Deutsche Umwelthilfe: Totgeburt Datteln IV auch mit juristischen Winkelzügen nicht wiederzubeleben
Berlin (ots)
Pressemitteilung
Appell an Regionalverband Ruhr, auf Änderung des Regionalplans zu verzichten - RVR fällt rein politische Entscheidung ohne juristische Notwendigkeit - Kment-Gutachten im Auftrag von Kraftwerksbauer E.on mit paradoxem Ergebnis - DUH-Bundesgeschäftsführer Baake fordert, Energiewendediskussion nicht mit "Rolle rückwärts in die Kohlezeit" zu belasten
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die politisch Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen vor dem Versuch gewarnt, "dem gerichtlich gestoppten E.on-Steinkohlekraftwerk Datteln IV mit juristischen Winkelzügen und ohne rechtliche Notwendigkeit neues Leben einzuhauchen". Sollte der Regionalverband Ruhr (RVR) am morgigen Dienstag (31. Mai) tatsächlich beschließen, das schon gescheiterte Kraftwerksprojekt über den Umweg einer rechtlich nicht haltbaren Regionalplanänderung wiederzubeleben, wäre dies eine rein politische Entscheidung. Der RVR sei in diesem Fall bereit, sich im Interesse des Energiekonzerns E.on über das bestandskräftige, vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Urteil des OVG Münster vom 3. September 2009 hinwegzusetzen, das den gewählten Kraftwerksstandort für rechtswidrig erklärt hatte.
Der Weiterbau des Steinkohleblocks mit 1.055 Megawatt Leistung und einem CO2-Ausstoß von jährlich mehr als sechs Millionen Tonnen würde zudem die Klimaschutzbemühungen der neuen Landesregierung ad absurdum führen und NRW über Jahrzehnte einen kaum mehr abtragbaren, hohen CO2-Sockel bescheren. "Es kann nicht sein, dass in Berlin um die Beschleunigung der Energiewende gerungen wird und in derselben Woche Nordrhein-Westfalen die Rolle rückwärts in die Kohlezeit einleitet - jetzt allerdings nicht mit heimischer Steinkohle, sondern zum Beispiel aus kolumbianischen Minen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Er forderte die Vertreter des RVR eindringlich auf, "die eben erst eingeleitete neue Klimaschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen nicht durch eine kurzsichtige Beschlussfassung vor die Wand zu fahren". Dafür gebe es keinerlei rechtliche Notwendigkeit. Klimaschutz dürfe nicht noch einmal den Partikularinteressen von Unternehmen geopfert werden, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollen, so Baake.
Besonders ärgerlich sei, dass der RVR sein Votum auf ein zwar von ihm veranlasstes, dann jedoch im Auftrag des E.on-Konzerns erstelltes Rechtsgutachten stützen wolle. Das Gutachten von Dr. Martin Kment kommt zu dem Ergebnis, eine nachträgliche Regionalplanänderung mit dem Ziel, das E.on-Kraftwerk an dem Urteil des OVG Münster vorbei wie geplant zu Ende bauen zu können, sei möglich. Es steht damit in diametralem Gegensatz zu einem von der DUH bereits im Januar veröffentlichten Rechtsgutachten des Dresdner Universitätsprofessors Martin Schulte. Der Verwaltungsrechtler war in seiner Expertise zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom OVG Münster verworfene Standortentscheidung und die geplante Befeuerung des 1.055-Megawatt-Blocks mit Importkohle gegen eindeutige Ziele der Raumordnung verstoßen. Dies sei auch über ein Zielabweichungsverfahren nicht heilbar.
Das Kment-Gutachten, auf das sich nun der RVR bei seinem weiteren Vorgehen stützen will, sorgt unter Juristen nicht nur deshalb für Kopfschütteln, weil es in Teilen der von den E.on-Juristen im Verfahren vor dem OVG Münster vorgetragenen Argumentation folgt - die dann von dem Gericht zurückgewiesen wurde -, sondern auch wegen seiner inneren Widersprüchlichkeit. Einerseits argumentiert Kment, bei dem Kraftwerksbau gebe es gar keinen Konflikt mit den Zielvorgaben des geltenden Landesentwicklungsplans NRW, es seien nämlich neben den dort ausdrücklich aufgeführten Kraftwerksstandorten auch weitere zulässig und mithin auch die Standortabweichung in Datteln, die in dem mittlerweile bestandskräftigen Urteil des OVG Münster als rechtswidrig gewertet wurde. Andererseits empfiehlt Kment dem RVR, zur Absicherung des Projekts einen Antrag auf Zielabweichung zu stellen (also ein so genanntes "Zielabweichungsverfahren" einzuleiten), um so den umstrittenen Kraftwerksneubau gerichtsfest zu machen.
Martin Schulte nennt das Gesamtergebnis seines Kollegen Kment nach einer ersten Analyse "paradox". Schulte: "Wenn die Standortabweichung in Datteln nach Ansicht des Gutachters mit den Zielen des Landesentwicklungsplans in Einklang steht, warum empfiehlt er dann ´gleichwohl ... vorsorglich´, ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen?" Diese Empfehlung lasse sich nur damit erklären, dass Kment seiner Feststellung, die Standortabweichung in Datteln stehe mit den Zielen des Landesentwicklungsplans in Einklang, nicht traue oder sie nicht ernst nehme. Schultes Resümee: "Weder Herleitung noch Ergebnis des Gutachtens sind zutreffend".
Aus Sicht der DUH ist auch die Berücksichtigung des Klimaschutzes in dem Kment-Gutachten irritierend. Denn er errechnet einen positiven Klimaschutzeffekt durch Datteln IV ausgerechnet auf Grundlage der "Energie- und Klimaschutzstrategie NRW 2008", mit der die inzwischen abgewählte CDU-FDP-Regierung seinerzeit den Neubau von Kohlekraftwerken legitimieren wollte. Allerdings ist die versprochene CO2-Minderung durch Kraftwerkserneuerungen nie eingetreten, weil die im Gegenzug von den Stromkonzernen versprochene Abschaltung alter Kraftwerke nicht oder verspätet erfolgte und insgesamt die Kraftwerkskapazität erheblich ausgeweitet werden soll. "Der Gutachter unterstellt auf Grundlage einer veralteten Klimaschutzstrategie, die nie im Parlament verabschiedet wurde und inhaltlich längst gescheitert ist, CO2-Einsparpotenziale durch den Kraftwerksneubau in Datteln, die nicht einmal theoretisch realisiert werden können. Das ist geradezu absurd", sagt Jürgen Quentin, der Leiter der Kampagne gegen neue Kohlekraftwerke der DUH.
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Berlin; Mobil: 015155016943, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: baake@duh.de
Jürgen Quentin, Leiter Anti-Kohle-Kampagne, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0151 1456 3676, Tel.: 0302400867-95, E-Mail:
quentin@duh.de
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10178 Berlin; Mobil: 01715660577, Tel.: 0302400867-0, E-Mail:
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