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WAZ: Das Ja zum eigenen Land - Fast zu schön, um wahr zu sein. Leitartikel von Frank Stenglein

Essen (ots)

Schon aus historischen Gründen tun sich viele
Deutsche schwer mit einem klaren Ja zu ihrem Land. Deshalb 
überrascht, mit welcher Vehemenz die Bürger in einer Studie die 
Grundwerte von Staat und Nation hochhalten. Wenn 90 Prozent meinen, 
alles in allem seien 60 Jahre Bundesrepublik eine Erfolgsgeschichte 
und zwei Drittel sogar stolz auf ihr Land sind, ist das fast zu 
schön, um wahr zu sein.
Tatsächlich gehört zur Gesamtschau, dass andere Umfragen mit 
anderen Fragestellungen ein weniger idyllisches Bild zeigen. Gerade 
wenn es um Verteilungsgerechtigkeit und um das Soziale an der 
Marktwirtschaft geht, glauben viele, die besten Jahre der Republik 
seien vorbei. Das ist falsch - trotz der allseits bekannten 
Übertreibungen etwa bei Managergehältern. Mehr denn je bietet dieses 
Land so gut wie jedem Chancen, auch wenn viel, manchmal vielleicht zu
viel Eigeninitiative nötig ist, um sie wahrzunehmen. Es mag zudem 
trösten, dass die Finanzkrise manchen Reichen auch materiell wieder 
mehr Bescheidenheit lehrt.
Erfreulich ist die hohe Akzeptanz, die das Grundgesetz findet. 
Gestern vor 60 Jahren wurde es im Parlamentarischen Rat mit Mehrheit 
angenommen, bewusst am 8. Mai 1949, auf den Tag genau vier Jahre nach
Ende des Zweiten Weltkriegs. In einer Zeit, in der das Vertrauen in 
Politik und Wirtschaft schwindet, ist das Ansehen der Verfassung und 
ihrer Hüter ungebrochen. Für eine nachgeholte Legitimierung, wie sie 
SPD-Chef Franz Müntefering per Volksabstimmung will, gibt es auch mit
Blick auf den Osten keinen zwingenden Grund. Selbst die Anhänger der 
Linken bekennen sich mit knapper Mehrheit zum Grundgesetz. Es wäre 
Spielerei, die seit nun 60 Jahren bewährte Säule des Staatswesens 
ohne Not in die politische Arena zu werfen. Das Risiko der 
Beschädigung ist zu groß.
Der Historiker Karl-Dietrich Bracher hat den Deutschen noch vor 
kurzem "eine zynische Auffassung von Demokratie" vorgehalten. Ohne 
Wenn und Aber sei sie - anders als in anderen westlichen Staaten - 
hier nicht verankert. Dahinter steckt die vom Ende der Weimarer 
Republik hergeleitete Erfahrung, dass die freiheitliche Demokratie in
Deutschland eng mit dem wirtschaftlichen Wohlergehen verknüpft ist.
Aus der Luft gegriffen sind solche Sorgen historisch also nicht, 
doch akut berechtigt sind sie ebenso wenig. Trotz der Krise behalten 
die meisten einen kühlen Kopf, was der funktionierende Sozialstaat 
sehr erleichtert. Ein Grund zum Stolz, auch dies.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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