Börsen-Zeitung: Bankenbeben, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Übernahme der Landesbank Berlin durch den DSGV und der möglichen Übernahme der WestLB durch die LBBW
Frankfurt (ots)
Paradoxe Sparkassenwelt: In Berlin ist den Sparkassen die Übernahme der Landesbank ein Multimilliarden-Investment wert. In Düsseldorf und Münster, wo die regionalen Sparkassenverbände zusammen noch die Mehrheit an der WestLB halten, wird derweil der Ausstieg aus dem nordrhein-westfälischen Spitzeninstitut, parallel zu dem vom Land angekündigten Verkauf seines 38-prozentigen Anteils, vorbereitet. Ohne Zweifel: Die deutsche Bankenlandschaft im Allgemeinen und die Landesbankenlandschaft im Besonderen wurden über Nacht von einem mittelschweren Erdbeben erschüttert.
Es ist freilich nicht die Art von Erschütterung, die sich speziell die Commerzbank, die ernsthaft am Kauf der Landesbank Berlin (LBB) interessiert war, und die privaten Banken generell für die Struktur des Kreditgewerbes gewünscht hatten. Das deutsche Dreisäulensystem ist erdbebensicher erbaut. Der jenseits aller Geschäftsstrategien nicht zuletzt ordnungspolitisch motivierte Versuch, ausgerechnet in der Bundeshauptstadt und deshalb mit hohem Symbolwert ein Kernelement aus dem Sparkassenverbund herauszubrechen und so die öffentlich-rechtliche Säule ins Wanken zu bringen, ist gescheitert. Es war der dritte Versuch nach Stralsund, wo 2004 das vom Bundesverband deutscher Banken erhoffte Exempel des Verkaufs der Sparkasse an einen privaten Investor abgewehrt wurde, und nach Frankfurt, wo die Helaba 2005 mit politischer Hilfe die bis dahin freie Sparkasse übernehmen und in die öffentlich-rechtliche Familie einbinden durfte.
Maultaschen-Connection?
Im Schoß der Familie bleibt nun auch die LBB mit ihrem Kern, der Berliner Sparkasse. Da soll man "Privatisierung" wohl nicht allzu wörtlich nehmen. Auch die EU-Kommission selbst hat das anscheinend von Anfang an nicht so eng gesehen, als sie die Privatisierung der 1994 aus der Verquickung privater und öffentlich-rechtlicher Teile fehlkonstruierten und bald darauf am Rande des Abgrunds stehenden LBB-Vorgängerin Bankgesellschaft Berlin als Preis dafür verlangte, dass sie deren Rettung auf Kosten der Steuerzahler genehmigte. Sonst hätte Brüssel Interessenten aus der Sparkassengruppe von vorneherein aus dem Bietungsprozess für den 81-prozentigen Landesanteil aussperren müssen. Denn eine Privatisierung im strengen Sinne ist dessen Übernahme durch den Deutschen Sparkassen- und Giroverband öffentliche Körperschaft (DSGV ö.K.) gerade nicht.
Aus Sparkassensicht dagegen ist die Welt wieder in Ordnung. Dies umso mehr, wenn nun noch die in Berlin leer ausgegangene LBBW als Trostpreis die leicht schwächelnde WestLB bekäme. Wirklich jammerschade, dass es hartnäckig umlaufenden Gerüchten zufolge dieses Zerwürfnis zwischen DSGV-Präsident Heinrich Haasis und LBBW-Chef Siegfried Jaschinski gegeben haben soll, weil Letzterer sich erdreistete, als Konkurrent der Sparkassen um die LBB zu buhlen. Andernfalls könnte man glatt auf die Idee kommen, eine Maultaschen-Connection habe irgendwann einen Masterplan zur Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankenwesens ersonnen, der jetzt Zug um Zug abgearbeitet wird.
Jenseits von Gut und Böse
Denn durch die Übernahme der LBB wird ja nicht nur ein neuer Korpsgeist unter den Sparkassen erzeugt. Vor allem nutzt man in Berlin die Gelegenheit, mit der künftigen Verbandssparkasse, die in dieser Form und Dimension ein Novum darstellt, ein Strategiezentrum der gesamten Gruppe aus dem Boden zu stampfen, das in Zukunft beispielsweise auch als Vehikel einer internationalen Expansion dienen könnte. Obendrein verschieben sich die verbundinternen Kräfteverhältnisse: Schließlich werden die Sparkassen Eigentümer nicht allein einer Großsparkasse, sondern auch einer im Wholesalegeschäft tätigen Landesbank. Potenzial für Tauschgeschäfte, durch die sich zum Beispiel der Einfluss auf die DekaBank zulasten der Landesbanken ausweiten ließe?
Mit der von Haasis forcierten Verbindung LBBW/WestLB würde parallel dazu die für unvermeidbar gehaltene Konsolidierung unter den Landesbanken entscheidend angeschoben. Diese Kombination wäre - und deshalb kann man von einem "Erdbeben" sprechen - eine neue Kraft, die auch jenseits der Sparkassengruppe die Bankenlandschaft kräftig durchschütteln würde.
Aber bei all diesen Chancen, die ja zum Teil bislang nicht mehr als Hoffnungswerte sind: ein Preis irgendwo in der Gegend von 6,5 Mrd. Euro für die komplette LBB ist mehr als ambitioniert. Er enthält strategische und politische Prämienelemente, durch die er für private Interessenten in der Tat jenseits von Gut und Böse liegen musste. 6,5 Mrd. Euro: Das ist das 19fache des um den Ertrag aus dem Verkauf der Berliner Bank bereinigten Vorsteuergewinns der LBB 2006. Die Commerzbank zum Beispiel wird, vergleichbar gerechnet, aktuell mit knapp dem 13fachen gehandelt. Da wird die nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Berliner Sparkasse noch viele Synergien heben müssen, bis über die gebotene Stärkung der inneren Substanz hinaus die neuen LBB-Eigner eine Dividende erhalten, die möglichst die Refinanzierungskosten ihrer Beteiligung übersteigen sollte.
(Börsen-Zeitung, 16.6.2007)
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