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EZB-Direktorin Schnabel: Zölle Gefahr für Inflation und Wohlstand – Handelskonflikt „sehr wahrscheinlich”

Interview

EZB-Direktorin Schnabel: Zölle Gefahr für Inflation und Wohlstand – Handelskonflikt „sehr wahrscheinlich”

Frankfurt/München, 19.01.2025 – Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), warnt im Gespräch mit Finanztip vor den negativen Folgen eines drohenden Handelskonflikts mit den USA. Zölle hätten in der Kommunikation von Donald Trump, der am kommenden Montag zum Präsidenten ernannt wird, „eine herausragende Rolle gespielt. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem Handelskonflikt kommt.“ Ihr Inflationsziel von zwei Prozent will die EZB in diesem Jahr trotz der hohen Unsicherheit dennoch erreichen. Gleichzeitig sieht Schnabel große Aufgaben für die neue Bundesregierung – unter anderem das Lösen einer Strukturkrise in Deutschland. Auch zur Zuwanderung äußerte sich Schnabel.

Grundsätzlich führten Zölle, so Schnabel im Gespräch mit Deutschlands führendem Geldratgeber, zu globalen Wohlfahrtsverlusten. Die Globalisierung hätte Europa große Wohlstandsgewinne gebracht. „Vielleicht müssen wir uns jetzt darauf einstellen, dass zumindest ein Teil davon sich wieder umkehrt”, so Schnabel. In der Eurozone könnten Zölle zu höheren Preisen führen, vor allem wenn Europa mit Vergeltungszöllen reagiert. „Das führt dann dazu, dass die Importpreise ansteigen.“ Derzeit gebe es noch wenig Informationen. Daher sei die Unsicherheit aktuell sehr groß, dies sei „Gift für die Konjunktur“. Die Unsicherheit dämpfe den privaten Konsum und Investitionen.

EZB-Direktorin selbstkritis ch: „Man hätte die Leitzinsen früher erhöhen können”

Ungeachtet dessen ist die EZB optimistisch, ihr Inflationsziel von zwei Prozent in diesem Jahr zu erreichen, so Schnabel – obwohl die Inflation in Deutschland zuletzt etwas höher ausgefallen war als von vielen Beobachtern erwartet. Auch im Januar könnte die Inflation wegen der gestiegenen CO2-Preise hoch bleiben, so Schnabel. Die EZB sei aber für den Euroraum als Ganzes zuständig. Dort habe die Inflation im Dezember mit 2,4 Prozent im Rahmen der Erwartungen gelegen.

Mit Blick auf die großen Preissteigerungen der Jahre 2022 und 2023, die größten seit der Wiedervereinigung, gab sich die EZB-Direktorin selbstkritisch. „Die extrem hohe Inflation der vergangenen Jahre war für viele Menschen sehr schwierig. Wir haben relativ lange gebraucht, um darauf zu reagieren.“ Schnabel räumte gegenüber Finanztip ein: „Man hätte die Leitzinsen früher erhöhen können.“ Gleichzeitig hätten sich aber auch die Inflationserwartungen schnell normalisiert. „Das zeigt, dass die Menschen uns vertraut haben, dass die EZB alles tun wird, um die Inflation wieder nach unten zu bringen.“

Schnabel: Strukturkrise als wichtigste Aufgabe für neue Bundesregierung

Für die neue Bundesregierung sieht die EZB-Direktorin drei große Herausforderungen. Deutschland und Europa steckten nicht allein in einer konjunkturellen Schwächephase, „sondern wir befinden uns in einer Strukturkrise, die nicht von alleine verschwindet. Sich dieser Strukturkrise anzunehmen, wird die wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung.” Dazu gehörten eine Stärkung der Innovationsfähigkeit, Investitionen in Bildung und Forschung, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, der Abbau von Bürokratie und die Vertiefung der Finanzmärkte – insbesondere für Risikokapital. „Auch die Stärkung des europäischen Binnenmarkts mit mehr Wettbewerb über die Grenzen hinweg sollte im Fokus stehen.“

Um es klar zu sagen: Wir können nicht auf ausländische Arbeitskräfte verzichten”

Als weitere große Aufgaben nannte Schnabel die grüne Transformation als Wachstumsmotor zu begreifen und dem Problem der Arbeitskräfteknappheit aufgrund der „sehr schwierigen demographischen Situation“ zu begegnen. Gleichzeitig wollten viele Menschen weniger arbeiten und es sei unwahrscheinlich, dass diese Lücke ohne Migration vollständig geschlossen werden könne. „Um es klar zu sagen: Wir können nicht auf ausländische Arbeitskräfte verzichten.“ Es ginge aber auch darum, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen und stärker in Bildung zu investieren.

Dazu kämen dringend notwendige Verteidigungsausgaben. Angesichts der finanziellen Anforderungen an den Staat werde sich die nächste Bundesregierung auch mit der Frage beschäftigen müssen, wie man jetzt diese wesentlichen Zukunftsinvestitionen tätigen kann, ohne gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit in Frage zu stellen.

Dennoch bleibt die EZB optimistisch: „Aktuell sehen wir keine größeren Risiken, die uns daran hindern könnten, unser Ziel von zwei Prozent zu erreichen. Wenn zusätzlich die dringend erforderlichen Strukturreformen angegangen werden, gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, pessimistisch zu sein.“

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