Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Audi Abgasskandal Urteilshammer - Audi AG vom Landgericht Stuttgart bei einem 3 Liter A4 zu Schadensersatz verurteilt, Thermofenster unzulässig
Lahr (ots)
In einem von der Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vor dem Landgericht Stuttgart, 7 O 265/18 geführten Verfahren gegen die Audi AG und gegen einen Händler im Abgasskandal hat das Landgericht Stuttgart einen Händler zur Rücknahme eines Audi A4 Avant 3 Liter TDI verurteilt und festgestellt, dass die Audi AG für alle Schäden aufkommen muss, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren. Es handelt sich dabei um eines der ersten Urteile vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Audi AG direkt. Das Gericht geht von einem Vorsatz des Vorstandes aus. Außerdem sei das verwendete Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung.
In einem sehr gut begründeten und sehr ausführlichen Urteil nimmt das Gericht zu der Problematik der 3 l Fahrzeuge von Audi Stellung. So wurde von Audi in dem Prozess bestritten, dass das Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung verbaut hat. Dem erteilte das Landgericht Stuttgart eine Absage. Es verwies darauf, dass die Audi AG den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart ist in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, weshalb dem Kläger ein Schaden entstanden ist, der durch die Audi AG vorsätzlich und sittenwidrig verursacht wurde. Das Fahrzeug von Audi verfüge über ein Thermofenster. Dies sei eine Abschalteinrichtung, die nicht zulässig sei. Die Audi AG hat nach Ansicht des Gerichts nicht hinreichend dargelegt, dass ausnahmsweise zum Motorschutz ein Thermofenster notwendig sei. Das Gericht setzt sich im Detail mit den Ausführungen der Parteien des Prozesses auseinander. Schlussendlich kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die verwendete Abschalteinrichtung unzulässig ist. Das Gericht führt in aller Deutlichkeit aus:
"Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.
Die Beklagte Ziff. 2 behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster bzw. das sog. Ausrampen sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte Ziff. 2 aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte Ziff. 2 trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen - unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären - verhindert werden könnte, weshalb - entgegen der Rechtsansicht der Beklagten - auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.
Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede stellen - bereits bei höheren Außentemperaturen als 5 Grad Celsius zurückgefahren. Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (sog. Ausrampen) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte Ziff. 2 hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße "Ausnahme" handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen und andere technische Lösungen nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind.
Vielmehr hat die Beklagte Ziff. 2 - wie wohl auch andere Automobilhersteller - das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst)ins Gegenteil verkehrt.
Das Gericht möchte dabei auch gar nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten Ziff. 2 behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.
dd) Das im Schriftsatz der Beklagten Ziff. 2 vom 18.12.2018 nicht nachgelassene neue Tatsachenvorbringen hinsichtlich des Thermofensters bleibt dabei unberücksichtigt (vgl. dazu ausführlich unten unter V.).
Aber selbst unter Berücksichtigung des dortigen Sachvortrags - und selbst wenn man dieses als wahr unterstellt - rechtfertigt dies aus den gezeigten Gründen keine andere rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO Nr. 715/2007.
Das Gericht sieht sich hierzu lediglich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:
Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur zwischen 20 und 5 Grad Celsius auf bis zu 96 % und zwischen 5 Grad und minus 10 Grad Celsius auf 82 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 DurchführungsVerordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüberhinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände -schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte Ziff. 2 selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 20 Grad Celsius (!) bereits die Abgasrückführung - wenn auch in geringerem Maße - reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.
Ferner weist das Gericht noch einmal darauf hin, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (Motorschutz) berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte - auch nicht im Rahmen des nicht nachgelassenen Sachvortrags zum Thermofenster im Schriftsatz vom 18.12.2018 - trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.
Unbeachtlich ist naturgemäß der Einwand der Beklagten Ziff. 2 auch andere Automobilhersteller würden ein solches Thermofenster nutzen. Dies führt allein dazu, dass offenkundig auch andere Hersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verwenden. Dass sich die Beklagte Ziff. 2 auf etwaiges ebenfalls unzulässiges Verhalten anderer Hersteller nicht berufen kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Im Übrigen trägt die Beklagte Ziff. 2 sogar selbst vor, dass lediglich "die meisten Dieselfahrzeuge " über ein sog. Thermofenster verfügen, was im Umkehrschluss wiederum bedeutet, dass es offenbar auch (technisch) möglich ist, auf ein solches Thermofenster und die Reduzierung der Abgasrückführung zu verzichten, ohne dass der Motor hiervon Schaden nimmt.
ee) Unerheblich ist schließlich auch, ob das KBA und das BMVI, worauf sich die Beklagte Ziff. 2 mehrfach stützt, die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteienim hiesigen Rechtstreit nicht."
Das Landgericht geht aufgrund von prozessualen Besonderheiten davon aus, dass der Vorstand der Audi AG Kenntnis von den Manipulationen gehabt habe. Zumindest findet sich kein anderweitiger Vortrag der Audi AG hierzu, der dies widerlegt. Daneben haftet die beklagte Audi AG aus § 831 BGB, weil Entwicklungsingenieure die unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben.
Außerdem wurde der Händler zur Rücknahme des Fahrzeugs verurteilt gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Das Fahrzeug ist mangelhaft und ein Rücktritt ist daher ohne Fristsetzung möglich. Das Gericht setzt eine Nutzungsentschädigung auf der Basis von 250.000 km an.
Damit steht fest, dass die Audi AG Schadensersatz schuldet. Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll, der das Verfahren federführend führt, teilt mit: "Bisher sind im Abgasskandal meist nur Urteile gegen die Volkswagen AG in Bezug auf die kleineren Motoren ergangen. Nunmehr ist vor dem Landgericht Stuttgart eines der ersten Urteile gegen Audi direkt wegen einem 3 l Motor ergangen. Es handelt sich um einen Durchbruch, der zur Folge hat, dass alle Geschädigten Schadensersatz verlangen können. Gerade in den letzten Wochen haben sehr viele Geschädigte Rückrufschreiben erhalten. Diese sollten nicht an dem Rückruf teilnehmen, sondern Schadensersatz verlangen. Das Fahrzeug kann gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurückgegeben werden."
Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich mit 5 Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht um eine der führenden Kanzleien im VW Abgasskandal und im Bank- und Kapitalmarktrecht. Die Kanzlei führt mehr als 200 Gerichtsverfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträgen wurden mehr als 5.000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 10.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten. In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018 und 2018/2019 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung - Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer führen in einer Spezialgesellschaft die erste Musterfeststellungsklage gegen die Volkwagen AG für den Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
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