Stellungnahme von Prälat Dr. Karl Jüsten zur Einführung einer Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz
Bonn (ots)
Anlässlich der 1. Lesung des überfraktionellen Gesetzentwurfes zur Einführung einer Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz (BT Drs. 20/13804) erklärt der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe und des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten:
"Eine Organtransplantation bedeutet für viele Menschen die einzige Möglichkeit der Lebensrettung. Die Bereitschaft zur Organspende verdient als Akt der Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft über den Tod hinaus höchste Anerkennung und Wertschätzung. Zugleich ist die Entscheidung für oder gegen eine Organspende eine höchstpersönliche Frage. Das sollte sie auch bleiben. Deshalb halten wir die heute erneut vorgestellte Widerspruchslösung nicht für den richtigen Weg, zumal es angesichts aktueller Studien zweifelhaft erscheint, dass eine solche Regelung die von ihren Befürworterinnen und Befürwortern erwartete ,automatische' Erhöhung der Organspendezahlen erbringt. So einfach scheint die Lösung nicht zu sein.
Es gehört zum christlich geprägten Bild vom Menschen, dass er in selbstbestimmter Freiheit und zugleich in Verantwortung vor Gott und seinen Mitmenschen befähigt ist, Entscheidungen über seine Lebensgestaltung und auch über den Umgang mit seinem Leib zu treffen. Dem entspricht eine Regelung, die die Organspende von der freien Willensbekundung des Spenders abhängig macht. Eine gesellschaftliche Grundentscheidung, dass jeder Mensch grundsätzlich als Organspender anzusehen ist, sofern er nicht ausdrücklich widerspricht, passt nicht gut zu dieser Sicht des Menschen. Deshalb bleiben wir bei unserer Haltung: Nicht ein grundsätzlicher Systemwechsel ist in dieser Frage weiterführend, sondern weiterführend sind ganz praktische Maßnahmen und Anstrengungen von Staat und Gesellschaft, die die strukturellen und organisatorischen Probleme im Transplantationsverfahren zielgerichtet und engagiert angehen. Dazu gehören neben der Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl von Entnahmekrankenhäusern im gesamten Bundesgebiet und in der Fläche auch und vor allem: Vertrauensaufbau durch Transparenz und allgemeine Aufklärungs- und Informationskampagnen, einfache und praktikable Registrierungsverfahren, direkte Ansprache und fachkundige Hilfe bei der Entscheidungsfindung. Stärker als bislang in den Blick zu nehmen ist auch die wichtige Rolle der An- und Zugehörigen und deren Begleitung.
Nach wie vor sind wir der Meinung, dass diese Möglichkeiten in der derzeitigen Praxis der Organspende und Organtransplantation nicht gut genug genutzt werden, dass aber gerade hierin der Schlüssel zu einer Erhöhung der Organspendezahlen liegt."
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