Ärztetag will mehr Ärztinnen in Führungspositionen
Rostock (ots)
Obwohl die Medizin inzwischen ein Beruf mit nahezu ausgewogenem Anteil von Ärztinnen und Ärzten ist, sind die Chancen für Ärztinnen gegenüber den männlichen Kollegen durch eine Vielzahl von Problemen und subtile Diskriminierung behindert. "Nur wenige Ärztinnen sind entsprechend ihrer Kompetenz in verantwortlicher Position zu finden. Das ist ein völlig inakzeptabler Zustand, den wir endlich ändern müssen", sagte Dr. Astrid Bühren, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer und Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, am Donnerstag auf dem 105. Deutschen Ärztetag in Rostock. Die Delegierten des Ärztetages forderten deshalb ein umfassendes Konzept für mehr Chancengleichheit, das sowohl den Einstieg in den Beruf als auch Entwicklungsmöglichkeiten sicherstellt und Karrierechancen verbessert. Die Krankenhäuser wurden aufgefordert, den Anteil von Frauen in Führungspositionen entsprechend den Plänen für den universitären Bereich deutlich zu erhöhen. Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit rund 150.000 Ärztinnen. Sie stellen 40 Prozent der Gesamtärzteschaft. 75 Prozent der Ärztinnen sind berufstätig.
Der Ärztetag appellierte an die Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen, medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbände bewusst und zielstrebig Ärztinnen zu fördern. Es wurde gefordert, dass in Krankenhäusern und Praxen flexible Arbeitsmöglichkeiten entwickelt und eingeführt werden. Die Delegierten ermahnten den Gesetzgeber, eine flexiblere Handhabung des job sharing und anderer Teilzeitmodelle zu ermöglichen. Die Universitäten wurden aufgefordert, Berufungsverfahren transparenter und nicht mehr ohne Beteiligung von weiblichen Professoren und mit mehr Chancengleichheit durchzuführen. Fehlende Rollenmodelle und Vorbilder an Universitäten benachteiligten und demotivierten Medizinstudentinnen sonst schon vor dem Eintritt ins Berufsleben.
Wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle Vereinbarung von Beruf und Familie sei die Sicherstellung von Kinderbetreuung. Kindertagesstätten und insbesondere Betreuungseinrichtungen mit Öffnungszeiten, die dem Arbeitsalltag in Kliniken angepasst sind, fehlen an Krankenhäusern und auch an den medizinischen Fakultäten der Universitäten. "Diese Situation stellt eine strukturelle Benachteiligung der Ärzte und Ärztinnen und Studierenden dar, die Familienverantwortung zufriedenstellend mit der Berufstätigkeit und Studium verbinden wollen", heißt es im Beschluss des Ärztetages. "Kindergartenplätze müssen genauso selbstverständlich sein wie Parkplätze für die Autos der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", verlangte Bühren. Zu häufig führe fehlende Kinderversorgung dazu, dass Ärztinnen ihren Beruf aufgeben und Studentinnen ihr Studium abbrechen. Knapp 25 Prozent der Ärztinnen sind vor allem wegen familiärer Verpflichtungen nicht berufstätig.
Nach wie vor sind selbst hochspezialisierte Ärztinnen in leitenden Positionen deutlich unterrepräsentiert. Nur jede zehnte leitende Stelle in Krankenhäusern ist von Ärztinnen besetzt. Es fehlen Strukturen für die Karriereförderung von Ärztinnen, auch für diejenigen, die bewusst auf Kinder verzichtet haben, um sich ganz dem Beruf zu widmen. An den Universitäten haben Ärztinnen bei gleicher oder sogar besserer Qualifikation nur unterdurchschnittliche Karrierechancen. Im Jahr 2001 betrug der Frauenanteil bei C4-Professorinnen in den klinischen Abteilungen nur 2,8 Prozent, bei den C3-Professorinnen lag er bei 6,6 Prozent. "Das bedeutet, dass die mit Einfluss, Macht und Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Positionen in den Universitäten nach wie vor zu über 90 Prozent von Männern eingenommen werden", kritisierte Bühren.
Die angemessene Beteiligung von Frauen in Entscheidungsfunktionen der Medizin sei kein Selbstzweck. "Ärztinnen sind insgesamt eine Bereicherung und Ergänzung für die Versorgung der Patientinnen und Patienten und für neue Weichenstellungen in der Medizin. Dies ergibt sich zusätzlich zu ihrer fachlichen Qualifikation auch aus ihrer spezifischen, häufig durch die Übernahme der Familienarbeit erworbenen sozialen Kompetenz", betonte Bühren.
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