Schwäbische Zeitung: Leitartikel - Opfer sind die Kinder
Ravensburg (ots)
Die Affäre Edathy und ihre Opfer: Ein CSU-Minister musste zurücktreten, Spitzenpolitiker der SPD stehen im Zwielicht, Staatsanwälte sind unter Beschuss geraten, der Präsident des Bundeskriminalamts bangt um seinen guten Ruf. Ja, und irgendwie ist doch auch dieser Sebastian Edathy in seinem tiefen Fall zum Opfer geworden. Zumindest scheint er sich als solches zu fühlen, und nach außen nimmt er die Opferrolle auch ein. Die aufgeregte Diskussion um die politischen Verwicklungen, um Vertrauen und Misstrauen in der Großen Koalition, haben etwas in den Hintergrund treten lassen, was eigentlich den Auslöser und Kern der Affäre ausmacht. Da hat ein Spitzenpolitiker, so stellen es die Strafverfolger dar, mehrfach Fotos bestellt, auf denen männliche Kinder nackt abgebildet waren. Ob das nun an der Grenze zur Strafbarkeit war, ob die Grenze überschritten wurde, ob Sebastian Edathy jemals juristisch belangt werden wird, kann im Moment niemand mit Gewissheit sagen. Eines aber darf als gewiss gelten: Diese auf den Fotos abgebildeten Kinder sind Missbrauchsopfer - Strafbarkeit hin oder her. Kinderpornografie und Kindesmissbrauch sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Sie hängen mit Moral- und Wertvorstellungen zusammen. Sebastian Edathy, dem messerscharfe Intelligenz nachgesagt wird, hat das gewusst. Die Anstößigkeit seines Tuns muss ihm durchaus klar gewesen sein, sonst hätte er sich nicht so konspirativ verhalten. Seine Opfer Opfer zu nennen und sich den Täter, hätte ihm im Nachhinein gut angestanden. Vielleicht kann er sich noch dazu durchringen - wie gesagt: jenseits aller möglichen strafrechtlichen Konsequenzen. In echter Reue kann auch ein Ansatz von Wiedergutmachung stecken - und ein Zeichen an die Gesellschaft. Ein schärferes Strafrecht könnte dagegen an den Realitäten wenig ändern. Allein die irrwitzige Geschwindigkeit, mit der heute - weitgehend anonym - Informationen und Daten vom einen Ende der Welt zum anderen rasen, würde diese Waffe stumpf lassen.
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