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Kinderschutz-Zentren

Gemeinsame Erklärung zum Kinderschutz in Deutschland

Köln (ots)

Die Medienberichterstattung der vergangenen Wochen und Monate schockierte die Öffentlichkeit immer wieder mit Meldungen zu Kindesmisshandlungen, Kindesvernachlässigungen mit Todesfolge oder zu Kindstötungen. So hat zuletzt der Tod von fünf Kindern einer Familie durch die Hand ihrer Mutter Bestürzung ausgelöst. Bürger/innen, Medien, Politiker/innen und Verantwortliche in der Kinder- und Jugendhilfe fragen nach den Ursachen solcher Taten und suchen nach Wegen, sie künftig zu verhindern. Die starke emotionale Reaktion auf ein solch schwer fassbares Ereignis und die große Aufmerksamkeit, die das Thema Kinderschutz aktuell erfährt, sind nachvollziehbar: Es macht betroffen und muss auch alle betreffen, wenn Kinder den Schutz, den sie für ihre Entwicklung benötigen, nicht erfahren. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn intensiv geprüft wird, was getan werden kann, um den Kinderschutz zu verbessern.

Emotionale Betroffenheit allein ist jedoch ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, Kindern in gefährdenden Situationen Hilfe angedeihen zu lassen. Alle, die in der Kinderschutzarbeit tätig sind, wissen, dass sie sich eben nicht in erster Linie von ihren Gefühlen leiten lassen dürfen. Schutz und Hilfe für ein gefährdetes Kind ist nur möglich, wenn seine Situation und die seiner Familie kompetent analysiert werden und auf dieser Basis ebenso angemessen wie konsequent gehandelt wird. Für eine solche fachlich begründete Kinderschutzarbeit stehen die unterzeichnenden Fachorganisationen.

Die Politik beklagt immer wieder die angeblich steigenden Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe. Die tatsächlichen Ausgaben stagnieren jedoch in den letzten fünf Jahren. Fakt ist, dass die Herausforderungen und Aufgaben beim Ausbau der Kindertageseinrichtungen, beim Ausbau familienunterstützender Hilfen und Angebote, wenn sie von der Kinder- und Jugendhilfe bewältigt werden sollen, Mehraufwendungen verlangen. Diese Problematik wird zusätzlich verstärkt durch die Zunahme von Familien in Armutslagen.

Tagtäglich regen Jugendämter bei Familiengerichten im Schnitt in ca. 30 Fällen Eingriffe in das Sorgerecht an und führen rund 70 Inobhutnahmen durch. Sie beraten und unterstützen Kinder, Mütter und Väter bei der Bewältigung ihres Alltags, suchen die Familien vor Ort auf, flankieren deren Erziehung durch Angebote außerhalb des Elternhauses und gewähren stationäre Hilfen, wenn es zu Hause nicht mehr geht.

Es kommt beim Kinderschutz vor allem darauf an, möglichst frühzeitig einen Zugang zu gefährdeten und betroffenen Familien zu bekommen, sie rechtzeitig zu unterstützen und ihnen einen Weg aus einer für sie aussichtslos erscheinenden Lage zu bahnen. Die Statistiken zeigen, dass dies der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend gelingt. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass sich die Zahl der Kinder mit "Anzeichen für Kindesmisshandlung" in den Erziehungs- und Familienberatungsstellen sowie Kinderschutz-Zentren in Deutschland seit 1993 mehr als verdoppelt hat (plus 114 %): Im vergangenen Jahr wurden 4.980 Kinder in solchen Gefährdungssituationen in den Beratungsstellen vorgestellt. Ebenso ist ein Anstieg bei den Hilfen zur Erziehung zu verzeichnen. Konnten 2002 noch 111.486 Neufälle gezählt werden, waren es 2006 bereits 125.037 (plus 12 %). Der Anstieg ist deshalb ein erstes positives Signal, weil die Kinder- und Jugendhilfe in der Regel - bis auf wenige Ausnahmen - nur gemeinsam mit den Eltern etwas für die Kinder erreichen kann und nicht gegen sie. Je mehr Mütter und Väter den Eindruck gewinnen, dass sie "überwacht" werden, desto weniger sind sie bereit, Unterstützung anzunehmen und desto eher entwickeln sie Strategien, um Kontrollen zu entgehen. Damit erhöht sich das Gefährdungsrisiko von Kindern. Dies ist ein folgenschwerer Kreislauf, der durchbrochen werden muss.

