurde auch ein Fall des versuchten Mordes zum Nachteil eines PVB ermittelt. Die Tat ereignete sich am 08.06.2022 im Stadtteil Limmer. Ein 61-Jähriger tötete zunächst seine Ehefrau und stach anschließend bei Eintreffen der Polizei im dortigen Treppenhaus mehrfach mit einem Messer auf den Oberkörper eines Beamten ein. Aufgrund der angelegten Schutzweste kam es zu keinen körperlichen Verletzungen.
2.250 PVB wurden Opfer von gegen sie gerichteten Gewalttaten. Dies kommt dadurch zustande, dass bei jeder erfassten Tat zumeist ein Streifenteam angegriffen wurde. Von den Opfern sind 72,49% männlich. Mit Blick auf die Altersgruppen sind 59,29 % im Alter zwischen 21 und 30 Jahren. Als Opfer sind insbesondere Angehörige des Einsatz- und Streifendienst (68,67 %) und der Einsatzeinheiten (16,36 %) zuzuordnen.
Die Tatverdächtigen sind meistens männlich (84,05%), deutsch (64,45%) und zwischen 25 und 50 Jahre alt (55,53%). Sie sind in der Regel allein handelnd (98,18%). 51,67% stehen unter dem Einfluss von Alkohol und 15,3% unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln.
Die Fallzahlen in diesem Deliktsbereich steigen kontinuierlich. Gerade im Kontext der Pandemie standen Polizeivollzugsbeamte als Vertreter des Staates/der staatlichen Maßnahmen im Fokus von Protestmaßnahmen und interagierten zu diesem Thema intensiv mit den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist festgestellt worden, dass Polizeikräfte vermehrt dem gesellschaftlichen Unmut ausgesetzt waren. Aufgrund der Relevanz in der medialen Darstellung sind hier auch örtliche Ereignisse der Silvesternacht 2022/23 aufzugreifen. Diese sind in der vorliegenden PKS nicht enthalten.
Gewalt gegen Rettungskräfte
Bei der Analyse dieser Daten ist zu beachten, dass die Anzahl der Opfer je nach Erfassung bzw. Abfragemodalität differieren kann. Werden in einem Sachverhalt Opfer unterschiedlich erfasst (ein Opfer erhält das Spezifikum "Feuerwehr", das andere "Sonstiger Retter"), können diese unterschiedlich vom Zählwert ausgewiesen werden. Bei einer Einzelabfrage nach Opferspezifikum wird der Wert jeweils gesondert ausgewiesen, bei einer übergreifenden Abfrage jedoch nur als ein Fall angegeben. Diese statistischen Verzerrungen sind bei der Auswertung zu beachten.
Polizeipräsident Volker Kluwe sagt zu dieser Entwicklung: "Der Frust der Gesellschaft entlädt sich zunehmend gegenüber denjenigen, die den Staat repräsentieren - unter anderem Polizei und Rettungskräfte. Ich bleibe dabei: Wer Polizeibeamtinnen und -beamte tätlich angreift, der attackiert damit auch eine wichtige Säule unserer Demokratie. Wer Einsatzkräfte angreift, der attackiert uns alle. Aus diesem Grund wird die PD Hannover Angriffe auf Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende von Feuerwehren und Rettungsdiensten nicht hinnehmen, sondern auch künftig konsequent verfolgen."
Sexualdelikte
Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung stieg die Zahl der Taten insgesamt um 368 bzw. 23,87%. Die Steigerungen betreffen alle Untergruppen mit Ausnahme des "Sonstigen sexuellen Missbrauchs von Kindern". In der Untergruppe Vergewaltigung wurden 54 Fälle mehr registriert (+27,55%), in der Untergruppe Verbreitung pornografischer Schriften liegt ebenfalls eine deutliche Steigerung vor (+180 Fälle/+28,08%).
