Neue Verbändekampagne soll Klimabelastung von Autoklimaanlagen eindämmen
Berlin (ots)
Chemische Kältemittel und ineffiziente Technik in Autoklimaanlagen heizen Treibhauseffekt an - Deutsche Umwelthilfe und Verkehrsclub Deutschland starten Informationskampagne "PRO KLIMA" zur Durchsetzung effizienter Fahrzeug-Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln - Europäische Automobilindustrie unterläuft EU-Klimaschutzrecht und gefährdet Autofahrer mit im Brandfall hochgiftiger neuen Kühlchemikalie - Informationskampagne wird im Rahmen des Programms Life+ von der EU-Kommission gefördert Dem wachsenden Beitrag von Autoklimaanlagen zu den verkehrsbedingten Klimabelastungen wollen Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) und der ökologische Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) gegensteuern. Zum Auftakt einer europaweit angelegten Informationskampagne "PRO KLIMA: Effiziente Autoklimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln" weisen die beiden Organisationen auf die in der Öffentlichkeit bisher zu wenig beachtete Klimaschädlichkeit herkömmlicher Autoklimaanlagen hin. Gängiges Kältemittel in Autoklimaanlagen sei heute die Chemikalie R134a (Tetrafluorethan), die die Atmosphäre 1.430mal stärker aufheizt als die gleiche Menge Kohlendioxid (CO2). Jährlich verflüchtigten sich bis zu 10 Prozent des insgesamt eingesetzten und hoch klimawirksamen Kältemittels durch Undichtigkeiten, bei Unfällen oder bei der nicht sachgerechten Verschrottung der Fahrzeuge. Die zusätzliche Klimabelastung dieser diffusen Freisetzungen beträgt nach Berechnungen des Umweltbundesamtes etwa 7 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer. Im Jahr 2006 sind fast 2.300 Tonnen R 134a so in die Atmosphäre entwichen. Dies entspricht dem Schädigungspotenzial von etwa 3 Millionen Tonnen CO2 oder dem jährlichen Ausstoß von 1,7 Millionen Kleinwagen bei einer durchschnittlichen Kilometerleistung von 15.000 km. Das Problem hat sich in der jüngeren Vergangenheit entscheidend verschärft, weil inzwischen in Europa der überwiegende Teil der Neuwagen nur noch mit Klimaanlage verkauft wird. Allein im Jahr 2008 waren es EU-weit fast 13 Millionen. Im Jahr 2000 waren von 720 Millionen Fahrzeugen auf der Welt rund 400 Millionen mit einer Klimaanlage ausgestattet, in fünf Jahren werden nach einem Bericht des Weltklimarats IPCC fast eine Milliarde mit Klimaanlagen ausgestattete Fahrzeuge auf der Straße sein. Allein im Jahr 2015 werden aus diesen Klimaanlagen Kältemittel entweichen, die den globalen Treibhauseffekt so stark anheizen wie 270 Millionen Tonnen CO2 - das entspricht etwa dem derzeitigen jährlichen Treibhausgasbudget von Tschechien und Österreich zusammen. "Vor diesem Hintergrund ist es absolut unverständlich, dass die Automobilindustrie das geltende EU-Klimaschutzrecht unterläuft. Ab 2011 dürfen neue Pkw-Modelle nicht mehr mit dem derzeitigen chemischen Kältemittel R 134a befüllt werden. Eine Umfrage der DUH unter den Autobauern hat jedoch ergeben, dass kein einziges Auto mit umweltfreundlicher Fahrzeugklimatisierung ausgeliefert werden soll. Mit Taschenspielertricks planen die Autobauer noch auf Jahre den Verkauf von Neuwagen mit Klimakiller-Chemie. Später soll sie zudem durch ein neues, ebenfalls chemisches Kältemittel ersetzt werden, das sich im Brandfall in hochgiftige Flußsäure umwandelt.", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er erinnert daran, dass nach geltendem EU-Recht mit Beginn des kommenden Jahres Kältemittel in neuen Fahrzeugmodellen nur noch einen Treibhausgasfaktor (GWP, Global Warming Potential) von maximal 150 aufweisen dürfen. R 134a ist dann eigentlich nicht mehr zulässig. Über Jahre hinweg und zuletzt im Jahr 2007 hatte die deutsche Automobilindustrie und ihr oberster Lobbyist, VDA-Präsident Matthias Wissmann zugesagt, dieses EU-Klimaschutzrecht zu beachten und neue Autoklimaanlagen mit dem natürlichen Kältemittel CO2 zu befüllen. Ebenso wie mehrere weitere Klimaschutz- und Spritverbrauchszusagen haben die deutschen Autobauer diese Zusage anschließend wieder gebrochen. Resch warnt eindringlich, die inzwischen von der Automobilindustrie verfolgten Pläne zur