Otto Brenner Stiftung veröffentlicht zwei neue Studien zum Thema Strategie und mediale Einordnung der AfD im Wahlkampf
Frankfurt (ots)
+++ Otto Brenner Stiftung (OBS) analysiert Potenziale und Probleme der "Alternative für Deutschland" (AfD) im Bundestagswahljahr +++ Ergebnis: massive Lagerkonflikte, verunsicherte politische Führung und programmatische Verschärfung +++ Profil, Entwicklung und parlamentarische Arbeit der AfD-Fraktionen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden zudem nachgezeichnet und politisch zugespitzt +++ Eine zweite Studie identifiziert ein Spannungsverhältnis zwischen Partei und Medien +++ AfD inszeniert sich einerseits als Opfer des Mediensystems +++ Andererseits werden Medienangebote von ihr ausgenutzt und zu instrumentalisieren versucht +++ Autor Gäbler präsentiert Handreichungen für den medialen Umgang mit der AfD +++ Die Entwicklung der AfD ist hochdynamisch: Die erst 2013 gegründete Partei ist bereits in 13 Landesparlamenten vertreten. Trotz aktueller Turbulenzen könnte ihr auch der Sprung in den nächsten Bundestag gelingen, womit sich die AfD vorerst im Parteienspektrum rechts der Union verankern könnte. Doch wie hat sich die junge Partei auf dem Weg ihrer politischen Etablierung verändert? Wie agiert sie in den Landesparlamenten und was lässt sich hieraus mit Blick auf die Bundestagswahl lernen? Zu diesen Fragen liefert die neue OBS-Studie vom Göttinger Institut für Demokratieforschung aktuelle Ergebnisse und wichtige Erkenntnisse. Der erste Teil dieser Studie untersucht gesellschaftliche Voraussetzungen und politische Konsequenzen des Wiederaufstiegs der AfD nach ihrer Spaltung im Sommer 2015. Im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" erzielte sie bei den Landtagswahlen 2016 Rekordergebnisse und rückte nicht nur im Osten zur relevanten landespolitischen Kraft auf. Zugleich hat sich die AfD selbst stark gewandelt, woraus grundlegende Herausforderungen für die Partei erwachsen sind: - Strategische Schwächung: Seit 2016 prägten heftige Macht- und Lagerkonflikte zwischen Frauke Petry und ihren Gegnern die Parteientwicklung. Aufgrund mangelnder Vermittlungsmechanismen wurden diese Konflikte verschleppt, Teile der Parteiorganisation blockiert und beide Bundessprecher politisch demontiert. Die AfD startete erheblich geschwächt in den Bundestagswahlkampf 2017. - Primat des Nationalen: Unter der Führung Frauke Petrys ist die AfD seit 2016 weiter nach rechts gerückt. Neben restriktiven Forderungen im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik, einer pauschalisierenden Kritik von Islam und Muslimen sowie einer teils traditionalistisch-reaktionären Familienpolitik zeichnet sich so in verschiedenen Politikfeldern immer deutlicher ein Primat des Nationalen ab. - Der "AfD-Effekt": Die etablierten Parteien haben auf die Wahlerfolge der AfD politisch reagiert. Gerade die Unionsparteien haben ihre Rhetorik und Forderungen v.a. in der Asyl- und Migrationspolitik merklich verschärft. Während sich die politische Debatte damit insgesamt nach rechts verschiebt, wird es für die AfD zugleich schwieriger, sich von ihrer politischen Konkurrenz abzugrenzen, wie sich jüngst auch in ihren schwächeren Wahl- und Umfrageergebnissen und erfolglosen Provokationen zeigte. Der zweite Teil der Studie analysiert die parlamentarische Entwicklung der AfD als wichtigen Schritt auf dem Weg zu ihrer möglichen Etablierung im Parteiensystem. Die Göttinger Forscher schließen an ihre vorherigen Arbeiten an und präsentieren eine vergleichende Detailanalyse der internen Entwicklung und parlamentarischen Arbeit in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Neben grundsätzlichen