Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Merkel reist heute zu Bush: Maximale Medienwirkung - Leitartikel von Markus Günther
Essen (ots)
Für ausländische Staatsgäste gibt es in Washington ein ausgeklügeltes Protokoll, das zwischen diplomatischem Minimalismus und der freundschaftlichen Behandlung erster Klasse viele feine Abstufungen erlaubt. Wer wird vom Präsidenten selbst empfangen? Wie lange und wo? Trifft man sich im Oval Office, in der Privatwohnung im Weißen Haus, auf dem Wochenendsitz in Camp David? Angela Merkel wird an diesem Wochenende von Bush in den Club politischer Intimfreunde aufgenommen: Sie darf ihn auf der Ranch in Texas besuchen.
Beneiden muss man sie um die Einladung nicht. Denn die Ranch liegt am Ende der Welt, Crawford ist ein gesichtsloses Kaff, und der Aufenthalt der Kanzlerin, der keine 24 Stunden dauern wird, ist vollgepackt mit Terminen. Pakistan, Iran, Irak und Afghanistan - die Themen sind zahlreich und kompliziert. Zeit, die angebliche Freundschaft zu pflegen, bleibt da kaum. Aber darum geht es auch nicht. Es geht weder um Privates noch um Politik im eigentlichen Sinne, sondern in erster Linie um politische Selbstdarstellung.
Der US-Präsident, nun schon fast im letzten Amtsjahr, ist neuerdings um sein Bild in der Geschichte sehr besorgt (zu Recht!) und würde gern noch den ein und anderen Schadensfall seiner Außenpolitik reparieren. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen, unter Schröder auf einem Tiefpunkt, sind dabei zwar nicht der heikelste Fall, aber eben doch eine Stelle, an der man auch dem amerikanischen Publikum zeigen kann: Der Präsident wird in aller Welt geschätzt, er versteht sich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Europäern, er tut nichts Eigensinniges und nichts Unvernünftiges.
Aber auch für Merkel sind die Bilder aus Texas durchaus nützlich. Die totale Unbeliebtheit des US-Präsidenten in Deutschland mindert den politischen Prestigewert zwar ein wenig, aber Angela Merkel hat in den Augen der meisten Deutschen längst bewiesen, dass sie Bush keinesfalls hörig ist.
Aber sind die Bilder und Botschaften eines solchen Treffens tatsächlich der Grund, warum so eine Begegnung stattfindet? Wird in Washington und Berlin tatsächlich kühl kalkuliert, was solche Fernsehbilder wert sind? Es gibt einen interessanten Hinweis, der bei der Beantwortung dieser Frage hilft: Staatsbesuche sind im Laufe der letzten zehn Jahre immer kürzer geworden und dauern heute nur noch selten länger als 24 Stunden. Auch Angela Merkel ist nur für einen Abend und einen Morgen in Texas. Das reicht für maximale Medienwirkung; mehr wäre Zeitverschwendung.
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