Wieczorek-Zeul: EU hat Nachholbedarf an Fairness
Hamburg (ots)
"Was Fairness betrifft, hat die EU noch einigen Nachholbedarf, vor allem in der Agrar- und Handelspolitik. Noch immer schottet die Gemeinschaft den europäischen Markt zu sehr gegen Importe aus den Entwicklungsländern ab", schreibt Heidemarie Wieczorek-Zeul in der ZEIT.
Die EU mache "mit ihren massiven Agrarexportsubventionen den Entwicklungsländern unfaire Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Leider ist es nicht gelungen, mit dem Einstieg der Beitrittsländer in die gemeinsame Agrarpolitik von 2004 an zugleich konkrete Schritte für die notwendigen Reformen in diesem Bereich zu verbinden". Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission, weltweit Agrarsubventionen abzubauen, wertet Wieczorek-Zeul nur als ein Mindestangebot an die laufende Welthandelsrunde.
Die Ministerin appelliert an die neuen Beitrittsländer: "Ein erweitertes Europa darf nicht weniger solidarisch und weltoffen sein als die heutige Union".
Den kompletten ZEIT-Beitrag (ZEIT Nr. 2 EVT 2. Januar 2003) finden Sie im Anhang.
Für Rückfragen melden Sie sich bitte ab 2. Januar 2003 bei Elke Bunse, DIE ZEIT Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 040/ 3280-217, Fax: 040/3280-558, E-mail: bunse@zeit.de.
Empfänger werden zu Gebern Von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
Wenn am 1. Mai 2004 die Europäische Union um 75 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus den zehn Beitrittsländern anwächst, schließt sich der Graben, der Europa tief geteilt hatte. Diese europäische Erfolgsgeschichte steht auch als Beispiel für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit. Die künftigen EU-Mitglieder haben zum Teil erhebliche finanzielle und technische Unterstützung von der Gemeinschaft erfahren. So hat die Bundesregierung den Reformländern Mittel- und Osteuropas seit 1993 inzwischen rund eine Milliarde Euro bereitgestellt. Auch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung haben ihren Teil beigetragen. Es bleibt zu hoffen, dass die Beitrittsländer, die die Solidarität der EU erfahren haben, sich ihrerseits künftig genauso solidarisch, vor allem gegenüber den armen Ländern, zeigen.
Dass die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Europa (West) und Europa (Ost) erfolgreich war, hat wesentlich damit zu tun, dass wir diesen Ländern eine attraktive Perspektive - nämlich den EU-Beitritt - bieten konnten. Dies hat zu enormen Eigenanstrengungen angespornt. Diese Beitrittsperspektive können wir den Entwicklungsländern in Afrika, Asien und Südamerika natürlich nicht bieten. Doch die Europäische Union kann diesen Ländern echte Partnerschaft und faire Zusammenarbeit anbieten. Und was Fairness betrifft, hat die EU noch einigen Nachholbedarf, vor allem in der Agrar- und Handelspolitik. Noch immer schottet die Gemeinschaft den europäischen Markt zu sehr gegen Importe aus den Entwicklungsländern ab. Noch immer setzt sie wie die gesamte Welthandelsorganisation das unselige Instrument der Zolleskalation ein, welches die Zollschranken umso höher treibt, je weiter verarbeitet die einzuführenden Produkte sind - Entwicklungsländer können so kaum kaum die Stufe von bloßen Rohstofflieferanten überwinden.
Noch immer macht die EU mit ihren massiven Agrarexportsubventionen den Entwicklungsländern unfaire Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Leider ist es nicht gelungen, mit dem Einstieg der Beitrittsländer in die gemeinsame Agrarpolitik von 2004 an zugleich konkrete Schritte für die notwendigen Reformen in diesem Bereich zu verbinden. Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission für einen Abbau der Agrarunterstützungen auf der ganzen Welt sind eher als ein Mindestangebot an die laufende Welthandelsrunde zu werten. Die Richtung stimmt zwar: Preisgarantien, Stützungskäufe, Exportsubventionen und Zollschranken sollen reduziert werden. Aber das Tempo der EU-Kommission ist noch zu gering. Wir werden in den laufenden Abstimmungsprozessen innerhalb der EU auf Verbesserungen drängen.
Die Verhandlungen über die Erweiterung haben deutlich gemacht, dass für neue Aufgaben auf absehbare Zeit der finanzielle Spielraum fehlt. Zwangsläufig wird damit die Konkurrenz um die verbleibenden Mittel schärfer. Unsere Verpflichtung, die wir bezüglich der europäischen Entwicklungsleistungen eingegangen sind, dürfen wir deshalb nicht aufgeben. Ein erweitertes Europa darf nicht weniger solidarisch und weltoffen sein als die heutige Union.
DIE ZEIT Nr. 2 vom 2. Januar 2003
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