Ähnlichkeiten weisen sie dabei auf eine Reihe von Unterschieden, Ambivalenzen und Widersprüchen hin: - Profil & Stabilität: Die sozialen und politischen Profile der AfD-Abgeordneten unterscheiden sich im Ost-West-Vergleich teils deutlich. In zwei der untersuchten AfD-Fraktionen kam es zu besonders heftigen Macht- und Lagerkonflikten. In Baden-Württemberg zerbrach die AfD-Fraktion unter der Führung von Bundessprecher Meuthen nach wenigen Wochen; in Sachsen-Anhalt folgte den fortgesetzten Konflikten erst jüngst eine Reihe von Austritten. - Aktivität & Oppositionsarbeit: Im Untersuchungszeitraum zeigte sich eine relativ hohe parlamentarische Aktivität der AfD-Fraktionen. Den Zugang zur parlamentarischen Bühne nutzten die politisch mäßig erfahrenen Abgeordneten vor allem für betont plakative und provokative Formen der oppositionellen Kritik und Kontrolle. - Themen & Strategien: Obgleich die Initiativen der AfD-Fraktionen inhaltlich weit gefächert sind, sind die Themen Innere Sicherheit, Asyl und Migration besonders präsent. Zudem finden sich strategische Bemühungen der AfD, sich etwa als regionaler 'Anwalt der Bürger' oder als Standesvertretung der Polizei zu positionieren. - Erfolg trotz Polarisierung: Das oft provokante Auftreten der AfD-Fraktionen strapaziert die parlamentarische Kultur erheblich. Trotz vielfältiger Ab- und Ausgrenzungsversuche der etablierten Parlamentsparteien ist es den AfD-Fraktionen wiederholt gelungen, landespolitische Konflikte effektiv zu skandalisieren und damit zum Teil erheblichen Druck auf die Landesregierungen auszuüben. - Selbstverständnis als Opposition: Obgleich sich die AfD in allen untersuchten Ländern als "harte Opposition" versteht, changieren die AfD-Fraktionen zwischen konventionell-parlamentarischen und außerparlamentarischen Orientierungen. "Die Göttinger Forscher skizzieren, warum sich die politischen Bedingungen für die AfD massiv verschlechtert haben und wie angeschlagen sie nun in den Bundestagswahlkampf startet", sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der OBS. Zudem liefere die Studie vergleichende Tiefenbohrungen zur Partei- und Fraktionsentwicklung der AfD auf Landesebene. "Vielleicht lassen sich", so Legrand weiter, "daraus sogar Hinweise ableiten, was man von einer zukünftigen AfD-Bundestagsfraktion zu erwarten hätte." Eine zweite Untersuchung, die zusammen mit der "Göttinger AfD-Studie" in einem Doppelheft der Stiftung im Januskopf-Druckverfahren erscheint, greift das Spannungsverhältnis zwischen "AfD und Medien" auf. Mit gezielten Provokationen und kalkulierten Tabubrüchen, so der weit verbreitete Eindruck, buhle die "Alternative für Deutschland" (AfD) um mediale Beachtung und öffentliche Aufmerksamkeit. Sie hält ein Stöckchen hin und findet immer wieder genügend Journalisten, die dankbar drüber springen und einen realen oder nur vermeintlichen Skandal auf die Bühne einer größeren Öffentlichkeit bringen. Gleichzeitig versucht die AfD, sich über grundsätzliche Angriffe auf die Freiheit der Berichterstattung und massive Attacken auf das Mediensystem im innenpolitischen Streit und bei ihren Sympathisanten zu profilieren. Dieses "Spannungsverhältnis zwischen AfD und Medien" ist der Ausgangspunkt eines Diskussionspapieres der Otto Brenner Stiftung, das die Partei-Studie aus Göttingen um einen zentralen Aspekt erweitert und, aus Sicht der OBS, zusammen ein "must-have" zur AfD im Vorfeld der Bundestagswahl darstellt. Autor der Medien-Analyse ist Prof. Bernd Gäbler - früher Chef des renommierten Grimme-Instituts, heute Journalistik-Professor an der FHM Bielefeld. Neben der "Stöckchen-Falle" identifiziert Bernd Gäbler weitere "Fallen" und