Pauschale Verurteilungen der Kinder- und Jugendhilfe und namentlich der Jugendämter sind nicht hilfreich für die gemeinsame Arbeit für einen verbesserten Kinderschutz.

Die unterzeichnenden Fachorganisationen appellieren an die Verantwortlichen in der Politik, an die Bundeskanzlerin und an die Ministerpräsidenten, die am 19. Dezember 2007 die Lage des Kinderschutzes in Deutschland erörtern wollen, und an alle anderen, die Verantwortung tragen, die Erkenntnisse der Fachwelt in die Beratungen einzubeziehen. Wir mahnen Besonnenheit an. Es darf in Deutschland kein Klima entstehen, das die Arbeit des Kinderschutzes erschwert.

Die Konkretisierungen zum Kinderschutz, die im Jahr 2005 mit § 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) geschaffen wurden, haben sich bewährt. Sie müssen fachlich weiter entwickelt werden. Aus unserer Sicht besteht der Handlungsbedarf beim Kinderschutz derzeit nicht auf der Ebene neuer bundesrechtlicher Vorschriften, sondern in der praktischen Implementierung - also auch der Finanzierung - von mit dem Gesundheitssystem vernetzten frühen Hilfen. Flankierend müssen der beabsichtigte Ausbau der Kindertageseinrichtungen zügig umgesetzt und die bestehenden Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für die Zielgruppen besser sichtbar und erreichbar werden.

Der intensive Qualifizierungsprozess, dem sich die Kinder- und Jugendhilfe seit einigen Jahren stellt, um die Zugänge zu gefährdeten Kindern und ihren Familien weiter zu verbessern und zugleich fundierter einzuschätzen, wann bei Gefährdung des Kindeswohls auch gegen den Willen der Eltern gehandelt werden muss, bedarf kontinuierlicher Fortsetzung. Wir brauchen eine wirksamere Vernetzung von Jugend- und Gesundheitshilfe und aussagekräftige Forschung. Wir unterstützen das Anliegen der Bundeskanzlerin, Nachbarn und Angehörige zu aktivieren, Signale von Gefährdungen ernst zu nehmen, mit den Eltern über ihre Sorge zu sprechen oder ihre Wahrnehmungen dem Jugendamt mitzuteilen. Familien in Not müssen bestärkt werden, bei Fachstellen die benötigte Unterstützung anzunehmen.

Dass Medien und Öffentlichkeit nach Konsequenzen rufen, ist berechtigt. Daraus darf jedoch kein gesetzgeberischer Aktionismus resultieren. Im Mittelpunkt sollte nicht der gefühlte, sondern muss der tatsächliche Schutz von Kindern stehen. Wichtiger als neue Vorschriften sind konkrete Hilfen für Kinder, Mütter und Väter in schwierigen Lebenssituationen. Hier ist Vieles durch die öffentliche Debatte angestoßen worden.

Pressekontakt:

Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V.
Ansprechpartner: Klaus Menne, Geschäftsführer
Tel: 0911/9 77 14 - 0
Internet: www.bke.de

Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
Ansprechpartner: Norbert Struck, Jugendhilfereferent
Tel.: 030/24636-0
Internet: www.paritaet.org

Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V.
Ansprechpartner: Hanne Stürtz, Geschäftsführerin
Tel.: 0 62 21/98 18-0
Internet: www.dijuf.de

Deutsches Jugendinstitut e.V.
Ansprechpartner: Andrea Macion, Referat für Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 089/62306-218
Internet: www.dji.de

Die Kinderschutz-Zentren
Ansprechpartner: Arthur Kröhnert, Bundesgeschäftsführer
Tel.: 0221-56975-3
Internet: www.kinderschutz-zentren.org

Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen
Ansprechpartner: Josef Koch, Geschäftsführer
Tel.: 069-633 986-0
Internet: www.igfh.de

Original-Content von: Kinderschutz-Zentren, übermittelt durch news aktuell

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