World Insurance Report 2020: Verbraucherverhalten ändert sich schnell zugunsten digitaler Versicherungsanbieter
Berlin (ots)
- Versicherungskunden verzichten zunehmend auf Vermittler und sind bereit mit neuen Marktteilnehmern zusammenzuarbeiten.
- Deutsche Versicherte sind dabei konservativer als der weltweite Durchschnitt.
- Etablierte Versicherer brauchen Ökosystem-Partner, um angesichts von BigTech-Neulingen Marktanteile zu behalten.
Der heute veröffentlichte World Insurance Report 2020 von Capgemini und Efma zeigt, dass Verbraucher aller Altersgruppen ein "Millennial Mindset" entwickeln: Sie vertrauen zunehmend ihrer eigenen Recherche über digitale Kanäle, um an Informationen zu kommen und Versicherungsprodukte zu kaufen. Verbraucher wenden sich an nicht-traditionelle Akteure wie BigTechs[1] und Produkthersteller, um innovative, personalisierte Angebote mit einem gesteigerten Kundenerlebnis (CX) zu bekommen. Die COVID-19-Pandemie beschleunigt diese Entwicklungen.
"Millennial Mindset" setzt sich in allen Altersgruppen durch
Digital-Orientierung ist nicht länger eine Frage des Alters. Für diejenigen, die Zugang zum Internet und zu sozialen Medien haben, sind die Online-Recherche und der direkte Versicherungsabschluss online über alle Generationen hinweg zur Normalität geworden. Die Studie von Capgemini zeigt, dass sich der Kundenanteil aus der Generation X und älter[2], die täglich online bzw. mobil Transaktionen wie Einkäufe oder Überweiseungen tätigen, international verdoppelt hat. Von 30 Prozent der Befragten der Generation X und älter im Jahr 2018 ist er auf 64 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. In Deutschland hat dieser Anteil sich im selben Zeitraum auf niedrigerem Niveau fast verdreifacht - von 18 auf jetzt 53 Prozent. Die Einschränkungen aufgrund von COVID-19 werden diesen Trend noch verstärken, da Verbraucher gezwungen sind, für Alltags-Transaktionen digitale Kanäle zu nutzen - unabhängig von ihrem Alter oder technischem Know-how.
Neue Vertrauensverteilung im Versicherungswesen
Der World Insurance Report 2020 gruppiert die Versicherungskunden nach ihren sozialen Verhaltensweisen und ihren Einkaufsvorlieben in vier Kategorien: Pioniere[3], Neugierige[4], Experimentierfreudige[5] und Nachzügler[6]. Die Kunden informieren sich vor Kaufentscheidungen über mehrere Kanäle: In variierendem Maße vertrauen sie auf Online-Recherche inklusive Bewertungen, auf Erfahrungsberichte von Familie und Freunden sowie Makler- und Agentenratschläge. Sie fühlen sich fähig, Kaufentscheidungen eigenständig zu treffen. Potenzielle Kunden wünschen sich Nutzerfreundlichkeit, und nicht-traditionelle Firmen wie digital-agile BigTechs oder Produkthersteller bieten ein unübertroffenes Kundenerlebnis. Dies verlockt immer mehr Kunden dazu, neue Anbieter auszuprobieren. Der Appetit auf eine BigTech-Versicherung wächst international rapide: Während nur 17 Prozent der Befragten des World Insurance Reports 2016 angaben, dass sie den Abschluss einer Versicherung bei einem BigTech in Erwägung ziehen würden, hat sich die Zahl bis 2020 mehr als verdoppelt (auf 36 Prozent). Deutsche Versicherungskunden sind hierbei deutlich zurückhaltender: Von lediglich 7 Prozent im Jahr 2016 hat sich der Anteil der an einer BigTech-Versicherung Interessierten bis zum Jahr 2018 auf 21 Prozent verdreifacht und stagniert seitdem.
Starke Personalisierung entscheidend
Die Studienautoren empfehlen den Versicherern, um für Kunden relevant zu bleiben, besser auf ihre Versicherungsnehmer einzugehen, indem sie ihnen ein stark personalisiertes und erfahrungsorientiertes Portfolio bieten. Anders ausgedrückt: Versicherer müssen ihnen die richtigen Produkte zur richtigen Zeit über die richtigen Kanäle anbieten. Da sich die Präferenzen der Kunden schneller verändern als je zuvor, ist auch eine kontinuierliche Neubewertung anhand von Echtzeit-Daten dringend erforderlich. Nur so können die Kundenerlebnisse mit den Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher Schritt halten.
"Das heutige wettbewerbsorientierte und sich schnell verändernde Umfeld hat sich durch COVID-19 unumkehrbar fortentwickelt. Die generationsübergreifende Digital-Orientierung und die beispiellosen Auswirkungen der Pandemie zwingen etablierte Versicherer ihre Betriebsmodelle zu transformieren", sagt Dr. Joachim Rawolle, Head of Business Technology Solutions für Versicherungen bei Capgemini. "Am Ende geht es darum, der Versicherer zu sein, der die stark personalisierten Kundenerlebnisse bietet, um mit den BigTechs konkurrieren zu können. Versicherer müssen den Verbrauchern Gründe bieten, damit sie sich von neuen digitalen Versicherungsanbietern nicht abwerben lassen. Neben Zuverlässigkeit kann Individualisierung der entscheidende Grund sein."
