Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Koalitionsgipfel:
Bielefeld (ots)
Das war's! Der Machtkampf in der CDU, der nie einer war, ist abgeblasen. Die schwarz-gelben Koalitionäre demonstrieren Einigkeit. Und über allem thront Angela Merkel. An der 55-jährigen, ostdeutschen, protestantischen Physikerin führt kein Weg vorbei - in der Union nicht und im Kanzleramt nicht. Auch ohne jedes Basta! Damit ist freilich kein einziges Problem gelöst, von denen die Regierung aus eigenem Verschulden genug hat. Nicht nur fehlt bisher eine plausible Erklärung dafür, dass die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen nichts mit der Millionenspende der Mövenpick-Gruppe an die FDP zu tun hat. Die Koalitionäre beschäftigen sich zu viel mit sich selbst. Es wird Zeit, dass sie sich an die Arbeit machen. Das gilt auch für die CDU. So verständlich der Unmut in Teilen der Partei sein mag, so unverständlich ist, dass sich dieser Unmut zuerst an der Person der Vorsitzenden festmacht. Sicher, die CDU hat nach Prozentpunkten bei allen Wahlen der vergangenen zwei Jahre verloren, doch stellt die Union 11 der 16 Ministerpräsidenten. Als erstem Regierungschef überhaupt ist es Merkel gelungen, im Rahmen einer Wahl die Koalition zu wechseln. Die FDP mag der Wunschpartner sein, längst erprobt die CDU andere Koalitionsmodelle. Unter Merkels Führung hat sich die Partei weit zur Mitte hin geöffnet. Heute können sich auch junge, gebildete Frauen vorstellen, die CDU zu wählen. Sie tun es sogar. Wer hätte das 1999 gedacht? Angela Merkel hat den CDU-Vorsitz in der dunkelsten Stunde der Parteigeschichte übernommen. Ein Jahrzehnt später ist die Union die einzig verbliebene Volkspartei. Doch Merkel weiß nur zu genau, dass dieser Status in Gefahr ist. Vor allem deshalb kann sie wenig mit den Rufen nach einem konservativeren Profil anfangen. Umso mehr, als dieses CDU-Bild eine Verklärung der Vergangenheit ist. Die Union war nie nur konservativ, nie nur wirtschaftsliberal. Wenn sie es aber stärker als heute war, dann vor 1989 - in einer anderen, in der alten Bundesrepublik Deutschland. Angela Merkels Problem ist auch nicht, dass sie keine Vision hat - eher, dass sie sie kaum in Worte fasst. Pathos ist ihr fremd. Leidenschaft zeigt sie nur selten. Doch mit ihrer Art, Prozesse vom Ende her zu denken, mit ihrer vorsichtigen, bisweilen zögerlichen Attitüde ist sie in fünf Jahren Kanzlerschaft erstaunlich gut gefahren. Sie hat das Land, auch mit tatkräftiger Hilfe der SPD, bisher weitgehend unbeschadet durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geführt. Das internationale Ansehen der Bundesrepublik ist unter ihrer Führung über alle Maßen gewachsen. Angela Merkel muss ihren Kurs nicht ändern, und sie wird ihren Stil nicht ändern. Sie regiert leise und effizient. Als nächste sollten das Guido Westerwelle und Horst Seehofer zu spüren bekommen.
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