Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.
Hamburger Wohnungswirtschaft lehnt ein Vorziehen von Klimaneutralität ab
24/2025
Hamburgs SPD und Grüne verhandeln derzeit über eine Neuauflage der Rathauskoalition. Kern der Verhandlungen dürften Maßnahmen sein, die eine Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase betreffen. Dazu hat Hamburgs Wohnungswirtschaft - BFW Landesverband Nord, Grundeigentümerverband Hamburg, Immobilienverband Deutschland IVD, Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) - nachfolgende Erklärung verabschiedet.
Hamburg. Die Wohnungswirtschaft lehnt ein in Teilen der Hamburger Politik favorisiertes Vorziehen der Klimaneutralität Hamburgs um fünf Jahre auf 2040 ab. Aus unserer Sicht wird dieser Schritt unbezahlbare Kosten verursachen. Dieser wird am Ende zu deutlich höheren Mieten führen, dem Klimaschutz aber nicht wirklich dienen.
Um den Gebäudebestand der Hansestadt klimaneutral zu machen, müssen wissenschaftlichen Studien zufolge mindestens 40 Milliarden Euro investiert werden. Bei rund 900.000 Wohnungen bedeutet das im Durchschnitt eine Investition von rund 45.000 Euro pro Wohnung.
Operation am „offenen Herzen“
Diese Investitionen werden schon bis zum Jahr 2045 ohne massive öffentliche Förderung nicht umsetzbar sein. Wenn jetzt ohne Not der Zeitraum bis zum Erreichen von Klimaneutralität um fünf Jahre verkürzt wird, ist das in einer Metropolregion wie Hamburg eine „Operation am offenen Herzen“. Niemand kann heute sagen, ob diese funktionieren wird.
Vor allem aber wird ein Vorziehen teuer. Wir fordern deshalb, den Mieterinnen und Mietern ehrlich zu sagen, was das am Ende kosten wird. Wir erwarten von allen, die für ein Vorziehen von Klimaneutralität plädieren, eine belastbare und nachvollziehbare Berechnung, wie sich das auf die Wohnkosten auswirken wird.
In diesem Zusammenhang bedauern wir, dass die Handelskammer Hamburg unlängst in ihrem Standpunktpapier „HAMBURG 2040 - HAMBURG NET ZERO - Auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit stärken“ für das Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 plädiert.
Pragmatische Sicht gewinnt an Boden
Wir erkennen an, dass es in der Landes- und Bundespolitik inzwischen mehr Pragmatismus und Ergebnisorientierung beim Klimaschutz gibt. So teilen mehr und mehr Politikerinnen und Politiker unsere Sicht, wonach im Bereich Wohnen die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung der entscheidende Hebel für die Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Emissionen ist. Diese muss Vorrang vor einer energetischen Sanierung von Gebäuden haben.
Wir verweisen insbesondere auf die Ergebnisse der sechs wissenschaftlichen Gutachten zur Dekarbonisierung des Hamburger Wohnungsbestandes, die der Senat in der vergangenen Legislaturperiode in Auftrag gegeben hatte. Damit gibt es eine wissenschaftliche Grundlage, den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen zu reduzieren, die valide und pragmatisch ist sowie die Mieterinnen und Mieter nicht überfordert.
Volksentscheid im Oktober
In der aktuellen Debatte wird von einigen Politikerinnen und Politikern der Eindruck erweckt, wonach Klimaneutralität bis 2040 machbar ist, wenn sich nur alle richtig anstrengen. Das sehen wir nicht so. Wir sagen es deutlich: Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 ist nicht erreichbar. Selbst 2045 ist schon ambitioniert. Es fehlt an Geld, an Fachkräften, an Zeit.
Eine klare Positionierung von SPD und Grünen ist auch deshalb unverzichtbar, weil die Hamburgerinnen und Hamburger im Oktober in einem Volksentscheid über das Vorziehen der Klimaneutralität entscheiden werden. Wir fürchten, dass in der öffentlichen Debatte der Eindruck erweckt wird, verschärfter Klimaschutz wird die Bürgerinnen und Bürger nichts kosten. Wir aber fragen: Wer soll das bezahlen?
Ein erfolgreicher Volksentscheid hätte zudem weitreichende Folgen für die Gesetzgebung. Werden Klimaschutzziele in Gesetzestexten verbindlich verankert, wird es auch Organisationen geben, die auf deren Einhaltung klagen. Das wird massive Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit des Wohnens haben, weil Dinge umgesetzt werden müssen, die ineffizient und teuer sind.
Handlungsspielraum der Politik wird stark eingeschränkt
Zudem würde der Handlungsspielraum der Politik erheblich eingeschränkt, sollte das Vorziehen der Klimaneutralität auf das Jahr 2040 Gesetz werden. Alle künftigen Haushalte des Hamburger Senats müssten sich diesem Ziel unterordnen. So müssen auch alle öffentlichen Gebäude klimaneutral gemacht werden. Für eine soziale Stadtentwicklung bleibt dann schlicht kein Geld mehr übrig.
In Hamburg sollen in den kommenden Jahrzehnten mehrere große Wohnungsbauprojekte umgesetzt werden - in Wilhelmsburg, Oberbillwerder und im Westen der Stadt. Schon jetzt leiden Wohnungsbauprojekte unter hohen Kosten. Wenn in Teilen unerreichbare Klimaschutzziele in Gesetzen verankert werden, macht dies das Bauen noch teurer - und damit schwieriger.
Klimaschutz braucht Augenmaß
Klimaschutz braucht Augenmaß und Pragmatismus. Während Europa im Jahr 2050 klimaneutral sein möchte, will Deutschland das 2045 erreichen. Warum sollte Hamburg ohne triftigen Grund mit dem Jahr 2040 vorpreschen? Dieses „immer weiter und immer höher“ hat sich längst von der Realität abgekoppelt, legt dem Wohnungsbau aber Fesseln an.
Wir müssen uns an dem Machbaren orientieren.
Pragmatismus muss Vorrang vor Ideologie haben.
2025-04-07
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) vertritt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt 457 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften. In den von ihnen verwalteten 775.000 Wohnungen leben rund 1,5 Millionen Menschen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter liegt bei den VNW-Unternehmen bei 6,59 Euro. Der VNW ist der Verband der Vermieter mit Werten.
V.i.S.P.: Oliver Schirg, Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Referat Kommunikation, Telefon: +49 40 52011 226, Mobil: +49 151 6450 2897, Mail: schirg@vnw.de