Berliner Morgenpost: Das teure Ende der Geheimiskrämerei - Der Bahn-Gipfel und die Folgen
Berlin (ots)
Mit Hartmut Mehdorn hätte es einen solchen Auftritt nicht gegeben. Der wegen Spitzelei gegen eigene Mitarbeiter zurückgetretene Dauer-Bahnchef Hartmut Mehdorn und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit waren alles andere als gute Freunde oder kooperationsbereite Partner. Wowereit hatte an führender Stelle den Widerstand gegen Mehdorns Lebenswerk, den Bahn-Börsengang, mitorganisiert. Mehdorn drohte offen damit, die Bahnzentrale vom Potsdamer Platz in den Hamburger Hafen zu verlegen. Angesichts dieser Historie ist es ein Fortschritt, dass sich Wowereit und Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube überhaupt wieder wie normale Menschen unterhalten und offenbar gewillt sind, zusammen zu arbeiten. Mit einem aggressiven Konfrontationskurs erreicht man nichts, das hat das Gezerre mit Mehdorn gezeigt. Die Bahn ist Berlins größter Arbeitgeber, sie hat in den vergangenen Jahren zehn Milliarden Euro in der Stadt investiert und spielt weiterhin eine entscheidende Rolle für den Ausbau der Infrastruktur, etwa bei der Anbindung des neuen Flughafens in Schönefeld. Aber gleichzeitig ist die Bahn, genauer ihre Tochter S-Bahn Berlin, auch das derzeit größte Sorgenkind der Stadt. Außer Bemühenszusagen, die Misere so schnell wie möglich zu beheben, hat der gestrige Bahn-Gipfel den geplagten Fahrgästen zwar nichts Konkretes gebracht. Keine Zusage, wann die Züge wieder normal rollen, keinen Zeitpunkt, bis wann die vom Eisenbahn-Bundesamt beanstandeten Mängel behoben sind. Dennoch brachte der Tag einen Fortschritt: Klaus Wowereit machte mit einiger Verspätung deutlich, dass der Nahverkehr auch für den ersten Mann der Stadt oben steht auf der Prioritätenliste. Bahn-Chef Grube entschuldigte sich bei den Fahrgästen und beim Vertragspartner Berlin. Die skandalöse Geheimniskrämerei der vergangenen Jahre allerdings kommt die Bahn-Manager teuer zu stehen. Schon 2003 hatte es einen Riss in einem Rad gegeben. Aber anstatt die S-Bahn-Kunden vor möglichen Gefahren zu schützen, anstatt Alarm zu schlagen und den Hersteller Bombardier zu zwingen, seiner Gewährleistungspflicht nachzukommen, ließen sie den Vorfall lieber unter den Tisch fallen. Damals feilschten die S-Bahner mit dem Berliner Senat um einen neuen Verkehrsvertrag, es ging um Hunderte von Millionen. Mehdorn drohte, die S-Bahnen in den Depots zu lassen. Sicherheitsmängel hätten womöglich die Verhandlungsposition des Konzerns geschwächt. Die Verantwortung für das S-Bahn-Desaster trägt die Bahn. Der neue Chef hat sich verpflichtet, die Probleme zu lösen. Berlin muss zusehen, dass die Sanktionen tatsächlich schmerzen und die Gelegenheit nutzen, klarere Qualitätsstandards in den Vertrag festzuschreiben. Nach dem Bahn-Gipfel ist die Gelegenheit dafür günstig. Nach seinem demütigen Auftritt von gestern kann der Bahn-Chef nur schwerlich zurück zum alten Kurs, mit dem die Konzernmutter die S-Bahn durch überaus ambitionierte Rendite-Vorgaben in einen verhängnisvollen Spar-Wahn trieb, bis am Ende die Sicherheit auf der Strecke blieb.
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