ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Frühjahrsgutachten der „Immobilienweisen“: Klima der Unsicherheit drückt auf Investitionsbereitschaft/ ZIA-Präsidentin: „Beim Wohnungsbau braucht es in diesem Frühjahr einen Befreiungsschlag“
Ein Dokument
Frühjahrsgutachten der „Immobilienweisen“: Klima der Unsicherheit drückt auf Investitionsbereitschaft/ ZIA-Präsidentin: „Beim Wohnungsbau braucht es in diesem Frühjahr einen Befreiungsschlag“
- ZIA übergibt Frühjahrsgutachten der „Immobilienweisen“ an Bundesbauministerin Geywitz
- Klima verstärkter Unsicherheit drückt auf Investitionsbereitschaft
- Bauwirtschaft vom Rückgang der Bruttowertschöpfung besonders betroffen
- Bei Genehmigungen neuer Wohnungen Minus von 45 Prozent gegenüber 2023 erwartet
- Zahl der Stornierungen beim Wohnungsbau geht zurück/Aber: Über 50 Prozent der Unternehmen erfahren Auftragsmangel
- Bedrohliche Lücke zwischen Wohnungsbedarf und Bautätigkeit in vielen „A-Städten“
- ZIA-Präsidentin Schöberl: „Zeit für Taten, Ernst machen mit Deregulierung“
- Prof. Feld: „Toxisches Gemisch überhöhter Kosten“/ „Strukturkrise verlangt Antworten der neuen Regierung“
- IW-Experte Henger: Kommunen sind die entscheidenden Akteure beim Wohnungsbau
Lichtblicke:
- Stabileres Preisgefüge stärkt Vertrauen der Investoren in langfristige Investitionen
- „Normalisierung“ der Geldpolitik
- Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe zuletzt stabiler, Erholung der Wohnungsbauinvestitionen ab Mitte 2025 möglich
- Finanzierungsbedingungen leicht verbessert
- Niedrigere Zinsen als Wachstumsimpuls
Berlin, 11.2.2025 – ZIA-Präsidentin Iris Schöberl hat heute das Frühjahrsgutachten des Rats der „Immobilienweisen“ Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. „Ein Klima der Unsicherheit drückt auf die Investitionsbereitschaft. Deutschland braucht eine ökonomische Kehrtwende, und die Immobilienbranche hat die Kraft, hier eine Schlüsselrolle zu übernehmen“, kommentiert Schöberl die Signale des Gutachtens. „Wenn in diesem Frühjahr politisch die Weichen klug gestellt werden, kann die Immobilienbranche, die fast 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ,liefert‘, schon 2025 wieder zur Wirtschafts-Lokomotive werden. Mit konkreten Verbesserungen für Mieterinnen und Mieter, lebendigere Innenstädte, den Alltag im Büro und für den Alltag Pflegebedürftiger.“
Für 2024 ist laut Gutachten insgesamt nur mit etwa 210.000 neu genehmigten Wohnungen zu rechnen – gegenüber 2023 wäre das ein Rückgang um fast die Hälfte (45 Prozent). In den meisten der sieben größten Städte („A-Städte“) nimmt die Kluft zwischen Wohnungsbedarf und Bautätigkeit bedrohliche Ausmaße an. Rezepte für eine Trendumkehr? Schöberl: „Beim Wohnungsbau braucht es in diesem Frühjahr einen Befreiungsschlag: weg mit dem Wust an starren Regulierungen!“ Die neue Bundesregierung könne „schon in den ersten 100 Tagen Veränderungen mit Sofort-Effekt“ auf den Weg bringen, wenn „spürbare Entlastungen in Sicht“ sind. „Gerade ein Plus bei den Wohnungsangeboten kann unser Land wieder enger zusammenbringen“, sagt die ZIA-Präsidentin. „Die Politik muss nicht mehr tun, sondern weniger: Sie muss sich auf allen Ebenen zurücknehmen.“ Dass der Staat bei etwa 37 Prozent entweder finanziell oder durch starre Auflagen die Branche beim Neubau fessle, sei „Deutschlands Dauerbremse für Investitionen“. Da brauche es Abstinenz statt Aktionismus. Dies umso mehr, da die Branche weiter einen starken Beitrag für Klimaschutz leisten wolle.
