Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik
100 Jahre gemeinschaftliche Verantwortung
Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) feierte 100 Jahre Engagement für eine qualitätsgesicherte Hilfsmittelversorgung
Dortmund (ots)
Erkrankungen, Kriegsverletzungen oder Unfälle - Millionen von Menschen in Deutschland sind auf eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Hilfsmitteln angewiesen. Dass sie diese erhalten - dafür stehen Orthopädietechniker, Mediziner, Physiotherapeuten sowie Vertreter der deutschen Industrie, der Politik und der Kostenträger in der gemeinsamen Verantwortung. Darin waren sich Gastgeber und Gäste zur Feier des 100-jährigen Bestehens eines deutschlandweiten Verbandes für Orthopädie-Technik am 13. November 2023 in Berlin einig.
"Jeder Mensch in Deutschland hat ein Recht auf eine Regelversorgung und Teilhabe. Damit dieses Recht auch in der Praxis mit Leben gefüllt wird, dafür stehen wir alle hier im Saal gemeinsam in der Verantwortung", erklärte Alf Reuter, Präsident des gastgebenden Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) zu Beginn der Feier. "Wie gut uns die Versorgung der Menschen mit medizinischen Hilfsmitteln gelingt, daran werden wir von der Gesellschaft und jedem einzelnen Patienten gemessen."
Seit der Gründung 1923 stellt sich der Verband des orthopädietechnischen Handwerks der gemeinsamen Verantwortung, streitet für die Rechte der Patienten. Vor 100 Jahren stand die bestmögliche Versorgung von Kriegsversehrten in Zeiten der Hyperinflation im Fokus. Inzwischen liegt der Schwerpunkt auf der Versorgung von Menschen nach Unfällen, Erkrankungen und erneut Kriegsverletzungen. "Im Mittelpunkt der Arbeit eines Orthopädietechnikers stehen immer die Menschen mit ihren jeweils einzigartigen Bedürfnissen, ihrem individuellen Umfeld und ihren Wünschen und Ängsten. Das verleiht unserem Beruf eine besondere Verantwortung - und seinen einzigartigen Reiz. Es ist zweifellos der schönste Beruf der Welt", so der Orthopädietechnik-Meister Alf Reuter.
Recht auf Versorgung mit Hilfsmitteln
Vor allem seien Selbstbestimmung, Mobilität, Lebensqualität und Inklusion keine leeren Worte, so der BIV-OT-Präsident, sondern mit der Unterschrift am 30. März 2007 unter die UN-Behindertenrechtskonvention seit dem 26. März 2009 geltendes Recht. Dieses Recht bestehe auch im Angesicht der globalen politischen Lage mit all ihren Auswirkungen auf Deutschland. "In den aktuellen Zeiten der Krise, internationaler Unsicherheit und knapper Kassen werden die Spielräume enger. Trotzdem bleiben wir alle in der Verantwortung gegenüber den Menschen", betonte Alf Reuter und erklärte: "Das jetzige System ist krachend gescheitert, gemeinsam können wir es besser machen. Deshalb werden wir auch noch weitere 100 Jahre im Ehrenamt für die Interessen und Rechte unserer Patienten lauthals streiten. Das gehört zu unserer Rolle als bundesweiter Verband und zu meiner als Präsident. Wir sind in den 100 Jahren nicht gealtert, nur besser geworden." Aktuell setzt sich der BIV-OT für eine nachhaltige Reform der Hilfsmittelversorgung in Deutschland ein. Diese sieht im Kern weniger Bürokratie und mehr Transparenz, mehr Qualität und weniger Ökonomie, Leitverträge statt Ausschreibungen vor.
Ethische Prinzipien beachten
Im Unterschied zum Gründungsjahr 1923 gebe es aktuell wohl kaum einen Menschen in Deutschland, der noch nicht mit Hilfsmitteln in Berührung gekommen sei. Diese These stellte Andreas Brandhorst, Referatsleiter 227 - Vertragszahnärztliche Versorgung, Heilmittelversorgung, Hilfsmittelversorgung, Rettungsdienst im Bundesministerium für Gesundheit, in seiner Rede auf. Der demographische Wandel, eine steigende Zahl an chronisch Erkrankten und ein wachsender Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe werden die Anzahl der Hilfsmittelversorgungen von jetzt 30 Millionen pro Jahr noch weiter ansteigen lassen, betonte Brandhorst. "Im Gegenzug wird die Anzahl der Beitragszahler nicht ansteigen", so der Referatsleiter. "Wir werden ein dickes Brett bohren müssen, um diese Herausforderung gemeinsam zu meistern und dabei gilt es, nicht nur auf die Ökonomie zu achten, sondern ethische Prinzipien zu beachten. Dafür benötigen wir Akteure, die jenseits ihrer eigenen Interessen das Gemeinwohl im Blick haben. Als einen solchen Akteur habe ich den BIV-OT kennen und schätzen gelernt."
Es liegt an uns allen
Gernot Kiefer, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender GKV-Spitzenverband, ging in seiner Rede auf eine Parallele zwischen den Jahren 1923 und 2023 ein: "Zum Glück gibt es heute keine Hyperinflation wie 1923, aber die letzten Jahre waren dennoch von einer massiven Inflation geprägt. Unser gemeinsames System gibt bisher keine Antwort auf die Herausforderungen der unkalkulierbaren Preissteigerungen. Diese Herausforderungen bieten uns beidseitig die Chance, besser zu werden. Es liegt an uns allen, das hinzubekommen." Auch vor diesem Hintergrund sei die Gründung einer bundesweiten Interessenvertretung des orthopädietechnischen Handwerks 1923 ein notwendiger und erfolgreicher Schritt gewesen. "Denn es ist offensichtlich, dass es zur erfolgreichen Zukunftsgestaltung eine faire Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen braucht. Wir benötigen eine pluralistische Struktur, bei der alle Gesundheitsberufe und Gesundheitshandwerke die Versorgung mitgestalten", erläuterte Kiefer.
