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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Pflegeversicherung

Bielefeld (ots)

Der frühere Sozialminister Norbert Blüm
bezeichnete die Pflegeversicherung immer als den Schlussstein der 
Sozialsysteme. Der Journalist Konrad Adam bemerkte einmal dazu 
trocken, das könne schon sein, aber »das Material des Schlusssteins 
stammt leider aus dem Fundament«. Dieses Fundament ist brüchig 
geworden. Das demographische Defizit nagt an ihm, die 
Pflegeversicherung wird mittel- oder langfristig daran zugrunde gehen
- oder teurer werden.
 Dafür sorgt nun die Große Koalition. Ihre Spitzen haben den 
Beitragssatz um 0,25 Prozentpunkte erhöht, ohne sich über die 
künftige Finanzierung einig zu werden. Zur Beruhigung hat man 
gleichzeitig versprochen, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um
0,3 Prozentpunkte zu senken, so dass keiner sagen kann, die Bürger 
werden wieder mal geschröpft. Und so wie Blüm stets mit ernster Mine 
betonte, die Rente sei sicher, so tönten auch Ulla Schmidt und die 
anderen Sozialklempner, die Pflege sei nun besser, weil der 
Leistungskatalog erweitert werde.
Es ist das übliche Geschwafel der meist kinderlosen Politiker. Da 
geht es immer nur um Geld und Leistungen. Richtig und zu begrüßen 
ist, dass man sich endlich um die Demenzkranken kümmert, immerhin 
mehr als eine Million Menschen. Vergessen aber wird das Fundament der
Versicherung, die Familie. Schon heute werden zwei Drittel der 
Pflegebedürftigen zuhause von Familienangehörigen umsorgt.
 Das ist es, was nach Umfragen die meisten Älteren wünschen und 
erhoffen. Sie haben Angst vor dem preußischen Pflegemotto: satt, 
sauber, beschäftigt. Mehr können die Pfleger aber nur selten leisten,
weil sie zuwenig sind. Sie haben keine Zeit. Dieser Pflegenotstand 
wird sich verschlimmern, da helfen auch keine höheren Beiträge. 
Sinnvoller als die Erhöhung der Beiträge wäre es, der Familie, die 
sich um einen Pflegefall kümmert, die Leistung zu bezahlen, sofern es
sich natürlich nicht um einen Fall handelt, der medizinische 
Fachbetreuung erforderlich macht.
Die Politiker, die jetzt unverblümt die bessere Zukunft der Pflege 
besingen, erwähnen mit keinem Wort das Urteil des 
Bundesverfassungsgerichts vom April 2001. In diesem Urteil haben die 
Richter festgestellt: Die Kindererziehung ist bei der 
Beitragsbemessung zu berücksichtigen, denn Kindererziehung habe 
»konstitutive Bedeutung« für die Funktionsfähigkeit des Systems. Mit 
anderen Worten: Man könnte die Beiträge der Familien konstant halten 
und nur die der Kinderlosen erhöhen - es wäre durchaus 
verfassungskonform. Aber davor schrecken viele Politiker zurück, 
schon weil sie selbst kinderlos sind. Allerdings werden sie, wenn sie
nicht so verfahren, mit Klagen rechnen müssen.
 Fazit: Es geht nicht ohne Familie. Sie ist das Fundament, aus dem 
die Zukunft der Sozialsysteme erwächst. Ohne nachwachsende 
Generationen ist die Pflege ein Sanierungsfall - die Rente und die 
Krankenkassen übrigens auch, wie die Richter feststellten.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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