Die ZIA-Präsidentin betont: „Der Immobilienwirtschaft ist bewusst, dass in dieser Zeit auch kreative Lösungen notwendig sind, um Wohnungsbau und Sanierung zu pushen.“ Ein Vorschlag: Der Bund könnte über die KfW eigenkapitalersetzende Mittel und Bürgschaften bereitstellen, um stockende Neubauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen zu aktivieren. Dann könnten Banken wieder mehr Kredite an Projektentwickler vergeben – der Bauüberhang von fast 830.000 Wohnungen könnte so schneller abgebaut werden.
Der ZIA hat auch hohe Erwartungen an die Europäische Union, die zuletzt mit dem „Wettbewerbsfähigkeits-Kompass“ und mit dem heute vorgestellten Commission work programme vielversprechende Signale setzt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld vom Rat der „Immobilienweisen“ analysiert: „Das Jahr 2024 hat gezeigt, dass sich wieder ein stabileres Preisgefüge auf dem Markt etabliert hat, was Investoren Vertrauen in langfristige Investitionen gibt.“ Zugleich benennt er eine Reihe von Problemen: „Hohe Energiepreise, gesunkene Kapazitätsauslastung und Arbeitsproduktivität drücken auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Sie dämpfen in Zeiten überdurchschnittlich hoher Unsicherheit die Investitionsbereitschaft.“ Unternehmen hierzulande sähen sich „einem toxischen Gemisch überhöhter Kosten gegenüber“. Die Bauwirtschaft ist, so Feld, am stärksten vom Rückgang der Bruttowertschöpfung betroffen.
Die Steuerbelastung der Unternehmensgewinne erreiche im internationalen Vergleich die Spitzengruppe. Und: „Die Regulierungsintensität schnürt den Unternehmen die Luft ab“.
Ein ernstes, grundlegendes Problem in diesem Frühjahr: Unsicherheit wird nicht nur durch das Regierungs-Interregnum in Deutschland verstärkt, sondern auch durch die internationale Lage. Feld: „Es ist damit zu rechnen, dass die neue US-Regierung eine protektionistische Wirtschaftspolitik betreiben wird und geopolitische Spannungen zunehmen.“ In Deutschland könnte sich die Unsicherheit negativ auf die wirtschaftspolitische Gesamtsituation auswirken.
Felds Bewertung zwölf Tage vor der Bundestagswahl: „Eine neue Bundesregierung mit einem klaren wirtschaftspolitischen Kurs könnte stabilisierend wirken und die Unsicherheit in den kommenden Jahren sinken lassen.“
Das veränderte und in Teilen schwierige Umfeld wirft auch einen Schatten auf positive Trends, die sich abzeichnen: Im Jahr 2024 stabilisierte sich das Volumen der Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe etwas. Und: Ab Mitte 2025 könnten sich die Wohnungsbauinvestitionen erholen – sofern die Rahmenbedingungen stimmen.
Wichtige Hebel aus Sicht des ZIA:
- Auf allen politischen Ebenen Ernst machen mit einem Kurs der Deregulierung
- Über die KfW eigenkapitalersetzende Mittel und Bürgschaften bereitstellen, um stockende Neubauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen zu aktivieren
- Bauland aktivieren durch Flächenbereitstellung, Gestehungskosten senken
- Standardisierte, vereinfachte Bauverfahren ermöglichen
- Vereinfachte Bauvorschriften konsequent angehen, zum Beispiel über „Gebäudetyp E“
- Sonderregeln im Baugesetzbuch, die für Flüchtlingsunterkünfte gelten, ohne Abstriche auf Wohnungsbau ausdehnen
- Bei der EU-Taxonomie mit dem „Worst-first“-Ansatz das energetische Sanieren von Immobilien mit schlechten Energieeffizienzen vorantreiben
- Zumindest temporär die Grunderwerbssteuer für alle Immobilienklassen senken oder auf null fahren, auf kommunale Abschöpfungsmodelle verzichten
Schlaglichter aus dem Frühjahrsgutachten:
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Direktor des Walter Eucken Instituts):
„Die Immobilienwirtschaft ist traditionell eine Branche, die für Investitionen im Inland wesentlich ist. Neben den höheren Zinsen und den inflationär erhöhten Baukosten haben die zunehmende Regulierung sowie höhere Steuerbelastungen bei Grunderwerbsteuer und Grundsteuer die Immobilienwirtschaft schwer getroffen. Mit der weiteren Normalisierung der Geldpolitik wird sich eine gewisse Entlastung für die Immobilienwirtschaft einstellen“, prognostiziert Feld. „Der Rückgang der Baugenehmigungen, bedingt durch geringe Nachfrage, und der daraus resultierende Auftragsmangel im Wohnungsbau ist problematisch, da weniger Aufträge heute zu einer geringeren Anzahl an zukünftigen Wohnungen führen.“ Felds Erwartung: „Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung werden sich daher erst später auf dem Wohnungsmarkt zeigen.
