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Oberverwaltungsgericht Schleswig zur Sauberen Luft in Kiel: Luftfilteranlagen ungeeignet - Dieselfahrverboten in 2020 steht nichts mehr im Weg

Berlin (ots)

Schriftliche Urteilsbegründung zum Klageerfolg der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Schleswig-Holstein fordert sofortiges Handeln zur Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift NO2 - Den von der Stadt Kiel geplanten Luftstaubsaugern attestiert das Gericht eine "grundsätzlich fehlende Eignung", angesetzte Minderungswirkung beruht "auf unrealistischen Annahmen" - DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert Umweltminister Jan-Philipp Albrecht auf, das Urteil zu respektieren und Dieselfahrverbote noch in diesem Sommer in Kraft zu setzen - "Lackmustest für die Glaubwürdigkeit grüner Regierungspolitik"

Nach der mündlichen Verhandlung über die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Schleswig-Holstein zur Durchsetzung der Sauberen Luft in der Landeshauptstadt Kiel am 24. Juni 2020 liegt nun die schriftliche Urteilsbegründung vor. Darin bescheinigt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig den Luftfilteranlagen eine "grundsätzlich fehlende Eignung". Das Ziel, die Schadstoffexposition aller betroffenen Anwohner auf den Jahresgrenzwert zu reduzieren, sei mit der Aufstellung der Anlagen nicht zu erreichen.

Damit teilt das Gericht die von der DUH vorgebrachten Bedenken an einer unerprobten Technik, die einen hohen Energieaufwand erfordert, viel Lärm verursacht und Fahrradwege blockiert, nur um stündlich 360.000 Kubikmeter Luft zu filtern. Nach den enttäuschenden Ergebnissen bei der Aufstellung von Luftstaubsaugern in Stuttgart hat bereits Reutlingen erklärt, seine Pläne für Luftfiltersäulen nicht weiter zu verfolgen.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die Menschen in Kiel haben ein Recht auf Saubere Luft. Noch in diesem Sommer muss Umweltminister Jan-Philipp Albrecht die im Luftreinhalteplan enthaltenen Diesel-Fahrverbote für Kiel umsetzen. Dies ist ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit des grünen Umweltministers. In keinem der 14 Klageverfahren in Nordrhein-Westfalen kam die NRW-Landesregierung auf die absurde Idee, Luftstaubsauger aufzustellen. Nur in Ländern, wo die Grünen die zuständigen Minister stellen, wie in Kiel und Stuttgart, knicken grüne Politiker vor den Dieselkonzernen ein."

Auf mehreren Seiten des Urteils zerpflückt das OVG Schleswig die Aussagen zur angeblichen "Geeignetheit" von Luftfilteranlagen. Das Gericht teilt die Einschätzung der DUH, dass diese nicht die versprochene Wirkung aufweisen und fordert die Umsetzung des im Luftreinhalteplan bereits enthaltenen Dieselfahrverbots. Dieses sei "grundsätzlich verhältnismäßig" und einer Umsetzung noch im Jahr 2020 stehe damit nichts im Weg.

In seiner Urteilsbegründung teilt das Gericht weitere Kritikpunkte der DUH: "Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte sich etwa mit den Auswirkungen der durch die Filteranlagen verursachten Luftströme auf dem Geh- und Radweg sowie bei geöffneten Fenstern in den dahinterliegenden Wohnungen auseinandergesetzt hat. Bei einem [...] Luftausstoß von gut 16 m³/Sekunde ist eine die Verkehrssicherheit oder die Rechte der Anwohner beeinträchtigende Wirkung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Auch die durch die Luftfilteranlagen verursachten Lärmemissionen geben Anlass zu einer genaueren Prüfung", so das Gericht.

Der Hersteller gibt die Lärmbelästigung als "nicht lauter als in einem belebten Café" an. Tatsächlich überschreiten allein die Luftfilteranlagen mit 68 db(A) bereits die vom Umweltbundesamt empfohlenen Mittelungspegel von 65 dB(A) am Tag. Da die Anlagen rund um die Uhr im Betrieb sind, werden die empfohlenen Mittelungspegel von 55 dB(A) bei Nacht sogar weit überschritten. Nach der nun gescheiterten ursprünglichen Planung des Landes sollten den Anwohnenden am Theodor-Heuss-Ring neben den Lärm- und Schadstoffemissionen einer der am stärksten befahrenen Straßen Deutschlands zusätzlich noch der Lärm von sechs rund um die Uhr belebten Cafés zugemutet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die riesigen Container mitten auf dem Fahrradweg platziert werden. Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Viele Städte reagieren auf die Corona-Pandemie schnell und unbürokratisch, in dem sie etwa Autospuren in Fahrradwege umwandeln. In der Stadt Kiel hingegen sah der nun gescheiterte Luftreinhalteplan die Blockade eines Fahrradweges vor."

Auch die Frage, wie viele Insekten durch den hohen Luftstrom in die "Luftfilter" gesaugt und damit getötet werden, wurde nicht betrachtet. Angesichts des Rückgangs der Insekten ist dies von einem Umweltministerium unverantwortlich.

Welche Haltung die Landeshauptstadt Kiel zum Gerichtsentscheid einnimmt, ist nach Ansicht der DUH nicht entscheidend. Verantwortlich für die Luftreinhaltepolitik ist die Landesregierung, aus diesem Grund wurde sie auch von der DUH auf Einhaltung der Luftgrenzwerte für das Dieselabgasgift NO2 verklagt und vom OVG Schleswig entsprechend verurteilt. Das Land ist nun dafür verantwortlich, dass die Grenzwerte "schnellstmöglich" eingehalten werden. Da die Diesel-Fahrverbote bereits im Luftreinhalteplan enthalten sind, kann diese Maßnahme nun auch unmittelbar umgesetzt werden.

Hintergrund:

In der Landeshauptstadt Kiel wird der Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel am Theodor-Heuss-Ring seit Jahrzehnten deutlich überschritten. Das Land Schleswig-Holstein hatte daher nach Klageeinreichung der DUH den für Kiel geltenden Luftreinhalteplan im Januar 2020 fortgeschrieben. Es hat darin vorgesehen, im Oktober 2020 kettenartig sechs riesige Luftfilteranlagen auf dem dortigen Radweg aufzustellen. Der Radweg würde dadurch an dieser Stelle unbenutzbar. Das OVG Kiel sieht es in seiner Entscheidung als nicht erwiesen an, dass die geplanten und bisher nirgendwo erprobten Filter in der Lage sind, die Luftbelastung an jedem Punkt der betroffenen Häuserzeile um mindestens 20 Prozent zu reduzieren. Die DUH hat im Verfahren detailliert vorgetragen, warum diese Annahmen nicht plausibel sind.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

DUH-Pressestelle:

Matthias Walter, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de

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