EU-Gesetz gegen Entwaldung hat zu viele offene Baustellen
Berlin (ots)
Rechtskräftiger EU-Verordnung mangelt es an Klarheit und Rechtssicherheit. Wirtschaft fordert Politik zur schnellstmöglichen Klärung essentieller Anwendungsfragen auf.
Morgen tritt die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte in Kraft. Die deutsche Agrar- und Ernährungsbranche begrüßt ausdrücklich das Ziel der Europäischen Union, einen aktiven Beitrag im Kampf gegen die globale Entwaldung zu leisten. Gleichzeitig mahnt Olivier Kölsch, Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), an: "Die Verordnung gibt in ihrer jetzigen Form kaum Antworten auf Fragen zur praktischen und rechtssicheren Umsetzung, da Warenströme für Massengüter wie Soja, Palmöl, Kakao oder Kaffee vollkommen neu organisiert werden müssen. Die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin sind gefordert, klare Umsetzungsrichtlinien zu liefern; z.B. zur Ausgestaltung der Sorgfaltspflichtenerklärungen, der Weitergabe und dem Schutz von sensiblen wettbewerbsrechtlichen Daten sowie zu Zollangelegenheiten. Die Zeit drängt."
Ab morgen haben Unternehmen 18 Monate Zeit, um die Bestimmungen in die eigenen Wirtschaftsabläufe zu integrieren. Dafür müssen sie technische und administrative Lösungen für die satellitengestützte Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprung finden. Gleichzeitig erfordert die EU-Regelung den aufwändigen und kostenintensiven Aufbau einer weltweit segregierten Infrastruktur für die betroffenen Warenströme, um eine getrennte Lagerung und Transport zu ermöglichen. Der Mangel an bisher klaren und rechtssicheren Antworten auf praktische Anwendungsfragen behindert jedoch ein zügiges Vorankommen. "Die Umsetzung, verbunden mit einer Neujustierung globaler Lieferketten, komplett auf die Unternehmen abzuwälzen und auf ihre Innovationskraft zu hoffen, wird nicht zum Erfolg führen. Die Gefahr einer Verlagerung von Lieferketten ist groß und bringt uns keinen Zentimeter im Kampf gegen die globale Entwaldung weiter. Der Handlungsdruck ist umso höher, da Kontrakte für die betroffenen Sektoren zumeist schon weit vor Ende 2024, vielfach sogar schon in 2023 geschlossen werden müssen", so Rodger Wegner, Geschäftsführer vom Verein der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen.
Bereits im April 2023 haben zehn führende Verbände der Agrar- und Ernährungswirtschaft in einem Positionspapier die Bereitstellung klarer Anwendungsregeln und rohstoffspezifischer Leitlinien gefordert. Ferner halten die Verbände einen Dialog zwischen der EU und den Erzeugerländern für unverzichtbar. Hermann-Josef Baaken, Sprecher der Geschäftsführung des Deutschen Verbands Tiernahrung (DVT), sagt: "Die Verordnung steht und fällt mit der Akzeptanz in den Herkunftsländern wie Brasilien und Indonesien. Unsere bisherigen Gespräche mit Akteuren aus diesen Ländern zeigen, dass rechtliche und technische Voraussetzungen oft nicht vorliegen. Noch schwerwiegender ist, dass bis zum heutigen Tage noch nicht einmal das Bewusstsein für die Dimension dieses neuen EU-Gesetzes vorhanden ist. Damit der Handel zwischen Herkunftsländern und Europa auch in Zukunft sichergestellt ist, muss die Politik hier dringend Abhilfe schaffen."
Mit Blick auf den knappen Zeitplan bringen die Verbände im Positionspapier eine Verlängerung der Übergangsphase ins Spiel. Momme Matthiesen, Geschäftsführer von OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland erklärt: "Mit unseren Erfahrungen und unserem Know-how im Kampf gegen die Entwaldung werden wir Brüssel und Berlin unterstützen. Aber die neuen Bestimmungen können erst ihre volle Wirkung entfalten, wenn alle dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Sollte dies in dem vorgesehenen Zeitplan nicht möglich sein, muss die Übergangsfrist verlängert werden."
Das Positionspapier der Verbändeallianz zur EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte ist unter diesem Link abrufbar.
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