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Umwelthilfe fordert vollständige Aufklärung des Forsmark-Störfalls

Berlin (ots)

In Schweden mehren sich die Anzeichen dafür, dass
für den schweren Störfall im Atomkraftwerk Forsmark eine ganze 
Fehlerkette verantwortlich war - in Deutschland stockt die 
Überprüfung deutscher Meiler -  Union, SPD und FDP lehnen 
Sondersitzung des Bundestags-Umweltausschusses ab
24. August 2006: Die Deutsche Umwelthilfe hat die Große Koalition 
davor gewarnt, nach dem schweren Unfall im schwedischen Atomkraftwerk
Forsmark aus polittaktischen Erwägungen zur Tagesordnung überzugehen.
Nach der Ablehnung einer Sondersitzung des 
Bundestags-Umweltausschusses durch CDU, CSU, SPD und FDP sprach 
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch von "einem Rückfall in die 
Urzeit der Atomkraftdiskussion in Deutschland". Auch damals, vor der 
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, habe "eine ganz große Koalition 
der so genannten Altparteien" versucht, die im Parlament von den 
Grünen angestoßenen Atomdebatten zu verhindern.
Resch bezog sich auf einen Antrag der Grünen-Fraktion im 
Bundestag, die nach den Veröffentlichungen der Deutschen Umwelthilfe 
über gravierende Defizite im Notstromsystem des Siedewasserreaktors 
Brunsbüttel eine Sondersitzung des Umweltausschusses beantragt hatte.
Bundestagspräsident Norbert Lammert lehnte die Sondersitzung am 
Mittwoch nach einer entsprechenden Intervention von Union, SPD und 
FDP mit dem Argument ab, es bestehe "kein zwingender 
parlamentarischer Beratungsbedarf".
"Der Beratungsbedarf war noch nie so zwingend", insistierte 
dagegen Resch. "Der Fall Brunsbüttel ist trotz anders lautender 
Behauptungen des Kraftwerkbetreibers in keiner Weise geklärt. 
Inzwischen ist nicht einmal mehr sicher, ob bei der Suche nach der 
Übertragbarkeit des Forsmark-Störfalls auf deutsche Atomkraftwerke 
die richtigen Fragen gestellt wurden". Resch bezog sich dabei auf 
Meldungen aus Schweden, die auf nach wie vor große Unsicherheiten 
bezüglich des Störfallablaufs in Block 1 des Siedewasserreaktors 
deuteten. So sei inzwischen klar, dass nicht nur zwei Wechselrichter 
im Notstromsystem nicht funktioniert hätten, sondern nach dem 
Kurzschluss im umgebenden Netz und den Problemen bei der 
Notstromversorgung des Reaktors "eine ganze Fehlerkette für die 
brisante Situation mit einem Reaktor-Blindflug von 22 Minuten 
verantwortlich gewesen ist." Geradezu skandalös sei die demonstrative
Schweigsamkeit des Vattenfall-Konzerns, der sowohl den Pannenreaktor 
von Forsmark als auch das umstrittene Kraftwerk Brunsbüttel betreibt.
Resch: "Wenn jemand umfassend über den Störfall in Schweden und 
Sicherheitsdefizite in Brunsbüttel Auskunft geben kann, dann 
Vattenfall - doch da ist vor allem Schweigen im Walde."
Die Antworten der Kraftwerkbetreiber in der vergangenen Woche auf 
entsprechende Auskunftsersuchen des Bundesumweltministers Sigmar 
Gabriel hätten sich ausschließlich auf einen einzigen Aspekt - die 
Tatsache, dass Notstromdiesel in Forsmark mit Wechselstrom, in 
Deutschland dagegen mit Gleichstrom "gezündet" werden - bezogen.
"Wer auf einen komplexen, noch dazu nicht vollständig geklärten 
Ereignisablauf derart eindimensionale Antworten gibt, setzt sich dem 
Verdacht aus, es gehe ihm weniger um die Sachaufklärung, als um den 
Schluss der Debatte", sagte Gerd Rosenkranz, der Leiter Politik der 
DUH. Die Vermutung liege nicht fern, "dass sich die 
Atomkraftbetreiber und ihre politischen Lautsprecher aus Union und 
FDP in dem Bemühen gestört fühlten, beim Atomausstieg das Rad der 
Geschichte zurückzudrehen."  Die SPD ihrerseits habe sich offenbar 
"in der Koalitionsräson verheddert". Während sich Umweltminister 
Gabriel und sein Haus intern bereits intensiv auf die 
Forsmark-Brunsbüttel-Debatte im Umweltausschuss des Bundestags 
vorbereiteten, sei anderswo entschieden worden, die dringend 
notwendige Aufklärung über die Sicherheitslage in in deutschen 
Atomkraftwerken der Koaltionsräson zu opfern.
Entgegen den Behauptungen der Atomkraftwerkbetreiber und der 
Atomaufsichtsbehörden sei die technische Bewertung der 
Übertragbarkeit des Forsmark-Störfalls auf deutsche Kernkraftwerke 
keineswegs abgeschlossen. Zum einen sei bisher nur ein Teil des 
Problems - nämlich die Wechselrichterproblematik -  überhaupt geprüft
worden. Zum anderen blieben auch hier mindestens im Fall des 
Siedewasserreaktors Brunsbüttel Fragen offen. So hatte der Betreiber 
KKB gegenüber der Atomaufsicht in Kiel (dem dortigen 
Sozialministerium) und dem Bundesumweltministerium eingestanden, dass
"beim Ausfall der Wechselrichter und anschließendem Notstromfall die 
Wechselrichterschiene für ca. 10 Sekunden spannungslos werden" würde 
(undatiertes Schreiben von Anfang Juni). Bei dieser "ungünstigen 
Kombination" würden "auch im KKB ca. 50 Prozent der Messeinrichtungen
... nicht zur Verfügung stehen". Die Betreiber und auch der TÜV Nord 
in seiner Rolle als Gutachter der Kieler Atomaufsicht, hoffen, dass 
"die Verfügbarkeit aller sicherheitstechnisch erforderlichen 
Einrichtungen und Messungen im ungünstigsten Fall nach ca. 10 
Sekunden wieder gegeben ist." (Schreiben TÜV Nord an das Kieler 
Sozialministerium vom 16.8.). Entscheidend ist nach Informationen der
DUH jedoch die Frage, ob alle Aggregate die Unterbrechung der 
Stromversorgung ohne Rückwirkungen auf ihre Funktionstüchtigkeit 
überstehen. Dies sei weiter Gegenstand interner Fachdiskussionen.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 
Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail:  
resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail:  rosenkranz@duh.de

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