Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
VW-Skandal: Landgericht Erfurt sorgt sich um Unabhängigkeit der Justiz
Erstes BGH-Urteil geht zur Überprüfung an EuGH
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Der Diesel-Abgasskandal lässt berechtigte Zweifel aufkommen, ob die Justiz unabhängig von Politik und Wirtschaft Recht spricht. Ein Richter am Landgericht Erfurt hat seine Bedenken in einem Beschluss vom 15. Juni 2020 zum Ausdruck gebracht (Az. 8 O 1045/18). Er lässt das erste VW-Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VI ZR 252/19) vom Europäischen Gerichtshof auf dessen europarechtliche Konformität überprüfen. In der Kritik steht der Nutzungsersatz für die vom Verbraucher gefahrenen Kilometer. Auch zitiert der Richter den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden, der Kollegen dazu anregt, VW-Verfahren "zurückzustellen" und Verbraucher-Kanzleien kritisiert. Für die Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sind solche skandalösen Äußerungen inakzeptabel und bedenklich. Die Kanzlei gehört zu den führenden im Abgasskandal. Die Inhaber haben den Verbraucherzentrale Bundesverband in der Musterfeststellungsklage gegen VW vertreten und einen 830-Millionen-Euro- Vergleich ausverhandelt.
Richter hält Nutzungsentgelt für VW nicht mit EU-Recht vereinbar
Der Erfurter Richter Martin Borowsky kritisiert vor allem das BGH-Votum zum Nutzungsentgelt für VW. Am 25. Mai 2020 hatte der BGH ein erstes verbraucherfreundliches Urteil (VI ZR 252/19) gegen VW gefällt. Der Autobauer ist nach § 826 BGB verurteilt worden und muss ein Fahrzeug zurücknehmen. Der Kläger erhält den Kaufpreis zurück - allerdings abzüglich eines Nutzungsentgelts für die von ihm gefahrenen Kilometer. Und genau diesen sogenannten Vorteilsausgleich hält ein Richter am Landgericht Erfurt für europarechtswidrig: Ein solcher Ausgleich bedeute in letzter Konsequenz, dass VW umso weniger Sanktionen zu befürchten habe, je länger sich der Rechtsstreit hinziehe. "Mithin könnte ein starker Anreiz entstehen, die Rechtsverletzung gleichwohl zu begehen und die Anspruchserfüllung ungehörig zu verzögern", fasst der Richter seine Bedenken zusammen. Das verstoße gegen den Effektivitätsgrundsatz und die EU-Grundrechtecharta. Daher hat der Richter das Urteil dem Europäischen Gerichtshof zur Überprüfung vorgelegt.
Mit seiner Kritik an diesem Teil der BGH-Entscheidung steht der Richter aus Erfurt nicht alleine da. Auch Juraprofessor Michael Heese von der Uni Regensburg schrieb auf seinem Diesel-Blog: Der VI. Zivilsenat fand "leider nicht den Mut zur Rechtsfortbildung, soweit es um die Frage des Nutzungsersatzes geht. Vielmehr hat der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach selbst im Anwendungsbereich des besonderen Haftungsgrundes aus § 826 BGB eine unbegrenzte Anrechnung gezogener Nutzungen im Wege der Vorteilsausgleichung stattfinden soll. Damit ist eine historische Chance verpasst, die Gestaltungskraft des Privatrechts gegen vorsätzlich schädigendes Verhalten effektiv zur Geltung zu bringen".
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hält die Entscheidung des BGH in der Sache auch nicht für glücklich. Zumal einige Oberlandesgerichte den Vorteilsausgleich in Zweifel gezogen haben. Allerdings beschäftigt sich der EuGH mit dem Thema Nutzungsentschädigung bereits in mehreren anhängigen VW-Verfahren. Bei diesem Thema ist daher das letzte Wort noch nicht gesprochen. Insgesamt wird das BGH-Urteil aber als Sieg für die Verbraucher gewertet. Die Verbraucher-Kanzlei rät betroffenen VW-Kunden zur anwaltlichen Beratung, um ihre Rechte gegen den Autobauer durchzusetzen. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Die Chancen, vor Gericht zu gewinnen, standen nie besser. Hinzu kommt, dass nach Ansicht der Kanzlei im VW-Fall noch keine Verjährung eingetreten ist - mehr dazu hier.
Was spricht für eine politische Einflussnahme der Gerichte?