Mit Blick auf die Grundsteuer hält Feld fest: „Es deutet viel darauf hin, dass die Städte und Gemeinden in ihrer Gesamtheit das Versprechen einer aufkommensneutralen Reform brechen werden. Sie nutzen vielmehr die Reformmöglichkeiten, um höhere Einnahmen zu erzielen. Die Auswirkungen sind nicht zuletzt für den Wohnungsmarkt noch nicht absehbar.“
Im Wohnungsbau verzeichnete mehr als die Hälfte der Unternehmen einen Auftragsmangel. Im Jahresverlauf 2024 verfestigte sich der Anteil im Bereich zwischen 50 und 60 Prozent. Dies relativiert den erfreulichen Trend, dass Stornierungen über das Jahr mit 10,5 Prozent auf den niedrigsten Wert seit April 2022 sanken. Neben den Zahlungen für den Bau einer Immobilie fällt ein Großteil der Kosten beim Kauf des Grundstücks an. Diese sind deutlich gestiegen. Bei den Kaufnebenkosten wirkte vor allem der Zuwachs bei der Grunderwerbsteuer kostentreibend. Die Teuerung bei den Gestehungskosten für Immobilien ist neben dem Anstieg der Preise für Baustoffe auf gestiegene Qualitätsansprüche und rechtliche Vorgaben zurückzuführen.
Feld: „Um insbesondere den Wohnungsbau so anzuregen, dass die problematischen Engpässe auf den Wohnungsmärkten merklich abgemildert werden können, sind strukturelle Veränderungen erforderlich, die sowohl an der Regulierungsintensität als auch bei den Immobiliensteuern ansetzen müssen.“ Seine Befürchtung: „Insbesondere die Anreize, Bestandswohnungen zu sanieren, können durch die stark ausgeprägte Mietregulierung von Bestandsmieten gedämpft werden. Wenn die Kosten der energetischen Sanierung nicht ausreichend an Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden können, fehlen Investitionsanreize für solche Maßnahmen.“
Prof. Feld sieht auf diesem Feld ohnehin einen Zielkonflikt: „Gesetzliche Vorgaben zur Verbesserung der Klimabilanz von Gebäuden stehen hier beispielsweise im Zielkonflikt mit möglichst niedrigen Baukosten für preiswerten Wohnraum.“
Wohnimmobilien: Dr. Ralph Henger (Institut der deutschen Wirtschaft, IW):
Dr. Ralph Henger richtet in seiner Analyse zu den Wohnimmobilien den Blick auch auf die sieben bevölkerungsreichsten Städte („A-Städte“). Hier zeigt sich für die Zeit von 2021 bis 2025 mit insgesamt 72.200 Wohnungen pro Jahr ein erhöhter Wohnungsbedarf. Bezogen auf 1.000 Einwohner und Jahr liegt der bundesweite Wohnungsbedarf bei 4,5. In den A-Städten sind es 7,3. Henger nennt auch positive Beispiele: „In der Vergangenheit waren München oder auch Frankfurt am Main besonders erfolgreich im Wohnungsbau: Hier konnten pro 1.000 Einwohner und Jahr 5,6 beziehungsweise 4,7 Wohnungen fertiggestellt werden. Aufgrund der hohen Nachfrage ließ sich aber auch dort nicht der gesamte Bedarf decken.“ So liegt die Bedarfsdeckung in München bei 93 und in Frankfurt bei 61 Prozent. Bei einer Bautätigkeit von 4,6 weist Berlin eine Bedarfsdeckung von 51 Prozent auf. „Deutlich größere Defizite zeigen sich hingegen in Köln (37 Prozent) und Stuttgart (43 Prozent), wo die Lücke zwischen Bedarf und Bautätigkeit am größten ist. Unter den B-Städten fällt Leipzig (42 Prozent) mit einem hohen Defizit auf.“