Dilemmata, denen sich die klassischen Medien im Umgang mit der AfD zu selten bewusst sind. Da ist zum einen die "Ausgrenzungs-Falle", durch die sich die AfD immer wieder und gerne als Opfer eines "Mainstreams" inszeniert - und inszenieren lässt. Und da ist zum anderen die "Oppositionsfalle", in der sich Medien die Rolle einer politischen Opposition anmaßen. Hinzu komme, so OBS-Autor Gäbler, die mangelnde Bereitschaft vieler Journalisten, sich mit den grundlegenden Kategorien dieser Partei - wie "Identität", "Volk" oder "Nation" - wirklich kritisch auseinanderzusetzen. Zu oft, so ein Befund der Analyse konkreter Vorfälle, folge die Berichterstattung auch dem "Framing", also dem Deutungsrahmen, den sich die AfD selbst gibt. Sie wolle die "Grenzen des Sagbaren" verschieben und fände dabei in den Medien leicht ein Echo, heißt es in dem Diskussionspapier. Nach Auffassung des Medienwissenschaftlers Gäbler liegt das aber nicht nur an vielleicht gut gemeinten, aber falschen redaktionellen Entscheidungen, sondern auch an strukturellen Gemeinsamkeiten, die es zwischen der "Logik des Rechtspopulismus" und der Aufmerksamkeitsstrategie der Massenmedien gibt. Für die AfD resultiert daraus ein "Double-Bind"-Verhältnis zu den Medien. Wie keine andere politische Bewegung zuvor lehnt die AfD redaktionell geführte Medien und "intermediäre Instanzen" der Gesellschaft ab, weil sie immer "das Volk" direkt ansprechen will. Andererseits ist sie besonders darauf aus, in den Medien vorzukommen und präsent zu sein. Aus dieser Hassliebe ergibt sich die doppelte Strategie, Medien als "Lügen-" oder "Lückenpresse" zu verdammen und sie zugleich instrumentalisieren zu wollen. Die umfassende Präsenz in den sozialen Medien diene der AfD, so eine weitere These, nicht nur dazu, die eigenen Sympathisanten direkt und "ungefiltert" anzusprechen, sondern diese auch für die Organisation zu gewinnen und enger an die Partei zu binden. In seiner Analyse der AfD und den anschließenden "Handreichungen" rät der Autor Bernd Gäbler, die Berichterstattung über die AfD und die Kommentierung ihrer Politik für nichts weniger zu nutzen als eine Re-Formierung des Journalismus, seines Handwerks und seiner klassischen Tugenden. Aus Sicht der Otto Brenner Stiftung brauchen die medialen Herausforderungen, die mit der AfD verbunden sind, keinen "AfD-Journalismus" als spezifische Reaktion. "Solide Ausbildung, handwerkliche Fertigkeiten, journalistische Kompetenz und intensive Beschäftigung mit Personen, Programm und Profil" der Partei, so OBS-Geschäftsführer Legrand, bewährten sich in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten. Die Stiftung will mit den durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis belegten Handreichungen auch eine Orientierungshilfe anbieten für den medialen Umgang mit der AfD vor der kommenden Bundestagswahl. Alexander Hensel, Florian Finkbeiner, Philip Dudek, Julika Förster, Michael Freckmann, Pauline Höhlich: "Die AfD vor der Bundestagswahl 2017 - Vom Protest zur parlamentarischen Opposition". OBS-Arbeitsheft Nr. 91, Frankfurt am Main, 17. Juli 2017 Bernd Gäbler: "AfD und Medien - Analyse und Handreichungen". OBS-Arbeitsheft Nr. 92, Frankfurt am Main, 17. Juli 2017 Weitere Informationen zu beiden Studien (kostenfrei bestellen, lesen, downloaden): https://www.otto-brenner-stiftung.de
Pressekontakt:
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E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de
Alexander Hensel
Göttinger Institut für Demokratieforschung
Tel: 0551 - 391701-08
alex.hensel@demokratie-goettigen.de
Prof. Bernd Gäbler
E-Mail: b.gaebler@t-online.de
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