Einführung der brennbaren und im Brandfall hochgiftigen Chemikalie 1234 yf in Autoklimaanlagen tatsächlich zu realisieren. "Wir kommen vom Regen in die Traufe, wenn wir jetzt von dem Klimakiller R 134a zu einer unmittelbar gesundheitsgefährdenden Chemikalie wechseln. Die Alternative ist einsatzreif, sie heißt einfach CO2, belastet das Klima in diesem Zusammenhang nur minimal und ist gesundheitlich unproblematisch". Für die Klimawirkung von Autoklimaanlagen sei neben der Auswahl des Kältemittels aber der Betrieb der Klimaanlage selbst von großem Einfluss, erläutert Michael Müller-Görnert, Verkehrsexperte beim VCD: "Mit eingeschalteter Klimaanlage erhöht sich der Kraftstoffverbrauch je nach Fahrzeuggröße, Temperatur und Einsatzbereich um bis zu zwei Liter pro 100 Kilometer." Daher sei den Autofahrern zu raten, die Klimaanlage wohl dosiert einzusetzen, indem man die Temperatur nicht zu stark absenkt, vor der Fahrt durchlüfte und kurz mit geöffneten Fenstern fährt. Müller-Görnert: "Zusatzaggregate wie die Klimaanlage werden beim gegenwärtigen normierten Messverfahren zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs eines Neuwagens nicht berücksichtigt. Das ist Verbrauchertäuschung pur. Um zu realistischeren Verbrauchsangaben zu kommen, müssen Klimaanlagen bei der anstehenden Revision der entsprechenden EU-Richtlinie unbedingt einbezogen werden." Laut EU-Fahrplan ist aber frühestens in acht Jahren damit zu rechnen. Gegenwärtig wird auf EU-Ebene an einem Energielabel für mobile Klimaanlagen gearbeitet, um die Effizienz dieser Systeme zu erhöhen. Ein entsprechender Vorschlag ist längst überfällig. Der Kraftstoff-Mehrverbrauch besonders der billigen und in großer Stückzahl bei Kleinwagen eingebauten ungeregelten Klimaanlagen ist bis zu 2,5-mal höher gegenüber modernen, geregelten Klimaanlagen. Der Einsatz im Verbrauch optimierter Klimaanlagensysteme sei daher als Standard durchzusetzen. Allein diese Maßnahme könnte die Welt von etwa 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr entlasten. Der mit dem Einsatz der ineffizienten Klimaanlagen einhergehende Kraftstoffmehrverbrauch wird weder von den Herstellern ausgewiesen, noch findet er bei der Festlegung von CO2-Grenzwerten auf EU-Ebene Berücksichtigung. Viele Autofahrer sind deshalb darüber nicht informiert. Der Einsatz effizienter Fahrzeug-Klimaanlagen sowie die Verwendung klimaneutraler Kältemittel sind die zentralen Ansatzpunkte der europaweiten Informationskampagne "PRO KLIMA - Effiziente Autoklimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln" von DUH und VCD. Ein breites Aktionsbündnis soll gegründet werden, um wichtige Interessenvertreter und Entscheidungsträger für den Einsatz innovativer Klimaanlagentechnik zu gewinnen. Mit intensiver Medienarbeit und öffentlichkeitswirksamen Aktionen will die Kampagne zudem über innovative Alternativen informieren. Die Klimawirkungen von und der Mehrverbrauch durch Fahrzeug-Klimaanlagen sollen für jedermann erkennbar werden. In Kürze wird der VCD darüber hinaus auf seinen Webseiten eine Online-Verbraucherumfrage zum Thema Autoklimaanlagen starten und Tipps zum effizienten Gebrauch geben. Ein Hintergrundpapier zur Kampagne sowie das druckfähige Kampagnen-Logo stehen zum Download bereit unter: http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2430 und www.vcd.org. Die Kampagne "PRO KLIMA: Effiziente Autoklimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln" wird im Rahmen des EU-Programms LIFE+ gefördert.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 0171 3649170, resch@duh.de
Eva Lauer, Projektleiterin Fahrzeugkühlung DUH, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 2400867 -76, lauer@duh.de
Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik VCD,
Rudi-Dutschke-Str. 9, 10969 Berlin; Tel.: 030 2803 5119,
Fax. 030 2803 5110, michael.mueller-goernert@vcd.org
Simon Walter, Pressereferat VCD, Rudi-Dutschke-Str. 9, 10969 Berlin,
Tel.: 030 2803 5112, presse@vcd.org
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse DUH,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0,
Mobil: 0171 5660577, rosenkranz@duh.de
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