Bei den Sexualdelikten ist der hohe Anteil der Fälle mit nicht erwachsenen Tatverdächtigen (2022: 33,37%, 2021: 37,8%) auffällig. Aufgrund gemeinsamer Anstrengungen der Polizei auf Bundes-und Landesebene ist in diesem Deliktsfeld mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen und Aufhellung des Dunkelfeldes zu rechnen, auf den sich die PD Hannover aktuell vorbereitet und die zentrale Sachbearbeitung im ZKD Hannover massiv personell erhöht.
Hierbei setzt sich der Trend steigender Fallzahlen fort. Ursächlich sind insbesondere die Meldungen des amerikanischen National Centers für Missing and Exploited Children (NCMEC) sowie geführte "Operationen" sachbearbeitender Dienststellen, die bundesweit zur Aufdeckung von Kinderpornografie und auch sexuellen Missbrauchstaten führen.
Darüber hinaus spielt der anhaltende Trend zum Teilen von Nacktbildern durch/von Kindern und Jugendlichen via Social Media ebenso eine Rolle.
Prävention:
- Die Präventionsteams der PD Hannover unterstützen in den weiterführenden Schulen Präventionsunterrichte u.a. zum Themenbereich Gewalt. Dazu zählen u.a. zielgerichtet auch die Themenbereiche Cybermobbing, Cybergrooming und Sexting. Die Verbreitung pornografischen oder kinderpornografischen Materials in Chatgruppen führt regelmäßig zur Einleitung von Ermittlungsverfahren und zum Bekanntwerden gleich mehrerer junger Tatverdächtiger. Darüber hinaus sind Sexting und der Versand pornografischen Materials im Freundes- und Bekanntenkreis in Messenger Gruppen unter jungen Menschen weit verbreitet. Neben einem jugendlichen Anbahnungsverhalten bei Beziehungen besteht häufig auch der Wunsch, Emotionen bei Chatpartnerinnen und Chatpartnern auszulösen. Auch ein Geltungsdrang und eine jugendtypische Unbedarftheit sind regelmäßig tatauslösendes Motiv.
- Die Präventionspuppenbühne der PD Hannover thematisiert in ihren Vorstellungen für Kinder im Grundschulalter in eigenen Aufführungen die Programme "#TuWas" und "Völlig vernetzt". Das Programm "Völlig vernetzt" fokussiert den Themenbereich persönliche Daten im Netz. Neben der Thematisierung des Kontrollverlustes von Daten in der internetbasierten Kommunikation wird das Verständnis der Kinder für die Funktionalität der Datenverbreitung gestärkt. Zur Festigung der erlernten Kompetenz werden die Kinder spielerisch herausgefordert Kommentare und die daraus resultierende Preisgabe von Daten zu bewerten. Das Programm "#TuWas" beleuchtet die Thematik "Mobbing" mit dem Teilaspekt des Cybermobbings. Hierbei werden die Kompetenzen der Kinder durch Vermittlung verschiedener Methoden gestärkt.
- Für eine gelungene Präventionsarbeit ist maßgeblich die Netzwerkarbeit mit externen Partnerinnen zu benennen. Neben bundesweiten Kampagnen, wie beispielsweise "Sounds Wrong" (Zivilcourage zeigen und Missbrauchsdarstellungen melden - Kampagne gegen die Verbreitung von Kinderpornografie) ist auch die Zusammenarbeit mit nichtpolizeilichen Initiativen, bspw. Juuuport e.V." (Beratung bei Cybermobbing, Stress in sozialen Medien, Datenklau, Cybergrooming, Sexting, Gaming, Online-Sucht oder Technik) und auch "smiley e.V." (Erlangung von Medienkompetenz - Angebote für junge Menschen und auch Eltern in Form von Fortbildungen und auch Vorträgen) oder auch "klicksafe" (u.a. Medienpädagogik in der Grundschule) zu erwähnen.
