Weiterbau von Nord Stream 2 offenbar abgebrochen: Widerspruch der Deutschen Umwelthilfe gegen Zustimmung der Genehmigungsbehörde
Berlin (ots)
- Russisches Verlegeschiff auf dem Weg zurück nach Kaliningrad
- DUH hatte Freitag beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Widerspruch gegen die erteilte Zustimmung zum Weiterbau eingelegt
- BSH verweigert Herausgabe vollständiger Unterlagen und stellt DUH nur Auszüge zur Verfügung
In der Nacht von Montag auf Dienstag hat die Nord Stream 2 AG das Verlegeschiff "Akademik Tscherski", das für den Weiterbau der Pipeline in deutschen Gewässern eingesetzt werden sollte, wieder zurück nach Kaliningrad beordert. Dies geht aus öffentlich verfügbaren Positionsdaten des Schiffes hervor. Der Versuch, die Erdgas-Pipeline auf Basis einer bisher nicht veröffentlichten Zustimmung durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) weiterzubauen, wird damit zunächst offenbar nicht weiterverfolgt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zweifelt die rechtliche Zulässigkeit der Zustimmung des BSH an und hatte bereits am Freitag (4. Dezember 2020) formal Widerspruch eingelegt. Die DUH kritisiert zudem, dass das BSH die Zustimmung und die damit verbundenen Verwaltungsvorgänge bisher nicht vollständig zugänglich gemacht hat.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Nord Stream 2 ist ein Projekt mit weitreichenden umwelt- und klimapolitischen Folgen. Wir verlangen deswegen, dass alle Verwaltungsentscheidungen öffentlich gemacht werden und unabhängig überprüft werden können. Wir haben förmlichen Widerspruch eingelegt und damit auch Anspruch auf Akteneinsicht. Nord Stream 2 ist mitnichten eine Geheimsache, die zwischen Gazprom und deutschen Genehmigungsbehörden ausgehandelt werden kann. Das Versteckspiel muss jetzt endlich beendet werden, das BSH muss endlich alle Unterlagen auf den Tisch legen."
Das Verlegeschiff "Akademik Tscherski" war bereits seit Freitag auf dem Weg in den relevanten Bauabschnitt, hatte seine Fahrt am Samstag jedoch abgebrochen und auf halbem Weg in der Ostsee geankert, bevor es in der Nacht von Montag auf Dienstag den Rückweg nach Kaliningrad antrat. Mit der erfolgten Zustimmung des BSH hätte die Pipeline bereits seit vergangenem Samstag weitergebaut werden dürfen.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: "Es ist ein großer Erfolg für Klima- und Umweltschutz, dass die Nord Stream 2 AG offenbar den Versuch abbricht, die Pipeline weiterzubauen. Die rechtliche Basis dafür ist ohnehin in hohem Maße zweifelhaft: Nord Stream 2 AG und BSH berufen sich auf eine Sonderregelung aus der ursprünglichen Baugenehmigung aus 2018, für deren Anwendung die Voraussetzungen aber gar nicht erfüllt sein dürften. Wir fordern, den Weiterbau von Nord Stream 2 dauerhaft und endgültig abzusagen."
Würde Nord Stream 2 fertig gebaut, würde sie jährlich Erdgas transportieren, das rund 100 Millionen Tonnen CO2 im Jahr entspräche. Die Erreichung europäischer und deutscher Klimaziele würde damit gefährdet.
Hintergrund
Der Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 wurde 2018 genehmigt. Demnach dürfen Verlegeschiffe, die per Anker für die Arbeiten positioniert werden, während der Vogelrastzeit von September bis Mai in der deutschen Außenwirtschaftszone nicht eingesetzt werden. Für die Verankerung ist der Einsatz von Begleitschiffen erforderlich, was u.a. eine höhere Störung für rastende Vögel bedeutet. Außerdem ist die Verankerung mit mehrfachen Sedimentaufwirbelungen verbunden. Die Inanspruchnahme einer so genannten Nebenbestimmung der Genehmigung aus 2018 zur Erweiterung des Bauzeitfensters auf den Zeitraum September bis Dezember ist danach nur ausnahmsweise und nur mit Zustimmung des BSH möglich.
Diese Nebenbestimmung wurde jedoch durch eine Änderungsgenehmigung in 2019 abgelöst - nach der im Zeitraum September bis Mai gebaut werden darf, jedoch nur mit dynamisch positionierten Schiffen, die nicht auf eine Verankerung angewiesen sind und damit eine geringe Störung bedeuten. Diese Schiffe des schweizerischen Dienstleisters Allseas wurden nach der Ankündigung von US-Sanktionen jedoch abgezogen. Die russischen Verlegeschiffe wie die "Akademik Tscherski" sind nach Kenntnisstand der DUH für eine Verlegung der Pipeline auf eine Verankerung angewiesen. Im Übrigen dürften selbst die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Nebenbestimmung zur Genehmigung aus 2018 heute nicht vorliegen.
Für eine Nutzung von verankerten Verlegeschiffen hat die Nord Stream 2 AG - bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit - bereits im Sommer 2020 eine neue Genehmigung für den gesamten Zeitraum September bis Mai beim BSH beantragt. Dieses Verfahren, in dem die DUH Einwendung erhoben hat, ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
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