Der IW-Experte betont: „Zentraler Akteur im Wohnungsbau auf der Angebotsseite sind die Kommunen, die dazu angehalten und unterstützt werden müssen, Planungs- und Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung, Bürokratieabbau und mehr Personal in Bauämtern zu beschleunigen.“ Hengers Empfehlung Richtung Politik und Wirtschaft: „Nach der Einführung oder Erhöhung von Abschreibungen auf Neubauten durch Sonderabschreibungen ist es von zentraler Bedeutung, die Kosten im Wohnungsbau zu senken.“ Und: „Ein erheblicher Teil der Kostensteigerungen der letzten Jahre ist auf striktere Vorgaben zurückzuführen. Es sollte daher in jedem Fall keine weitere Verschärfung der energetischen Neubaustandards auf Effizienzhaus 40 oder mehr vorgenommen werden.“
Der Handel von Wohnimmobilien stellt mit 69 Prozent aller Immobilientransaktionen den wichtigsten Markt dar. Der Einbruch war zuletzt, im Jahr 2023, im Wohnungsmarkt mit einem Minus von 18 Prozent deutlich stärker als in den anderen Segmenten (Minus von knapp acht Prozent). Die Zahl der verkauften Bauplätze für den Wohnungsbau sank von 67.000 im Vorjahr auf 46.000, was einem Rückgang von gut 31 Prozent entspricht. Im Vergleich zum Boomjahr 2021 reduzierten sich die neuen Flächen für den Wohnungsbau sogar um mehr als die Hälfte (Minus 53 Prozent). Gleichzeitig zogen die Preise für baureifes Land allein von 2005 bis 2022 um 104 Prozent an. Die leichten Rückgänge in 2023 sind dabei der nachlassenden Nachfrage geschuldet und dürften sich wieder umkehren.
Investmentmarkt für Wirtschafts-, Büro- und Logistikimmobilien, Corporate Real Estate, Hotelimmobilien: Sven Carstensen (bulwiengesa)
„Das Investoreninteresse hat sich zunehmend auf Logistik- und Wohnimmobilien verlagert, die als krisenfestere und ertragsstabilere Anlageklassen wahrgenommen werden“, hält Carstensen fest. „Diese Verschiebung unterstreicht das nachlassende Vertrauen in das Bürosegment und reflektiert den strategischen Fokus auf Nutzungsklassen, die auch in wirtschaftlich volatilen Zeiten als widerstandsfähiger gelten.“ Er betont dabei: „Die Umsätze im Bürosegment verblieben auf einem stabilen, jedoch niedrigen Niveau.“ Das Jahr 2024 habe gezeigt, dass sich wieder ein „stabileres Preisgefüge auf dem Markt etabliert hat, was Investoren Vertrauen in langfristige Investitionen gibt“.
Carstensens Prognose: „Ein stabilisiertes oder potenziell sinkendes Zinsumfeld dürfte die Finanzierungskosten senken und die Planbarkeit für Investoren verbessern.“ Er geht davon aus, dass Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien weiter an Bedeutung zulegen: „Investoren legen zunehmend Wert auf energieeffiziente und nachhaltige Immobilien, die regulatorischen Anforderungen entsprechen und langfristig wertstabil sind.“ Im Bürosegment wird auf der Nachfrageseite eine moderate Belebung erwartet, erhöhte Anforderungen der Nutzer an Lage, Nachhaltigkeit und Qualitätsmerkmale schaffen neue Perspektiven.