Ökosysteme bieten Versicherern wichtige Daten für den Vertrieb
Die Verbraucher suchen nach Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit, wenn sie sich Versicherungsanbieter genauer ansehen. So wünschen sich beispielsweise mehr als 50 Prozent der Kunden international und 47 Prozent der deutschen eine nutzungsbasierte Versicherung, weil sie stark personalisiert ist und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Aber nur die Hälfte der Versicherer weltweit bietet diese Option an. Unter den Versicherern in Deutschland sind es bereits 65 Prozent. Obwohl traditionelle Versicherer verstehen, wie wichtig es ist, zum richtigen Zeitpunkt mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten, handeln sie nicht danach. Manchmal fehlt es ihnen an den richtigen Tools und Techniken, um vorherzusagen, wann sie geeignete Produkte auf den Markt bringen müssen, was ihre Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt zu handeln, einschränkt: Nur 35 Prozent der Versicherer international und 25 Prozent der deutschen stellen ihren Vermittlern digitale Werkzeuge zur Verfügung, mit deren Hilfe sie die Lebensereignisse der Versicherungsnehmer - wie Heirat, ein neues Kind oder einen Hauskauf herausfinden können. Tatsächlich sagt nur ein Viertel der Versicherer, dass die Einbeziehung externer Daten nützlich ist.
Daten der Versicherungsnehmer lassen sich - im Rahmen der Datenschutzverordnungen - aus einer Vielzahl von Quellen aufnehmen. Wenn die Versicherer an offenen API-Ökosystemen teilnehmen, können sie leichter antizipieren, wann Verbraucher ein neues Produkt benötigen, so die Anregung der Studienautoren.
Während sich die Kunden an Vergleichsportale und an die Webseiten der Unternehmen wenden, um Informationen über Policen zu sammeln, glauben nicht einmal 30 Prozent der Versicherer, dass ihre Webseiten nützlich sind, um Informationen über Policen zur Verfügung zu stellen. Nur 37 Prozent sagen, dass Vergleichsportale zur Aufklärung der Kunden beitragen. Unter den deutschen Versicherern glauben das dagegen 71 Prozent. Die Versicherer sollten in Online-Kanäle investieren - gerade auch in eigene, bei denen die Kunden Entscheidungen mit einem Mausklick treffen können. Ohne eine nahtlose Omnichannel-Vernetzung drohen traditionelle Versicherer den Kürzeren zu ziehen: 75 Prozent der Kunden würden den Anbieter wechseln, wenn ein nahtloser Policenservice nicht über alle Kanäle verfügbar wäre.
Innovation für etablierte Versicherer überlebenswichtig
Die Versicherer müssen schnell von Einheitsprodukten zu einem Angebot finden, das den spezifischen und individuellen Präferenzen der Versicherungsnehmer gerecht wird. Während BigTechs Echtzeitdaten mit Hilfe von Sprachassistenten, Wearables und anderen IoT-Geräten sowie interaktiven Chat-Bots erfassen, nehmen nur 38 Prozent der Versicherer international und 41 Prozent der deutschen Daten aus Echtzeit-IoT-Geräten auf. 33 Prozent weltweit erfassen Daten aus Unterstützungssystemen, die auf der Verarbeitung natürlicher Sprache basieren (z.B. Chat-Bots). In Deutschland tun dies nur 19 Prozent der Versicherer.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in dieser neuen Versicherungslandschaft "Inventive Insurers" die erfolgreichen sein werden: etablierte Versicherer, die die Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden verstehen und verfügbare Ökosystemdaten nutzen, um personalisierte und Zeitpunkt-sensitive Produkte anzubieten.
"Strategisch geschickte Spitzenversicherer intensivieren ihre Zusammenarbeit mit ausgereiften InsurTech-Unternehmen, um innovative Lösungen zu entwickeln. Denn das Kundenerlebnis wird mehr denn je das Alleinstellungsmerkmal derjenigen sein, die in Zukunft erfolgreich sind", sagt John Berry, CEO von Efma.
[1] BigTechs sind große, multinationale Technologiefirmen wie Google, Amazon, Facebook, Apple, Alibaba usw.
[2] Gen X und ältere Kunden sind Kunden, die im Jahr 1980 oder früher geboren worden sind.
[3] Pioniere suchen aktiv in Online-Bewertungen nach Informationen und konsultieren ihre Freunde bzw. Familie, bevor sie ein Produkt kaufen. Sie begrüßen neue Versicherungsangebote und sind bereit, für einen ausgezeichneten Service nach dem Kauf mehr zu zahlen.
[4] Neugierige Kunden sind versiert mit sozialen Medien und recherchieren Online-Bewertungen. Sie sind allerdings nur dann bereit, neue Produkte und zusätzliche Dienstleistungen zu einem höheren Preis zu testen, wenn sie darin einen Wert sehen.
[5] Experimentierfreudige Kunden sind weder sehr aktiv in sozialen Medien noch sonderlich an einer Beratung durch Familie oder Freunde interessiert - doch sie sind bereit dazu, neue Produkte auszuprobieren.
[6] Bei Nachzüglern ist es unwahrscheinlich, dass sie proaktiv auf Produkt- oder Dienstleistungsinformationen zugreifen, Online-Bewertungen suchen oder Ratschläge von Familie bzw. Freunden einholen. Sie werden auch kaum neue Produkte ausprobieren oder für zusätzliche Dienstleistungen mehr bezahlen.
Informationen zur Studien-Methodik sowie zu Capemini und Efma erhalten sie unter https://www.capgemini.com/de-de/news/world-insurance-report-2020/
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