Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnik: Bleibt Bundeskanzler Scholz bei seiner kritischen Haltung?
Berlin (ots)
Als Kanzlerkandidat hat sich Olaf Scholz im Juni 2021 eindeutig für eine strikte Regulierung der neuen Gentechnik (NGT) ausgesprochen. In Anbetracht der heutigen Entscheidung der EU-Kommission, die geltenden Vorschriften weitgehend auszusetzen, fordert die Aurelia Stiftung ihn nun auf, seinem Versprechen nachzukommen und sich für die Einhaltung des Vorsorgeprinzips, die strikte Regulierung sowie eine verpflichtende Technikfolgenabschätzung neuer Gentechniken einzusetzen.
Mit dem heute vorgestellten Verordnungsentwurf zur Pflanzenzucht mit neuen molekulargenetischen Werkzeugen und deren Anbau im Freiland will die EU-Kommission die geltenden Vorschriften zur Risikoprüfung und Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Organismen weitestgehend aussetzen. Aus Sicht der Aurelia Stiftung verlangt diese Entscheidung nun eine klare Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Im Juni 2021, vor der Bundestagswahl, hatten sowohl Olaf Scholz als auch Anna-Lena Baerbock in Briefen, die unter anderem an die Aurelia Stiftung adressiert waren, eindeutig Position für die Einhaltung des europäischen Vorsorgeprinzips und die strikte Regulierung der "Neuen Gentechniken" bezogen.
Olaf Scholz hatte ausdrücklich festgestellt:
"Auch für die neuen Gentechniken muss das Vorsorgeprinzip uneingeschränkt gelten. Risikoüberprüfung und Kennzeichnungspflicht müssen Sicherheit, Wahlfreiheit und Transparenz für die Verbraucher*innen, Lebensmittelherstellung und Umwelt gewährleisten. Deshalb werde ich mich auch weiterhin auf allen Ebenen für eine strikte Regulierung der neuen Gentechniken einsetzen."
In den vergangenen zwei Jahren hat es keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse gegeben, die eine Änderung von Herrn Scholz' Position begründen könnten. Laut jüngsten Publikationen könnte der Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas bei Pflanzen tiefgreifende Störungen des Genoms auslösen. Bei dem als "Chromothripsis" bekannten Phänomen könnten sich Hunderte von genetischen Veränderungen gleichzeitig ereignen. Nebenwirkungen ("trade-offs") von CRISPR/Cas können nur durch qualifizierte Zulassungsprüfungen und verpflichtende Technikfolgen-Abschätzung erkannt und verhindert werden. Mit neuer Gentechnik veränderte Organismen könnten längerfristig zu einer weiteren Destabilisierung der Ökosysteme führen. Bereits heute sind in Deutschland die Hälfte der mindestens 565 Wildbienenarten und in der EU ein Drittel der bestäubenden Insekten vom Aussterben bedroht.
Aus Sicht der Aurelia Stiftung werden weder die durch industrielle Agrarproduktion verursachten Schäden am Ökosystem noch der weltweite Hunger durch weitgehend unregulierte Anwendungen einzelner Technologien zu beseitigen sein. Deshalb fordert die Aurelia Stiftung den Bundeskanzler auf, jetzt Wort zu halten!
Matthias Wolfschmidt, Vorstand der Aurelia Stiftung, sagt:
"Ob der mit der Genschere CRISPR/Cas mögliche tiefe Eingriff in unsere Lebensgrundlagen der Allgemeinheit und dem Ökosystem nutzt, hängt entscheidend von kluger Regulierung und einer verpflichtenden Technikfolgen-Abschätzung ab. Bundeskanzler Scholz hat sich vor zwei Jahren verpflichtet, sich für das europäische Vorsorgeprinzip und die strikte Regulierung von neuen Gentechniken 'auf allen Ebenen' einzusetzen. Herr Scholz hat das Amt und den Einfluss, dies jetzt zu tun."
Weitere Informationen
Brief von Kanzlerkandidat Olaf Scholz / Juni 2021:
Brief von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock / Juni 2021:
EU-Verordnungsentwurf zur Pflanzenzucht mit NGT / 05.07.2023:
https://food.ec.europa.eu/system/files/2023-07/gmo_biotech_ngt_proposal.pdf
Bericht zu den Gefahren von CRISPR/Cas für das Erbgut in Pflanzen:
https://www.testbiotech.org/sites/default/files/CRISPRthrispis%20bei%20Pflanzen.pdf
Studie zu den Gefahren von CRISPR/Cas für das Erbgut in Pflanzen:
Samach A., Mafessoni F., Gross O., (et.al.): A CRISPR-induced DNA break can trigger
crossover, chromosomal loss and chromothripsis-like rearrangements. bioRxiv.
https://doi.org/10.1101/2023.05.22.541757
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Matthias Wolfschmidt (Vorstand der Aurelia Stiftung): matthias.wolfschmidt@aurelia-stiftung.de
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