Die zunehmende Verschärfung der Wohnungsknappheit, insbesondere in Großstädten, stellt auch eine erhebliche Belastung für Unternehmen dar, die ihren Fachkräften kein adäquates Wohnungsangebot bieten können. Deshalb befassen sich immer mehr Unternehmen mit dem Bau von Mitarbeiterwohnungen („Werkswohnungen“). Hier regt Sven Carstensen aus Sicht des Corporate Real Estate an, dass die Rahmenbedingungen an die Anforderungen des heutigen Arbeits- und Wohnungsmarkts angepasst werden, „beispielsweise durch beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine grundsätzliche Zulassung von Mitarbeiterwohnungen in Gewerbe- und Industriegebieten, einen Verzicht auf den üblicherweise geforderten Drittelmix für Wohnraum (Sozialwohnungen, Mietwohnungen, Eigentum) oder auch attraktivere lohn- und sozialversicherungsrechtliche Sachbezugsregelungen“.
(Der ZIA erhebt in einem aktuellen Positionspapier ähnliche Forderungen: https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2024/10/241007-PM-ZIA-Mitarbeiterwohnen.pdf)
Einzelhandelsimmobilien: Joachim Stumpf (BBE Handelsberatung):
Joachim Stumpf gibt für den Einzelhandel die Prognose eines „moderaten Wachstums auf 700 Milliarden Euro Gesamtumsatz bis 2028“ ab. Die Kundenbedürfnisse werden immer anspruchsvoller: Sie verlangen eine nahtlose Verschmelzung von Einkaufserlebnis und Technologie. Und die Entwicklung der Einzelhandelsimmobilien geht, so eine seiner Kernaussagen, auf vielen Feldern auseinander. Wolle man die Entwicklungen in einem Wort zusammenfassen, dann dränge sich der Begriff „Polarisierung“ auf, analysiert Stumpf. Und die gibt es auf verschiedenen Feldern. Es zeigt sich zum Beispiel eine Polarisierung in den Preislagen: „Discount und Luxus wachsen, mittlere Preislagen schrumpfen.“ Oder hier: „Polarisierung zeigt sich auch an den Vermietungsmärkten immer deutlicher, messbar zum Beispiel in der steigenden Mietdifferenz zwischen, starken‘ und ,schwachen‘ Makrostandorten, Mikrolagen und Objekten.“
Ein weiterer Befund des Experten: Zunehmende Leerstände und sinkende Mieten gibt es in weniger attraktiven Lagen. „Food“ bleibt stationär stabil dank seines engmaschigen Filialnetzes. Die andere Seite: „Der Verkaufsflächenrückgang in den Nonfood-Branchen wird auf circa zehn Millionen Quadratmeter in den kommenden zehn Jahren geschätzt.“
Der Trend laut Stumpf geht verstärkt Richtung Mix. Wegfallende Handelsnutzungen wie zum Beispiel die der Kauf- und Warenhäuser werden zunehmend durch andere Nutzungen wie Wohnen, Gesundheitsangebote, Büro, Fitness und Freizeit, Eventlocations oder auch Gesundheitsangebote ersetzt. Bei den Shoppingcentern funktionierten diese Nutzungen bereits in Objekten „unterschiedlichster Baujahre gut“, so der Experte. Damit hier Umnutzungen in größerem Stil angegangen werden können, brauche es bessere Rahmenbedingungen – darunter „planungsrechtlich Erleichterungen wie verkürzte Umplanungs- und Genehmigungszeiten“ sowie „eine reduzierte Regelungsdichte“.
Ein weiterer Trend, der sich klar abzeichnet: „In allen Lagen gilt, dass es deutlich weniger Nachfrage nach Großflächen (> 3.000 Quadratmeter) gibt und Ober- und Untergeschosse an Bedeutung verlieren. In den Top-Lagen lassen sich regelmäßig noch das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss mit Handel bespielen.“ Stumpf schreibt auch: Eine „verhaltene Konsumstimmung aufgrund von Inflation, geopolitischen Spannungen, wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit plus veränderte Kundenerwartungen“ erschwerten die Situation.
