Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien wehrt sich gegen Biersteuererhöhung zum 01.01.2004
Limburg/Berlin (ots)
- Verfassungsbeschwerde gegen Änderung des Biersteuergesetztes durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Geulen & Dr. Klinger eingelegt - Betriebsstilllegungen und Arbeitsplatzverluste drohen
Im Zuge der abschließenden Beratungen des Vermittlungsausschusses der Steuerreform haben Bundestag und Bundesrat am 19. Dezember 2003 eine Kürzung der ermäßigten Biersteuersätze für kleine unabhängige Brauereien beschlossen. Für die betroffenen Brauereien erhöhte sich damit die Biersteuer ohne Übergangsregelung bereits zum 01. Januar 2004 um 12 %. Gegen diese mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 vorgenommene Änderung des Biersteuergesetzes hat nunmehr ein Mitglied des Bundesverbandes mittelständischer Privat-brauereien, der mit rund 800 Mitgliedsbetrieben größten Standesvertretung der deutschen Brauwirtschaft, Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erhoben. Zudem haben die betroffenen Brauereien gegen die ab 01.01.2004 ergangenen Biersteuerbescheide eine Flut von Einsprüchen eingelegt.
"Die erhobene Verfassungsbeschwerde ist stellvertretend für die gesamte mittelständische Brauwirtschaft zu sehen, die von der ohne Vorankündigung binnen zwölf Tage wirksam gewordenen Biersteuererhöhung zum 01. Januar 2004 hart getroffen wurde", unterstrich Roland Demleitner, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Privatbrauereien. Den betroffenen Betrieben sei keinerlei Zeit geblieben, sich auf die Anhebung der ermäßigten Biersteuersätze vorzubereiten. Auch gebe es kaum Spielraum, die Steuermehrbelastung durch höhere Bierpreise weiterzugeben. "Für eine mittelständische Brauerei mit 100.000 Hektoliter Jahresausstoß beläuft sich die Biersteuermehrbelastung auf rund 50.000,00 Euro, und das schlägt voll auf den Gewinn der sowieso schon von geringen Renditen gekennzeichneten Branche durch. Die Folge werden Arbeitsplatzabbau und im Einzelfall sogar Betriebsstilllegungen sein", betonte Demleitner. Die Biersteuererhöhung für die mittelständische Brauwirtschaft sei deshalb auch sachlich völlig inakzeptabel, da die Bundesländer, denen die Biersteuer alleine zusteht, zwar kurzfristig Mehreinnahmen hätten, mittelfristig aber ein negatives Gesamtsteueraufkommen durch geringere Einkommen- und Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer bei der mittelständischen Brauwirtschaft zu erwarten sei.
Als Prozessbevollmächtigter legte Rechtsanwalt Dr. Remo Klinger, Kanzlei Dr. Rei-ner Geulen & Dr. Remo Klinger, Berlin, dar, die Biersteuererhöhung sei evident verfassungswidrig. "Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Steuererhöhungen berechenbar sein müssen. Das Gesetz wurde am 31. Dezember 2003 veröffentlicht und führte 24 Stunden später zu einer Steuererhöhung von 12%. Da die wirtschaftlichen Planungen der Brauereien für das Jahr 2004 bereits abgeschlossen waren, ist das Gesetz in dieser Form verfassungswidrig. Es beinhaltet eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung".
Verfassungswidrig sei auch - und dies in besonders auffälliger Weise -, dass der Bundestag in seinen drei Lesungen nicht einmal über die Biersteuererhöhung beraten habe. Der Gedanke sei erst im Vermittlungsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits zwei Mal entschieden, dass der Vorschlag des Vermittlungsausschusses nur Themen erfassen darf, die zuvor in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht waren und vom Bundestag diskutiert wurden. "Die Gesetzgebung darf nicht am Parlament vorbei durch den Vermittlungsausschuss ersetzt werden. Eben dies ist vorliegend in krasser Form geschehen. Wir sind zuversichtlich, dass das Verfassungsgericht der damit verbundenen Entmachtung des Parlaments eine Absage erteilt", betonte Rechtsanwalt Dr. Klinger.
Hintergrundinformation zur "Biersteuermengenstaffel":
Seit über 100 Jahren kennt das deutsche Biersteuerrecht geringere Steuersätze für kleine Brauereien. Dieses, auch "Biersteuermengenstaffel" genannte Instrument, dient dem teilweisen Ausgleich größenbedingter Wettbewerbsnachteile kleiner Brauereien gegenüber großen Braukonzernen und wurde im Zuge der Verbrauchsteuerharmonisierung in der europäischen Gemeinschaft im Jahre 1992 sogar in die europäische Steuerstrukturrichtlinie aufgenommen. Sie ermöglicht den Mitgliedsstaaten, für kleine unabhängige, also konzernungebundene Brauereien bis zu 200.000 Hektoliter Jahreserzeugung ermäßigte Steuersätze von bis zu 50 % vom Regelsteuersatz einzuführen.
Deutschland hat wie andere EU-Mitgliedsstaaten auch hiervon Gebrauch gemacht, so dass seit 1993 die Biersteuer ähnlich dem geltenden Einkommenssteuertarif aufgebaut ist: Kleinstbrauereien bis 5.000 Hektoliter Jahreserzeugung mussten lediglich 50 % des Regelsteuersatzes bezahlen, der bei 200.000 Hektolitern Jahresproduktion erreicht wird. Für Brauereien zwischen 5.000 und einem bis 200.000 Hektoliter Jahreserzeugung steigt der Biersteuersatz in Stufen von jeweils 1.000 Hektolitern gleichmäßig an. Bei 200.000 Hektolitern Jahreserzeugung wird schließlich der Regelsteuersatz von 0,787 Euro pro Grad Plato Stammwürze je Hektoliter Bier angewandt, den Brauereien ab dieser Größenordnung zu bezahlen haben. Kleinere Brauereien werden somit je Hektoliter Bier mit einer geringeren Biersteuer belegt, als große Braukonzerne.
Die "Biersteuermengenstaffel" hat ihren Zweck, den Erhalt einer breiten mittelständischen Betriebsstruktur in der Brauwirtschaft, voll erreicht. So verfügt die Bundesrepublik Deutschland heute noch über 1.279 aktive Braustätten, mehr als alle anderen europäischen Staaten zusammen. Mit über 5.000 verschiedenen Biersorten und Biermarken wird für den Verbraucher damit eine einzigartige Biervielfalt und Angebotspalette gewährleistet. Diese ist nunmehr durch die Kürzung der ermäßigten Biersteuersätze, die von Bundestag und Bundesrat am 19.12.2003 beschlossen und ohne Übergangsregelung bereits zum 01.01.2004 in Kraft getreten ist, bedroht.
Für Rückfragen: Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien e.V. RA Roland Demleitner Im Dachsstück 9 65549 Limburg Tel: 06431/52048 Fax: 06431/53612 Mobil: 0171/5311444
Kanzlei Dr. Reiner Geulen & Dr. Remo Klinger RA Dr. Remo Klinger Schaperstraße 15 10719 Berlin Tel: 030/8847280 Fax: 030/88472810
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