Mit einer zweiten Vorlagefrage fasst Richter Martin Borowsky ein ganz heißes Eisen an: Er verlangt durch den EuGH die Klärung, ob "es sich bei dem vorlegenden Gericht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 S. 3 EUV sowie Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union" handle. Er zweifelt also seine eigene Unabhängigkeit an. Diesen Weg sind in den vergangenen Monaten zahlreiche Richter aus Polen gegangen. In Polen findet durch die Politik derzeit eine Unterwerfung der unabhängigen Justiz statt. Trifft das auch auf Deutschland zu? Hier einige nicht von der Hand zuweisende höchst bedenkliche Fakten:
- In Deutschland seien Richter und Gerichte nicht vollständig sicher vor politischer Einflussnahme, wird Borowsky im Verfassungsblog von Maximilian Steinbeis zitiert. Über juristische Karrieren werde politisch entschieden, genauso über Planstellen und deren finanzielle und personelle Ausstattung. "Die aus vordemokratischer Zeit stammende Justizstruktur setzt einer politischen Instrumentalisierung keine ausreichenden Hindernisse entgegen."
- Im Dieselskandal ist der Staat direkt involviert. VW gehört zu großen Teilen dem Land Niedersachsen. Da ist es nicht verwunderlich, dass an den Gerichten in Braunschweig (Gerichtsstandort von Volkswagen) eine Haftung von VW stets verneint worden ist. Erst vor wenigen Tagen hat das Landgericht Braunschweig zähneknirschend und uneinsichtig seine Position aufgegeben. Der BGH hatte in seinem ersten VW-Urteil die Argumente aus Braunschweig mit keiner Silbe erwähnt. Ein Armutszeugnis für die dortigen Juristen. Ende Juli werden zwei VW-Verfahren aus Braunschweig in Karlsruhe verhandelt. Das könnte bitter für die VW-affinen Richter enden.
- Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer kann die Befürchtungen des Erfurter Richters nur unterstreichen. Die Kanzlei-Inhaber haben für den Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv die Musterfeststellungsklage (MFK) gegen VW mit angeführt. Natürlich fanden die Verhandlungen am Oberlandesgericht Braunschweig statt. Gerichtsstandort ist nach dem Gesetz zur Musterfeststellungsklage stets der der Beklagten. Die Regelung kann ebenfalls als Indiz gewertet werden, wie weitreichend der Einfluss der Wirtschaft auf die Gesetzgebung ist. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Braunschweig, Michael Neef, der auch schon ans niedersächsische Justizministerium abgeordnet gewesen und für Strafsachen zuständig war, zwang VW am zweiten Verhandlungstermin über die MFK in Vergleichsverhandlungen - und das obwohl das Gericht für seine VW-freundlichen Urteile bekannt war. Woher kam der Sinneswandel? Auf den Fluren des Bundestages erzählt man sich, dass der Wunsch nach Vergleichsverhandlungen von ganz oben gekommen sein soll. Die schwierigen und einmal bereits gescheiterten Vergleichsverhandlungen mündeten in einer Mediation, die der Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig leitete. Hier konnten sich die an den Verhandlungen beteiligten Inhaber von Dr. Stoll & Sauer nicht des Eindrucks erwehren, dass der Gerichtspräsident Wolfgang Scheibel mehr VW-Fürsprecher als unabhängiger Mediator war.
