Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Rücktritt, was sonst? Kommentar von Miguel Sanches
Essen (ots)
Hans-Peter Friedrich war nicht zu halten. Alle haben es gewusst, vielleicht mit einer Ausnahme, und das war der frühere Innenminister selbst. Die Ironie ist, dass der Fall Edathy am Ende für Friedrich viel schwerer wiegt als für den SPD-Mann, der unter Kinderporno-Verdacht steht. Sebastian Edathy hat sich zwar Bilder von Knaben gekauft, das ist schmierig, muss aber keine Straftat sein. Dem Minister droht hingegen auch nach seinem Rücktritt eine Anklage wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Edathy ist politisch erledigt und persönlich erlebt er ein Drama. Indes kann er seine Darstellung offenbar halten, dass er keine Kinderpornografie besaß und sich nicht strafbar gemacht habe. Friedrich aber machte sich und die Koalition angreifbar. Wenn der Dienstherr das Leck ist und mit Amtsgeheimnissen freihändig umgeht, wie kann man glaubwürdig gegenüber Polizisten oder Staatsanwälten ermitteln, die etwas ausplaudern? Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Friedrich wollte nicht Edathy, sondern die SPD schützen, als er sie informierte. In der Politik, gerade in der CSU, ist die Amigo-Mentalität verbreitet. Das ist nicht gut, vor allem darf man sich nicht erwischen lassen. Als es so weit war, hätte er schneller handeln müssen. Sein Plan, erst abzuwarten, ob die Berliner Justiz ermitteln würde, war absurd. Erstens wäre Friedrich dann nicht mehr Herr des Verfahrens gewesen, sondern die Justiz. Zweitens wäre es für die Große Koalition eine lange Zitterpartie geworden. Im März stehen in Bayern Kommunalwahlen an, und CSU-Chef Seehofer ordnet alles dem Erfolg unter. Friedrichs Tage waren gezählt. Vertrauensbildung stand am Anfang (als Motiv) von Friedrichs Affäre. Mit zerstörtem Vertrauen endet sie. Denn es war die SPD, genauer gesagt: ihr Fraktionschef Oppermann, der Friedrich ans Messer lieferte. Das wirkt über den Tag hinaus. Merkel macht keine gute Figur: Einige in ihrem Kabinett waren eingeweiht, sie nicht? Als die Nachricht wie eine Bombe platzte, ist sie abgetaucht. Vielleicht war ihr Schweigen im Ergebnis - Rücktritt - effektiv. Souveränität sieht anders aus.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
Original content of: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, transmitted by news aktuell