Deutsche Umwelthilfe: Gesetz zur Netzintegration von Strom aus Erneuerbaren Energien verfehlt sein Ziel
Berlin (ots)
Umweltorganisation fordert Gleichstellung von Hochspannungs-Erdkabeln und Freileitungen im Genehmigungsverfahren - Geplantes Gesetz zum Ausbau des Stromnetzes (EnLAG) muss auch Erdkabel im Planfeststellungsverfahren berücksichtigen - Behörden sollen technische Optionen abwägen können - DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: "Wer den Ausbau der Erneuerbaren Energien will, muss mögliche Stolpersteine beiseite räumen"
09. Januar 2009: Das derzeit im Bundestag beratene Gesetz zum Ausbau des deutschen Stromnetzes droht sein erklärtes Ziel zu verfehlen. Die Integration von mindestens 30 Prozent Strom aus Wind und Sonne bis 2020 könne nicht erreicht werden, solange neben den Höchstspannungsleitungen (380 kV-Ebene) nicht parallel auch die wachsende Überlastung der Hochspannungs-Verteilnetze (110 kV-Ebene) angemessen angegangen werde. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und die Mitglieder des federführenden Wirtschaftsausschusses des Bundestages in einem Schreiben aufgefordert, kurzfristig für Abhilfe zu sorgen.
Grund für den Alarmruf der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ist die bisher nicht ausreichende Berücksichtigung des für das Integrationsziel unverzichtbaren Ausbaus auch der Verteilnetze auf der 110kV-Hochspannungsebene in dem Gesetzentwurf der Großen Koalition. In dieses Teilnetz wird der Strom aus Erneuerbaren Energien zunächst dezentral eingespeist. Das Problem kann nach Überzeugung der DUH durch eine einfache Änderung des derzeit verhandelten Entwurfs für ein "Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze" (EnLAG) erheblich entschärft werden. Dazu sei es lediglich notwendig, in der Planfeststellung - die bisher lediglich Freileitungen vorsieht, auch die Möglichkeit der Verlegung von Erdkabeln zu berücksichtigen. Es gebe keinen sachlichen Grund, auf die Option Erdkabel zu verzichten, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Erst die Gleichstellung bei den Zulassungsverfahren von Freileitungen und Erdkabeln ermöglicht den zuständigen Genehmigungsbehörden im Zulassungsverfahren für eine neue Stromtrasse, die unterschiedlichen technischen Optionen überhaupt gegeneinander abzuwägen."
Die DUH ist überzeugt, dass im Einzelfall aus einem solchen Abwägungsprozess schnellere und umweltschonendere Lösungen beim Netzumbau resultieren würden, die dann von allen Beteiligten akzeptiert werden könnten. Am Ende stünden weniger Klagen und eine Beschleunigung der dringlich notwendigen Anpassung des Stromnetzes an die neuen Gegebenheiten. Weiterer Vorteil: Die Bundesnetzagentur müsste bei der Beurteilung des notwendigen Aufwandes für die Stromtrasse die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde zugrunde legen. Mögliche höhere Investitionskosten, die von den Netzbetreibern häufig als Argument gegen Erdkabel verwendet werden, würden so berücksichtigt. "Wer den Ausbau der Erneuerbaren Energien wirklich will, muss mögliche Stolpersteine beiseite räumen. Andernfalls setzt er sich dem Verdacht aus, den Umbau unseres Energiesystems auf kaltem Weg zu hintertreiben", erklärte Baake.
Der neue Leiter Erneuerbare Energien der DUH, Dr. Peter Ahmels, erinnerte daran, dass aufgrund von Netzengpässen auf der 110kV-Ebene schon zwischen 2004 und 2006 allein in Schleswig-Holstein 74 Gigawattstunden (GWh) Windstrom verlorengegangen seien. "Die unnötigerweise nicht genutzten Windenergiekapazitäten werden ohne einen erheblich beschleunigten Netzausbau auf der 110kV-Ebene mit fortschreitender Kapazitätserweiterung Jahr für Jahr steigen und letztlich das Ausbauziel der Regierung von mindestens 30 Prozent in Frage stellen", sagte Ahmels. Die für das Bundesumweltministerium (BMU) erarbeitete so genannte "Leitstudie 2008" geht von einem Stromwachstum von 70 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2007 auf 140 TWh aus erneuerbaren Quellen bis 2020 aus. Auf der anderen Seite sind Erdkabel auf der 110 kV-Ebene bereits heute Stand der Technik. Eine vom BMU beauftragte Studie der RWTH Aachen aus dem Jahr 2007 habe nachgewiesen, dass Erdkabel bei hoher Auslastung auf der 110kV-Ebene im Gesamtkostenvergleich sogar günstigere Ergebnisse erzielen können als Freileitungen, weil neben den Errichtungskosten auch die im Fall von Erdkabeln geringeren Verluste zu Buche schlagen.
"Abgeordnete, die wirklich am weiteren zügigen Ausbau Klima schonender Stromkapazitäten interessiert sind, müssen sich für eine Änderung der Vorlage einsetzen", sagte Ahmels. Für die Änderung, dass in Planfeststellungsverfahren Freileitungen und Erdkabel gleichrangig behandelt werden, müsste der Paragraf 43 des Energiewirtschaftsgesetzes (Artikel 2 des EnLAG-Entwurfs) entsprechend umformuliert werden. Erst die Gleichstellung der Zulassungsverfahren von Freileitungen und Erdkabeln ermöglicht der jeweils zuständigen Genehmigungsbehörde eine einheitliche Entscheidung über eine notwendige Trasse.
Das Netzausbaugesetz soll nach derzeitiger Planung Mitte März im Bundestag und Anfang April im Bundesrat verabschiedet werden.
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