- In diese Beobachtungen hinein, passen die Ausführungen von Richter Borowsky. Er zitiert aus einem Brief des Präsidenten des OLG Dresden Gilbert Häfner. Das Schreiben liegt auch der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vor. Häfner beklagt sich im Vorfeld des ersten BGH-Urteils gegen VW bei seinen Kollegen in den OLG-Amtsstuben über die Flut an Diesel-Verfahren. Der Vorsitzende des VI. Zivilsenats am BGH, Stephan Seiters, soll Häfner mitgeteilt haben, der Senat sei "insoweit dankbar für jedes Verfahren, das von den Berufungsgerichten (...) zurückgestellt werden kann", bis ein erstes Grundsatzurteil gefällt sei. Aufgrund dessen erlaube sich Häfner die "Anregung" an seine Kollegen, "die betreffenden Senate in Ihrem Haus um Prüfung zu bitten, ob weitere Entscheidungen in Dieselverfahren zurückgestellt werden könnten. Ein weiteres Zuschütten des BGH mit diesen Verfahren dürfte dort zu immer schwierigeren Verhältnissen führen und auch dem Rechtsstaat nicht dienen. (...) Die Rolle eines bloßen Durchlauferhitzers für die nächste Instanz zu spielen macht (...) weder Sinn, noch entspricht es der Aufgabe der Justiz". Auch rät er dazu, eine ablehnende Haltung gegenüber einer "Chance der vollen Rückzahlung des Kaufpreises ohne jeden Abzug für eine - auch jahrelange - Nutzung des Fahrzeugs" deutlich zum Ausdruck zu bringen. Gerade der Hinweis auf das Nutzungsentgelt zeugt nicht von Unabhängigkeit. Hier denkt Häfner eher an das Wohl von VW-Aktionären, Vorständen und Aufsichtsräten. Abschließend kritisiert Häfner indirekt Verbraucher-Kanzleien, die betrogenen Verbrauchern zu ihrem Recht verhelfen.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer weist seit Monaten darauf hin, dass die Einflussnahme aus Politik und vor allem aus der Wirtschaft auf deutsche Gerichte überhandnimmt. Bestes Beispiel dafür ist der Fall Reuschle am Landgericht Stuttgart. Der Diesel-Richter Dr. Fabian Richter Reuschle wollte 21 Daimler-Verfahren zur Vorabentscheidung an den EuGH überstellen. Daraufhin wollte Daimler ihn mit einem Befangenheitsantrag stoppen. In der Kammer, die über diesen Antrag entscheiden sollte, saß ein Jurist, der vor seiner Zeit als Richter für die Kanzlei Gleiss Lutz tätig war, die Daimler aktuell in einigen der Reuschle-Verfahren vertritt. Der daraufhin von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gestellte Befangenheitsantrag gegen diesen Richter ist in erster Instanz mit einer unglaublichen Begründung abgelehnt worden. Man gewinnt den Eindruck, dass am Landgericht Stuttgart eine Nähe zwischen Richtern und Lobbyisten-Kanzlei gewachsen ist, die über das hinausgeht, was ein Rechtsstaat vertragen kann. Wörtlich heißt es: "Bei der Größe des Konzerns und der Kanzlei, der gemeinsamen juristischen Ausbildung von Richtern und Anwälten, der gewünschten "Durchlässigkeit" der Berufszweige und der erforderlichen Zusammenarbeit der Organe der Rechtspflege sind persönliche Kontakte aller Richter des Landgerichts Stuttgart zu Mitarbeitern der Beklagten auf privater Ebene und zu Anwälten aus der Kanzlei Gleiss Lutz auf professioneller Ebene eher die Regel als die zu einer Befangenheit führende Ausnahme."
- Ein weiteres Beispiel für Einflussnahme auf Gerichte zeigt das Thema Daimler und die Kosten von Gutachten über die Funktionsweise von Dieselmotoren. Der Bundesgerichtshof rügte in einem Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19), dass das Oberlandesgericht Celle (Az. 7 U 263/18) kein Gutachten eingeholt hat, um zu klären, ob die Daimler AG das Abgaskontrollsystem im Motor OM 651 mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat. Der Beschluss kann jetzt zur Folge haben, dass in Diesel-Verfahren vermehrt Gutachten eingeholt werden müssen, um die Vorwürfe der Verbraucher gegen die Daimler AG zu überprüfen. Doch was kostet ein solches Gutachten? Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat die Erfahrung gemacht, dass an Landgerichten außerhalb Baden-Württembergs der Kläger 5000 Euro vorstrecken muss. In Baden-Württemberg sind am Landgericht Stuttgart in einem Fall 80.000 Euro und am Landgericht Heidelberg 30.000 Euro aufgerufen worden. Je näher man an den Daimler-Standort Stuttgart herankommt, desto teurer wird es. Auf diese Weise erhöht sich das Kostenrisiko für die Kläger und deren Rechtsschutzversicherungen enorm. Das Gutachten kommt so kaum zustande. Dabei bleibt das Recht auf der Strecke und die Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz wachsen an.
Dr. Stoll & Sauer führte Musterfeststellungsklage gegen VW mit an
Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.
In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung - Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG und verhandelten einen 830-Millionen-Euro-Vergleich aus. Damit haben die beiden Inhaber Rechtsgeschichte geschrieben. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei deshalb für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt
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