Nationale und internationale Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht auf dem Spiel
Berlin (ots)
Klima-Allianz fordert grundlegende Nachbesserung des vorgelegten Klima- und Energieprogramms
22. August 2007: Das Bundeskabinett sollte die Eckpunkte für das Klima- und Energieprogramm bei seiner Klausur auf Schloss Meseberg nur mit substanziellen Verbesserungen beschließen, forderte die Klima-Allianz am Mittwoch in Berlin. Das bundesweite Bündnis von mehr als 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmensverbänden sieht das klimapolitische Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40% (gegenüber 1990) zu verringern, durch die vorgelegten Eckpunkte infrage gestellt. Noch im April hatte Bundesumweltminister Gabriel mit der "Klimaagenda 2020" den Weg zu diesem Ziel skizziert, Kanzlerin Merkel hatte das Ziel beim Energiegipfel im Juli bestätigt.
Zwar enthalte das Eckpunkteprogramm einige wegweisende Maßnahmen, wie die Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz, den weiteren deutlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich, oder das lange angekündigte Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Doch insgesamt zeichne sich der Entwurf durch ein zu hohes Maß an Unverbindlichkeit aus, was vor allem dem Blockadeverhalten des Wirtschafts- und des Verkehrsministers geschuldet zu sein scheint.
Laut Georg Abel, Bundesgeschäftsführer der Verbraucher Initiative e.V., werden mit dem von den Konzernen geplanten Ausbau der Kohlekraft die Klimaschutzziele insgesamt torpediert. Er bekräftigte daher die Forderung der Klima-Allianz nach einem Moratorium für den Bau neuer Kohlekraftwerke und einer Versteigerung der Emissionszertifikate. "Statt neuer Kohlkraftwerke braucht es ambitionierte Programme zur Förderung energiesparender Technik. Hier ist die Bundesregierung zu zaghaft." Die Tatsache, dass die stromintensiven Nachtspeicherheizungen nicht verboten würden, spiele zudem der Kohlelobby in die Hände, weil sie diese Energiefresser dringend brauche, um nachts ihren Strom abzusetzen.
Gerd Rosenkranz, Leiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Umwelthilfe, verwies auf die substanziellen Defizite der für den Verkehrsbereich vorgeschlagenen Maßnahmen. "Keine ökologische Orientierung des Dienstwagenprivilegs, kein Tempolimit, keine verbindliche Kennzeichnung oder Höchstverbrauchsstandards für PKW, keine Maut für Nutzfahrzeuge ab 7,5 Tonnen und kein Wort zur Stärkung der Bahn. Ist ein Verkehrsminister als Klimaschutz-Blockierer für die deutsche Regierung akzeptabel?" Auch zum Flugverkehr, dem am schnellsten wachsenden Klimaschädling, falle den Ministerien kaum etwas anderes ein als ein unkonkretes Statement, dass der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden solle. Die Klima-Allianz fordert darüber hinaus die Einführung einer Kerosinsteuer und der Ticketabgabe.
Nina Scheer, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft, kritisierte die kurzsichtige ökonomische Sichtweise insbesondere der Minister Steinbrück und Glos. Diese verbuchten reflexartig jede Klimaschutzausgabe als Kosten, ohne die volkswirtschaftlichen Vorteile gegenzurechnen. "Offenbar fehlt in den Ministerien jedwedes wirtschaftliche Verständnis über die Perspektiven der Energiewirtschaft", so Scheer. "Eingesparte Energie wird nicht gegengerechnet, steigende Preise für Öl, Gas und Kohle ignoriert und positive Arbeitsplatzeffekte von erneuerbaren und effizienten Energietechnologien werden immer wieder ausgeblendet." Nach wie vor werde dem Grundsatz der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" gefolgt, womit gemessen an den Klimafolgeschäden weitgehend an unwirtschaftlichen Technologien festgehalten werde. Stattdessen müssten - gemessen am Stand der Technik - Verbindlichkeiten für die Anwendung CO2- armer bzw. energieeffizienter Technologien geschaffen werden, wonach heute etwa keine neuen Kohlekraftwerke gebaut werden dürften, so Scheer weiter.
Wolfgang Ehrenlechner, Bundesvorsitzender der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB), sieht die regierungsinternen Auseinandersetzungen als Beleg dafür, warum die Klima-Allianz so dringend notwendig ist. Die Klima-Allianz umfasst mehr als 60 Organisationen, hinter denen mehr als 10 Millionen Mitglieder und Förderer stehen. Sie haben sich zusammengeschlossen, um den kurzsichtigen Interessen von Klimaschutzverhinderern einen gesellschaftlichen Aufbruch für eine neue Klima- und Energiepolitik entgegen zu setzen. "Dieser Aufbruch findet bereits statt", so Ehrenlechner. "Immer mehr Menschen protestieren gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke an vielen Stellen des Landes. Dies sollte die Politik einer demokratischen Regierung stärker prägen als die Verteidigung strukturkonservativer Partikularinteressen. "
Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender der Nord-Süd-Organisation Germanwatch, begrüßt zwar, dass die Bundesregierung sich der Aufgabe stellt, die Kluft zwischen Wort und Tat zu verringern. "Wenn die Bundesregierung aber an entscheidenden Weggabelungen - Kraftwärmekopplung, Steuerbefreiung für Sprit schluckende Dienstwagen, Verbot der Nachtspeicherheizungen - einknickt, reicht das nicht aus für eine glaubwürdige internationale Klimalokomotive Deutschland. "Das genügt nicht für das deutsche 40%-Ziel. Und ohne dieses lässt sich die notwendige Verringerung von 30% der Emissionen auf EU-Ebene nicht erreichen." Milke appellierte zudem an Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, auch mit Blick auf die Unterstützung der von dramatischen Auswirkungen des Klimawandels betroffenen Entwicklungsländer, bei ihren Kabinettskollegen auf eine deutliche Nachbesserung des Eckpunkteprogramms zu drängen.
Das vollständige Positionspapier der Klima-Allianz findet sich unter http://www.die-klima-allianz.de/position.php
Die Klima-Allianz ist ein rasch wachsendes breites Bündnis von fast 70 Organisationen,
darunter - Umweltorganisationen wie Greenpeace, BUND, WWF, NABU, DNR, DUH; - Entwicklungsorganisationen wie Misereor, "Brot für die Welt", EED, Diakonie Katastrophenhilfe, Germanwatch, Kindernothilfe; - Evangelische Landeskirchen, wie Evangelische Kirche von Westfalen, Kurhessen-Waldeck, Württemberg sowie die Vereinte Evangelische Mission; - Jugendorganisationen wie die KLJB, die BUND-jugend, der BDKJ und die NAJU; - Verbraucherorganisationen wie der Bund der Energieverbraucher und der Bundesverband der Verbraucher-Initiativen; - weitere Vereinigungen wie UnternehmensGrün, Deutscher Alpenverein, Deutscher Tierschutzbund, Gesellschaft für bedrohte Völker und Attac.
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