Siehe auch: ZIA-EY-Shopping-Center-Studie
Gesundheits- und Sozialimmobilien: Jan Grabow (Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft)
„Pflege- und Versorgungsangebot (Personal und Immobilie) halten nicht mit der wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen Schritt“, so der Kernbefund von Jan Grabow. Es gibt weiter großen Handlungs- und Investitionsbedarf. „Über 50 Prozent der Pflegeimmobilien sind strukturell veraltet und energetisch ineffizient. Damit Gesundheits- und Sozialimmobilien ihre Funktion weiter erfüllen können, muss umfassend saniert und modernisiert werden“, drängt Grabow. Gleichzeitig biete deren energetische Sanierung ein hohes CO2-Einsparpotential. Auch die digitale Transformation erfordere hohe Investitionen. Nach wie vor gibt es einen hohen Bedarf an barrierereduzierten Wohneinheiten. Personalmangel, Investitionshemmnisse und ausufernde Kostensteigerungen sind Grabow zufolge die größten limitierenden Faktoren. Der Experte formuliert in seiner Analyse eine Reihe von Forderungen: Anreize für Neubauprojekte und energetische Sanierung schaffen (insbesondere über bundesländerübergreifende einheitliche Kostenrichtwerte und Nutzungsdauern), nachhaltige Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme sicherstellen, Verschlankung des Ordnungsrechts und der Bürokratie, Baustandards vereinfachen („gut genug“ statt optimal).
Zukunft der Innenstadtentwicklung: Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher (RWTH Aachen)
Als „Patientin“ bezeichnet Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher die Innenstadt. „In Zukunft wird es in den Stadtzentren deutlich weniger Geschäfte geben“, prognostiziert die ‚Immobilienweise‘. Mit Bezug auf den Einzelhandel in den Citys schreibt sie: „Die zunehmende Erwartung der Kunden, dass stationäre Geschäfte ein Onlineangebot anbieten, erfordert ein neues Warenwirtschaftssystem, organisiert als ‚Multichannel‘.“ In „Nutzungsmix“ und der Stärkung „urbaner Resilienz“ sieht sie wichtige Hebel. Vor allem müssen passgenaue Antworten gesucht werden. In maßgeschneiderten, integrierten Konzepten sieht Reicher den Schlüssel, „damit die Innenstadt wieder für alle Beteiligten lebens- und besuchenswert wird“.
Die Attraktivität der Innenstadt hängt maßgeblich von der Qualität des öffentlichen Raums ab. Menschen besuchen die Innenstadt nicht mehr nur zum Einkaufen, sondern suchen Erlebnisorte und soziale Treffpunkte mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Attraktive begrünte öffentliche Räume spielen dabei eine zentrale Rolle und sind ein entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Stadt.
Fazit der Expertin: „Die Patientin Innenstadt hat eine Diagnose erhalten, die den Krankheitszustand zwar bestätigt, aber auch vielversprechende Aussichten auf eine Genesung enthält. Durch mutiges, innovationsoffenes und permanentes Erneuern kann den Innenstädten wieder neues Leben eingehaucht werden.“ Sie setzt auf verstärkte und breitere Zusammenarbeit in den Citys: „Der chirurgische Eingriff erfordert einen engen und verbindlichen Schulterschluss der privaten und öffentlichen Akteure, den Einsatz und die Weiterentwicklung der vorhandenen Instrumente sowie der bau- und planungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Förderprogramme.“
Das vollständige Frühjahrsgutachten 2025 sowie die Zusammenfassung finden Sie unter www.fruehjahrsgutachten.de .
Direktlinks:
- Komplettfassung: https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2025/02/Fruehjahrsgutachten-2025.pdf
- Kurzfassung: https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2025/02/Fruehjahrsgutachten-2025-kurz.pdf
- Kurzfassung (engl.) https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2025/02/Fruehjahrsgutachten-2025-kurz-EN.pdf
Der ZIA Der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) ist der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. Er spricht durch seine Mitglieder, darunter mehr als 30 Verbände, für rund 37.000 Unternehmen der Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Der ZIA gibt der Immobilienwirtschaft in ihrer ganzen Vielfalt eine umfassende und einheitliche Interessenvertretung, die ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft entspricht. Als Unternehmer- und Verbändeverband verleiht er der gesamten Immobilienwirtschaft eine Stimme auf nationaler und europäischer Ebene mit Präsenz in Brüssel, Wien und Zürich – sowie im Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Präsidentin des Verbandes ist Iris Schöberl.
Kontakt: ZIA-Pressestelle Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. Leipziger Platz 9 10117 Berlin Tel.: +4930202158523 E-Mail: presse@zia-deutschland.de Internet: www.zia-deutschland.de
Weiteres Material zum Download Dokument: 250211_PM_ZIA Überg~irtschaft 2025.docx