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Schwäbische Zeitung: "Wir haben eine Chance verpasst" - Thomas Bareiß hält eigenes Energieministerium für wichtig - Interview

Leutkirch (ots)

Berlin - Ein eigenes Energieministerium fordert Thomas Bareiß, der energiepolitische Koordinator der Unionsfraktion. "Wir haben eine Chance verpasst", sagt Thomas Bareiß im Interview der Schwäbischen Zeitung. "Die jetzige Regierungsumbildung wäre eine Chance gewesen, mit einem eigenen Energieministerium dem Thema Energiepolitik das nötige Gewicht zu geben." Auerßdem brauche die Energiewende mehr Ehrlichkeit. Nicht alles gehe so schnell, "wie einige Traumtänzer sich das vorgestellt haben."

SZ: Herr Bareiß, es gibt schwere Vorwürfe der Opposition an Herrn Röttgen, dass es mit der Energiewende noch nicht weit her ist. Jetzt, wo Röttgen weg ist, können Sie ja ehrlich sein. Ist es so?

Bareiß: Ach was, die Energiewende stockt nicht. Im Gegenteil: Wir müssen sogar aufpassen, dass wir die Menschen nicht überfordern bei Preisen und Sicherheit. Da mache ich mir die größten Sorgen. Die Energiewende braucht mehr Ehrlichkeit. Manches geht nicht so schnell, wie einige Traumtänzer sich das vorgestellt haben.

SZ: Heißt das, dass man die Atomkraft länger braucht oder mehr Braunkohle?

Bareiß: Wir brauchen die Kernenergie auf jeden Fall noch zehn Jahre und in den kommenden 20 Jahren mehr Kohle- und Gaskraftwerke. Auch Stromimporte werden an Bedeutung zunehmen. Noch wichtiger wird die Steigerung der Energieeffizienz. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, jetzt müssen aber auch die Länder bei der Finanzierung mit ins Boot.

SZ: Vor kurzem haben Sie ein eigenes Energieministerium gefordert. In Ihrer Fraktion gibt es viele, die das unterstützen. Wäre da nicht jetzt der richtige Moment gewesen?

Bareiß: Wir haben eine Chance verpasst. Die jetzige Regierungsumbildung wäre eine Chance gewesen, mit einem eigenen Energieministerium dem Thema Energiepolitik das nötige Gewicht zu geben. Denn die Energiewende wird für unsere Volkswirtschaft die größte Herausforderung in den nächsten beiden Jahrzehnten. Man sieht ja, wie zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik die Energiepolitik oft zerrieben wird. Prinzipiell ist zwischen Umwelt- und Klimazielen und Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit ein natürlicher Gegensatz da. Mit einem eigenen Ministerium wäre es einfacher, die Energiewende zu erklären und voranzutreiben. Und man hätte der Energiewende ein Gesicht gegeben - so wie 1986 Helmut Kohl ein eigenes Umweltministerium eingeführt hat.

SZ: Ist eigentlich im Süden die Sorge um ein Gelingen der Energiewende besonders groß?

Bareiß: Der Süden hat von der Kernkraft gelebt, NRW dagegen von Kohle. Das Rückgrat der deutschen Industrie sitzt im Süden. Die braucht sehr viel Energie. Deshalb brauchen wir jetzt schnell neue Stromautobahnen um den Erneuerbaren-Strom aus dem windreichen Norden nach Baden-Württemberg und Bayern zu bringen.

SZ: Der Rausschmiss Röttgens zeigt auch, wie sehr es in der CDU rumort. Sie haben bereits gewarnt, dass eine gute Europapolitik de Kanzlerin nicht alles sein kann. Was muss passieren?

Bareiß: Die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeigen, dass wir ein strukturelles Problem haben. Bei vielen Themen fehlt das klare Profil. In NRW wird jetzt alles bei Norbert Röttgen abgeladen, aber die Ursachen reichen weiter. Zum Beispiel der dort geschlossene Schulkompromiss, von der CDU noch groß gefeiert, sollte zeigen, dass es zwischen linker und konservativer Schulpolitik keinen Unterschied gibt. Es gibt aber große Unterschiede in der Bildungspolitik und die sollten wir auch deutlich machen: Wir sind für ein mehrgliedriges Schulsystem und gegen die Einheitsschule. Unser Schulprofil hatte immer die besten Ergebnisse. Das verkauft die CDU nicht mehr offensiv. Das ist ein Fehler. Stattdessen wollten wir mit Mindestlohn und Frauenquote die Menschen gewinnen, das ging kräftig in die Hose. Die Stammwähler blieben zu Hause und die Laufkundschaft ging an uns vorbei.

SZ: Norbert Röttgen ist ein Vertreter der moderneren CDU. Ist die CDU durch seinen Rausschmiss in Ihren Augen stärker oder schwächer?

Bareiß: Bis Sonntag war er noch Hoffnungsträger der CDU. Prinzipiell schwächt es die CDU, wenn Leute wie Röttgen nicht mehr in vorderster Front dabei sind, selbst wenn ich eine andere Richtung vertrete. Die CDU braucht die unterschiedlichen Positionen. Aber die Konservativen und Wirtschaftsliberalen in der CDU sind zu schwach geworden. Die müssen mehr Gewicht bekommen.

SZ: Ihre Themen, Familie und Bildung, werden aber von Ministerinnen verkörpert, die kein konservatives Profil haben.

Bareiß: Das macht mir Sorgen. Wir hören seit vielen Jahre, dass wir uns zur Mitte hin öffnen und für jeden wählbar sein müssen. Und mit jedem Jahr verlieren wir mehr Wähler. Wenn wir im größten Bundesland 26 Prozent bekommen, können wir nicht mehr mit gutem Gewissen sagen, dass wir eine Volkspartei sind.

SZ: Kommt denn durch die Kabinettsumbildung mehr Ruhe in Ihren Laden oder erst recht Unruhe?

Bareiß: Ruhe alleine hilft uns nicht. Wir müssen die Defizite ansprechen. Ich hoffe, dass die CDU in den nächsten Wochen inhaltlich und grundsätzlich den Kurs diskutiert. Auch die Fraktion ist als Maschinenraum der Partei der richtige Ort, das zu tun.

Zur Person:

Thomas Bareiß ist energiepolitischer Koordinator der Unions-Fraktion und Bezirksvorsitzender der CDU Württemberg-Hohenzollern. Der Sigmaringer CDU-Abgeordnete gehört außerdem dem "Berliner Kreis" an, der das konservative Profil der CDU schärfen will.

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