Vattenfall kämpft für Schwachstellen-Reaktor Brunsbüttel - Gabriel schweigt
Berlin (ots)
AKW-Betreiber Vattenfall will nun Stromkontingent aus dem AKW Krümmel auf Brunsbüttel übertragen - Deutsche Umwelthilfe fragt, warum Bundesumweltminister Gabriel über den Antrag vom 22. Mai bis heute geschwiegen hat - Brunsbüttel-Mängellliste bleibt "Staatsgeheimnis", weil Vattenfall eine Wertminderung des Altmeilers fürchtet
Nach dem erneuten Anlauf des Brunsbüttel-Betreibers Vattenfall, sein über 30 Jahre altes Atomkraftwerk Brunsbüttel mit Strommengen - diesmal aus dem Atomkraftwerk Krümmel - über den Bundestagswahltermin 2009 zu retten, fordert die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) das Unternehmen auf, endlich die Schwachstellen des Siedewasserreaktors an der Elbe zu offenbaren. Merkwürdig sei, dass der Antrag, der nach Presseberichten schon am 22. Mai eingereicht wurde, der Öffentlichkeit bis heute nicht bekannt war.
"Es ist ärgerlich, dass Vattenfall erneut gegen den Geist des Atomgesetzes versucht, Strommengen von einem neueren auf ein älteres Atomkraftwerk zu übertragen. Unerträglich macht diesen Vorgang die Tatsache, dass das Unternehmen sich gleichzeitig mit abenteuerlichen juristischen Winkelzügen gegen die Veröffentlichung einer Schwachstellenliste über das Atomkraftwerk Brunsbüttel mit mehreren hundert offenen Fragen wehrt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake zu dem heute bekannt gewordenen Antrag vom 22. Mai.
Fragen richteten sich jedoch auch an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der es offenbar einen Monat lang nicht für nötig gehalten habe, die Öffentlichkeit über den neuerlichen Schachzug des Vattenfall-Konzerns zu unterrichten. Baake: "Das Vertrauen in die bisher konsequente Haltung des Bundesumweltministers in der Auseinandersetzung um Laufzeitverlängerungen alter Atomkraftwerke leidet, wenn er diese hoch brisante Angelegenheit der Beobachtung durch die Öffentlichkeit entzieht. Er öffnet so Spekulationen aller Art Tor und Tür."
Die Schwachstellenliste ist das (Zwischen-)Ergebnis einer im Atomgesetz vorgeschriebenen umfangreichen Sicherheitsüberprüfung ("periodische Sicherheitsüberprüfung"), die im Fall Brunsbüttel am 30. Juni 2001, also vor fast genau sechs (!) Jahren abgeschlossen worden war. Seither wurde sie nicht abgearbeitet, sondern zwischen den Gutachtern des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums (als zuständiger Atomaufsichtsbehörde) hin- und hergeschoben. Die Die DUH bemüht sich seit Ende August letzten Jahres auf Basis der EU-Umweltinformationsrichtlinie vergeblich um die Herausgabe der Liste.
Die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) stimmte im November 2006 zwar zunächst der beantragten Einsichtnahme in die Liste grundsätzlich zu, wies jedoch anschließend den Antrag der Umweltschützer auf sofortige Vollziehung dieser Entscheidung zurück. Seither hat die DUH vergeblich versucht, die sofortige Herausgabe der Mängelliste vor den Gerichten zu erzwingen. Gleichzeitig klagt Vattenfall als Betreiber des AKW Brunsbüttel unter Hinweis auf angebliche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegen die Herausgabe der Liste. Für Aufsehen sorgte vor allem die Begründung des Konzerns für die Geheimhaltung der fast 1000 Seiten starken Mängelliste. Sie erlaube eine Bewertung des aktuellen Anlagenzustandes und lasse so Rückschlüsse auf Nachrüstungserfordernisse, fehlende Sicherheitsnachweise und damit den Wert der Anlage zu. Vattenfall würde deshalb bei einem möglichen Verkauf ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, da ein potenzieller Käufer durch die Veröffentlichung der Liste (etwa durch die DUH) den mangelhaften Zustand des Reaktors erkennen könne. Zitat: "Die Mängelliste kann den Kaufpreis des Kernkraftwerkes im Falle einer Veräußerung direkt beeinflussen".
Baake forderte Vattenfall auf, seine Interessen mit offenem Visier zu verfolgen. "Mit jedem Tag der Geheimhaltung verstärkt Vattenfall den Verdacht, dass in der Liste schwere Mängel aufgeführt sind. Es ist ein zynisches Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung in Schleswig-Holstein und weit darüber hinaus."
Derzeit läuft in Brüssel ein Beschwerdeverfahren, mit dem sich die DUH wegen der Nicht-Herausgabe der Liste an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas gewendet hat.
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Rainer Baake
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