Konservative Orthopädie stärken
Im Namen mehrerer Fachgesellschaften - der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung (DGIHV), der Vereinigung Technische Orthopädie (VTO) und der Initiative `93 Technische Orthopädie - beglückwünschte Prof. Dr. med. oec. Bernd Greitemann, Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland am RehaKlinikum Bad Rothenfelde, den BIV-OT zum Jubiläum. "Aktuell vernachlässigen wir in der Facharztausbildung die konservative Orthopädie", bedauerte Prof. Greitemann mit Blick auf die hohen Operationszahlen im Bereich der Orthopädie in Deutschland. Das müsse sich dringend ändern. "Wir als Mediziner sind heilfroh, dass es die Orthopädie-Technik gibt. Wir brauchen diese dringend", so der Ärztliche Direktor. "Trotz der derzeitigen Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden, sage ich dem Handwerk eine boomende Zukunft voraus."
Zurück in die Zukunft
Einen Sprung in die Vergangenheit wagte Klaus Dittmer, Orthopädietechnik-Meister in Berlin und leidenschaftlicher Sammler orthopädietechnischer Hilfsmittel. Er gab vor den knapp 200 geladenen Gästen einen kurzweiligen Abriss zur 100-jährigen Verbandsgeschichte und schloss mit einem Appell: "Meinen jungen Kollegen möchte ich zurufen: Schauen Sie nicht nur auf den Bildschirm! Das Resultat einer zufriedenstellenden Versorgung sehen Sie im Gesicht des Patienten!" 1923-2023: Im Zeitraffer Der erste große Erfolg des Verbandes war die "Reichspreisliste für orthopädische Hilfsmittel". Sie wurde 1936 zwischen dem preußischen Arbeitsministerium und dem 1935 in den Reichsinnungsverband des Bandagisten- und Orthopädie-Mechaniker-Handwerks umbenannten Verband vereinbart. 1942 entstand das erste umfassende Lehrbuch des orthopädietechnischen Handwerks aus der Feder von Walter-Hermann Pfau, Orthopädiemechaniker-Meister und von 1923 bis 1937 erster Obermeister. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in den beiden deutschen Staaten unterschiedliche Organisationsformen. In der BRD vertrat ab 1946 der "Zentralinnungsverband für Orthopädietechnik" die Interessen des Handwerks, der 1954 in Bundesinnungsverband umbenannt wurde. In der DDR hingegen war das orthopädietechnische Handwerk der "Arbeitsgemeinschaft für Orthopädiemechaniker und Bandagisten" der "Deutschen Gesellschaft für Klinische Medizin und ihrer Gesellschaft für Orthopädie der DDR" angegliedert. Trotz der Unterschiede fand ein regelmäßiger Fachaustausch zwischen Orthopädietechnikern aus der BRD und der DDR statt, dabei spielten die Innungen in West- und Ostberlin eine Schlüsselrolle. Nach 1989 gelang die Vereinigung der orthopädietechnischen Betriebe aus Ost und West, Nord und Süd unter dem Dach des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik. Die 1953 in Frankfurt am Main gegründete Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (BUFA) wurde nach der Wiedervereinigung 1990 die zentrale Ausbildungsstätte. Sie gilt als eine der international renommiertesten Bildungseinrichtungen des Fachs. Die hohe Fachkompetenz und Innovationskraft von Handwerk und Industrie im Bereich der Orthopädietechnik sorgte für immer mehr internationale Aufmerksamkeit. So wurde aus dem jährlichen Jahreskongress des BIV-OT ab 1976 ein alle drei Jahre stattfindender internationaler Kongress, der schließlich seit 2002 alle zwei Jahre am festen Standort Leipzig als Weltkongress und Weltleitmesse OTWorldExperten aus knapp 100 Ländern anzieht. Der BIV-OT heute Der BIV-OT vertritt als Spitzenverband aktuell mehr als 4.500 Sanitätshäuser und orthopädie-technische Werkstätten mit über 48.000 Beschäftigten, die mehr als 25 Millionen Hilfsmittelversorgungen in Deutschland pro Jahr in mehr als 30 Bereichen verantworten. Damit vertritt der Verband bundesweit Leistungserbringer, die dauerhaft den höchsten Anforderungen an eine wohnortnahe und flächendeckende Patientenversorgung entsprechen und als Innovationstreiber im deutschen Gesundheitsmarkt wirken. In Kooperation mit Politik und Kostenträgern setzt sich der BIV-OT für die interdisziplinäre, qualitätsgesicherte und wohnortnahe Hilfsmittelversorgung der Patienten in Deutschland ein. Weitere Informationen zum BIV-OT und seiner Geschichte finden Sie hier. Die Broschüre zu "100 Jahre Hilfe für Menschen - Vom Reichs- zum Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik" finden Sie hier zum Download.
Pressekontakt:
Kirsten Abel
Pressesprecherin des Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik
Reinoldistr. 7 -9, 44135 Dortmund
Telefon: 01715608125
E-Mail: kommunikation@biv-ot.org
Original-Content von: Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik, übermittelt durch news aktuell