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dpa-Faktencheck

Angebliches Merkel-Gedicht in «Frösi» von Satire-Magazin erfunden

Berlin (ots)

So wird aus Satire mit der Zeit eine vermeintliche Wahrheit: Seit Jahren geistert im Netz ein sozialistisches Lobgedicht herum, das Bundeskanzlerin Angela Merkel als Teenager in einer DDR-Jugendzeitschrift geschrieben haben soll. In den Versen prophezeit die angebliche Verfasserin, einmal Regierungschefin der Bundesrepublik werden zu wollen, um das Land in den Bankrott zu treiben.

BEWERTUNG: Das alles ist erfunden - und zwar vor Jahren von der Satire-Zeitschrift «Eulenspiegel».

FAKTEN: «Revolution von oben» heißt das sozialistische Gedicht, das Angela Merkel als Mädchen geschrieben haben soll - vermeintlich entdeckt in einer Ausgabe der DDR-Kinderzeitung «Frösi». Zuweilen heißt es, die Verse seien in der September-Ausgabe von 1967 erschienen (http://dpaq.de/Gx3TA), an anderer Stelle wird wiederum das Titelbild der Oktober-Ausgabe im Zusammenhang mit dem Gedicht gezeigt (http://dpaq.de/jKWJt).

Damit wird unterstellt, der Aufstieg zur Kanzlerin der Bundesrepublik sei ein lange gehegter Plan der damals 13-Jährigen gewesen, um in Westdeutschland den Sozialismus einzuführen. Die dritte Strophe lautet etwa: «Ich werd Chef der BRD, / der Klassenfeind wird's hassen! / und folg' dem Plan der SED, / sie pleitegeh'n zu lassen!»

Wiederentdeckt haben soll das Gedicht ein gewisser «P. Miehlke» in der Zeitschrift «Eulenspiegel» vom April 2012. Beim «Eulenspiegel» handelt es sich um ein Satire-Magazin.

Die gedruckten Ausgaben sowohl der «Frösi» (http://dpaq.de/ms5Hu) als auch des «Eulenspiegel» (http://dpaq.de/OxHoW) sind in mehreren deutschen Bibliotheken archiviert. In zwei Berliner Büchereien hat die Deutsche Presse-Agentur nach Nachweisen für das Gedicht gesucht.

In den «Frösi»-Ausgaben von September und Oktober 1967 ist das Gedicht nicht zu finden - und auch sonst kein Beitrag unter dem Namen Angela Kasner. So hieß die heutige Kanzlerin als Kind. Erst seit 1977 lautet ihr Nachname Merkel.

In der April-Ausgabe des «Eulenspiegel» von 2012 ist das Gedicht tatsächlich auf Seite 95 abgedruckt unter der Rubrik «Pubertätslyrik der Promis» - auch mit der angeblichen Quelle: «Frösi, September 1967». Als wirklicher Autor ist unter dem Witz-Gedicht Michael Kaiser angegeben, der auch heute noch für das Satire-Magazin schreibt.

Besonders perfide in der Sache ging die Verschwörungstheorie-Seite «Klagemauer TV» vor: In ihrem fast fünfminütigem Videobeitrag wollte die Internetseite in dem Gedicht einen «Verschwörungsplan» Merkels entdeckt haben (http://dpaq.de/jKWJt).

Als sich die Verse als Fake herausstellten, behaupteten die Macher in einem weiteren Beitrag (http://dpaq.de/PhaiC#t=55s), ihnen seien von «feindlich gesinnten Kräften» Falschberichte untergeschoben worden. Allerdings hätten «wochenlange Untersuchungen unseres Rechtsdienstes» weiterhin «keine eindeutigen Gegenbeweise» geliefert, dass das Gedicht nicht echt sei. Es heißt, die betroffene «Frösi»-Ausgabe sei «unauffindbar». Es handele sich um «Spurenverwischung».

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Links:

Titelseiten der «Frösi»-Ausgaben von 1967: http://www.ddr-comics.de/froesi67.htm

Bibliotheken mit «Frösi» im Bestand: https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=013734903

Bibliotheken mit «Eulenspiegel» im Bestand: https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=012785105

Facebook-Post mit falschem Merkel-Gedicht: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=157653252277142&set=a.146449876730813 (archiviert: http://dpaq.de/mETBY)

«Klagemauer TV»-Beitrag über Merkel-Gedicht: https://www.youtube.com/watch?v=8VWHJBjekik

«Klagemauer TV»-Beitrag über angebliche «Spurenverwischung» (Gedicht ab 0:55 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=D5g8XlMYiUM#t=55s

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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