Kinder- und Jugendkriminalität
Im Berichtsjahr 2022 verzeichnete die Polizeidirektion Hannover erstmalig seit 2019 wieder einen Anstieg der Fallzahlen (6.686). Dies stellt eine Steigerung von 34,88% im Vergleich zum Vorjahr dar. Dabei wurden insgesamt 5.389 Minderjährige straffällig (+28,34%). Von den 1.807 tatverdächtigen Kindern waren 1.255 Jungen (69,45%) und 1.149 deutsch (63,59%). Männliche jugendliche Tatverdächtige wurden insgesamt 2.490 (69,65%) gezählt. Unter der Gesamtzahl waren 2.410 (67,41%) deutsch.
Als Erklärungsansatz für die allgemeine Steigerung sind sog. Nachholeffekte aufgrund der Lockerungen in der pandemischen Lage zu vermuten. Delinquentes Verhalten bzw. jugendtypisches Fehlverhalten war zu Zeiten der Corona-Pandemie aufgrund vorliegender Beschränkungen und Schließungen nicht möglich. Es mangelte schlichtweg an Tatgelegenheiten. Außerdem liegen sozialpsychologische Gründe nahe, die sich aus einem Unsicherheitsgefühl und nicht erlernten Konfliktbewältigungsstrategien folgern lassen und sich 2022 in vermehrt delinquentem Verhalten äußerten.
Volker Kluwe hebt dabei hervor: "Die Taten sind kein neues Phänomen für die Polizei. Abweichendes Verhalten und Ausloten von Grenzen sind manchmal auch Teil des Erwachsenwerdens. Unser polizeiliches Verständnis endet jedoch dort, wo Straftaten begangen werden, bei denen andere zu Schaden kommen, Opfer von Gewalt werden oder ihnen sonstige Nachteile entstehen. Hier sind wir gemeinsam mit diversen Institutionen im Gespräch mit jungen Menschen, um sie dafür zu sensibilisieren und in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen."
Clan-Kriminalität
Für das Berichtsjahr 2022 sind deutlich steigende Fallzahlen im Clan-Kontext ersichtlich. Dieser Anstieg ist mit der Implementierung des Projekts Clan 360°, einer generellen Sensibilisierung sowie einer gezielten Datenqualitätskontrolle in Verbindung zu bringen.
Im Berichtsjahr 2022 waren 15 Großfamilien unter der Clandefinition erfasst, bei denen einzelne Familienmitglieder zu den bekannt gewordenen Straftaten als Tatverdächtige ermittelt werden konnten.
Allgemein ist festzuhalten, dass es nach wie vor keine räumlichen Brennpunkte innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der PD Hannover gibt. Clankriminelle Straftaten sind sowohl im Stadtbereich als auch im Umland feststellbar.
Insbesondere durch die auf verschlüsselter (kryptierter) Kommunikation basierenden Verfahren konnte das Dunkelfeld in diesem Bereich erhellt werden.
Das Projekt Clan 360° wurde im Dezember 2021 vorgestellt. Dieses ist auf zwei Jahre angelegt und betrachtet die Clankriminalität umfassend. Schwerpunkte sind Wissensvermittlung, Optimierung der Datenqualität, Netzwerkarbeit, Aus- und Fortbildung sowie die Analyse krimineller Strukturen.
Die "Kooperationsvereinbarung zur Gewährleistung und Umsetzung einer ganzheitlichen und interdisziplinären Bekämpfung krimineller Clanstrukturen" im Zusammenhang mit dem behördenweiten Projekt Clan 360°" ist am 23.08.2022 unterzeichnet worden. Diese gewährleistet eine weitere Intensivierung der engen Zusammenarbeit sowohl im gefahrenabwehrrechtlichen als auch im strafrechtlichen Sinne zwischen den Kooperationspartnern (LHH, Region Hannover, Bundespolizei, Hauptzollamt Hannover, Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover) sowie im Bereich der Prävention.
Rückfragen bitte an:
Polizeidirektion Hannover
Dennis Schmitt
Telefon: 0511 109-1040
E-Mail: pressestelle@pd-h.polizei.niedersachsen.de
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