Tierwohl, Natur- und Umweltschutz nicht gegeneinander ausspielen: Deutsche Umwelthilfe kritisiert unzureichende Revision der TA Luft
Berlin (ots)
- Tierhaltungsanlagen mit "qualitätsgesicherten Haltungsverfahren" könnten von Maßnahmen zur Minderung von Stickstoff entbunden werden
- Tierwohl-Begriff und "qualitätsgesicherte Haltungsverfahren" müssen genau definiert werden, um als Kriterium für Gesetzgebung zu dienen
- Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stickstoffverbindung Ammoniak aus der Landwirtschaft muss in den nächsten zwei Jahren um 10 Prozent reduziert werden
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die Revision der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Der vorliegende Entwurf greift beim Biotopschutz zu kurz und spielt Tierwohl, Natur- und Umweltschutz gegeneinander aus. Die DUH kritisiert insbesondere, dass Tierhaltungsanlagen, die "qualitätsgesicherte Haltungsverfahren betreiben", von Maßnahmen zur Minderung von zu viel Stickstoffausstoß (wie zum Beispiel Ammoniak) freigestellt werden können. Am morgigen Freitag stimmt der Bundesrat über die Revision der TA Luft ab. Die DUH fordert, diesem Teil der TA Luft nicht zuzustimmen.
"Vorgaben zur Verbesserung des Tierschutzes in der Landwirtschaft sind überfällig. Daher begrüßen wir den Ansatz, dies auch in der TA Luft zu verankern. Eine artgerechtere Nutztierhaltung kann zu weniger Stickstoff führen und somit gleichzeitig dem Tierwohl, der Umwelt und dem Gesundheitsschutz dienen. Bisher gibt es aber keine verbindliche Definition des Tierwohlbegriffs. Deshalb werden hier ganz klar Tierschutz und Naturschutz gegeneinander ausgespielt. Der Bundesrat darf das Pferd nicht von hinten aufzäumen, sondern muss diese Definition in die Regelung integrieren", so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Bisher bestimmt Anlage 9 der TA Luft, dass bei Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen die Stickstoffeinträge in angrenzenden Biotopen geprüft werden. Bei zu hohen Stickstoffemissionen müssen die Tierhaltungen Minderungsmaßnahmen vornehmen, damit sie eine Genehmigung erhalten. Gemäß einer Ausschussempfehlung soll diese Anlage 9 allerdings nicht mehr für Tierhaltungsanlagen gelten, die "qualitätsgesicherte Haltungsverfahren betreiben, die nachweislich dem Tierwohl dienen". So würde eine immissionsschutzrechtliche Prüfung umgangen werden und zu viel Ammoniak in die Umwelt gelangen. Der Begriff des Tierwohls ist bisher jedoch nicht verbindlich definiert.
"Deutschland muss den Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stickstoffverbindung Ammoniak aus der Landwirtschaft in den nächsten zwei Jahren um 10 Prozent verringern, um laut EU-Vorgaben den Pfad der Minderungsverpflichtungen bis 2030 überhaupt einzuhalten. Es wäre jetzt absolut kontraproduktiv, wenn Tierhaltungsanlagen sich mit einem schwammigen Tierwohl-Begriff vor Minderungsmaßnahmen und definierten Tierschutzstandards drücken könnten. Statt verwässerter Gesetzgebung braucht die Landwirtschaft ein Sofortprogramm zur kurz- und mittelfristigen Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen. Dazu zählen eine wirksame Düngeverordnung, brauchbare Vorgaben zur Bilanzierung der Stoffströme und weniger Tiere in den Ställen", fordert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die geplante Änderung würde außerdem bedeuten, dass zwingende Vorgaben des Biotopschutzes für bestimmte Anlagen außer Kraft gesetzt würden. Damit würde die TA Luft von Anfang an gegen geltendes Naturschutzrecht verstoßen und zu jahrelangen gerichtlichen Streitigkeiten auf Kosten von Natur und Umwelt führen.
Hintergrund:
Die Stickstoffverbindung Ammoniak stammt zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft und ist ein Vorläuferstoff von gesundheitsschädlichem Feinstaub, auf den in Deutschland jährlich knapp 60.000 vorzeitige Todesfälle zurückzuführen sind. Seit 2015 wird daran gearbeitet, die TA Luft unter Berücksichtigung dieser Umstände auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, die in anderen Gesetzen schon längst gang und gäbe ist. Betrachtet man die Dringlichkeit der Luftreinhaltung und des Biotopschutzes, ist dies umso überfälliger. Schon seit langem werden rechtliche Vorgaben des Gewässer- und Biotopschutzes aufgrund zu hoher Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft verfehlt. Auch mit Blick auf die Luftreinhaltung droht ein Scheitern bei der Reduzierung von Ammoniak-Emissionen. Dabei sind die möglichen Minderungserfolge schon vor der Finalisierung der TA Luft voll eingepreist, ähnlich wie bei der Düngeverordnung.
Im Projekt "Clean Air Farming" (LIFE17 GIE/DE/610) kämpft die DUH zusammen mit europäischen Partnern für die Implementierung geltenden Rechts zur Minderung von Ammoniak und Methan aus der Landwirtschaft. Weitere Informationen: https://www.clean-air-farming.eu
Das Projekt wird vom LIFE-Programm der Europäischen Union gefördert.
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
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Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
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