Deutsche Umwelthilfe fordert Stopp der Zertifizierung von Nord Stream 2 als "unabhängiger Netzbetreiber": Verfahren fehlt die rechtliche Grundlage
Berlin (ots)
- Rechtliche Analyse im Auftrag der DUH zeigt: Fristen für die Zertifizierung von Nord Stream 2 sind bereits seit mehreren Jahren abgelaufen
- Die Zertifizierung als "unabhängiger Netzbetreiber" ist Voraussetzung für einen europarechtskonformen Betrieb; rechtliche Grundlage dafür fehlt jedoch
- DUH fordert Einstellung des laufenden Zertifizierungsverfahrens und Absage der Inbetriebnahme von Nord Stream 2
Der laufenden Zertifizierung der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als "unabhängiger Netzbetreiber" fehlt die rechtliche Grundlage. Dies geht aus einer rechtlichen Bewertung hervor, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegeben hat. Demnach sind die Fristen für eine Beantragung der Zertifizierung gemäß Energiewirtschaftsgesetz bereits seit mehreren Jahren abgelaufen. Die Zertifizierung ist Voraussetzung für einen europarechtskonformen Betrieb der Pipeline. Trotz abgelaufener Fristen ist der Antrag von der zuständigen Bundesnetzagentur angenommen worden. Auf dieser Basis soll die Zertifizierung der Pipeline bis zum Januar 2022 abgeschlossen werden. Die DUH fordert einen Stopp des Verfahrens, da offensichtlich die Rechtsgrundlage fehlt.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Wieder einmal wird mit zweifelhaften Mitteln versucht, den Bau und Betrieb von Nord Stream 2 möglich zu machen. Neueste Episode ist der Versuch der Nord Stream 2 AG, sich als 'unabhängiger Netzbetreiber' zertifizieren zu lassen. Dabei ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig: Die Frist für die Zertifizierung ist längst abgelaufen. Offenbar soll die Phase der Bildung einer neuen Regierung genutzt werden, um still und heimlich Fakten zu schaffen und die Zertifizierung auch ohne rechtliche Grundlage abzuschließen. Wir fordern die Bundesnetzagentur auf, dieses Verfahren unverzüglich einzustellen. Die Ampel-Parteien rufen wir auf, dem größten fossilen Projekt Europas eine klare Absage zu erteilen und dieses Prestige-Projekt der Erdgas-Lobby endgültig zu beerdigen."
Eine Zertifizierung der Pipeline wäre durchaus möglich, allerdings müssten dafür die Fristen im Energiewirtschaftsgesetz geändert werden. Dies hat die vergangene Bundesregierung unterlassen. Zuständig für die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs wäre Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewesen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ignoriert die fehlende Rechtsgrundlage jedoch und treibt das Verfahren sogar selber weiter voran: Erst gestern hat das BMWi eine Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens veröffentlicht, wonach angeblich die Versorgungssicherheit durch die Zertifizierung von Nord Stream 2 nicht gefährdet sei.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH, kommentiert: "Klar ist: So lange es keine Änderung der Fristen gibt, muss das Verfahren zur Zertifizierung von Nord Stream 2 eingestellt werden. Es ist aber Aufgabe des Bundestages, nicht der Bundesnetzagentur, Gesetze zu ändern. Der neue Bundestag und auch die neue Bundesregierung sollten diese Chance jedoch nutzen und diesen energie- und klimapolitischen Fehler der alten Bundesregierung rückgängig machen: Das ist die Gelegenheit, die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 endlich ganz zu stoppen."
Hintergrund:
Die Nord Stream 2 AG hat am 13. September 2021 bei der Bundesnetzagentur den Antrag gestellt, gemäß Energiewirtschaftsgesetz als "unabhängiger Netzbetreiber" zertifiziert zu werden. Das Verfahren dauert laut Energiewirtschaftsgesetz mit allen Fristen und Prüfungen vier Monate. Die Frist für die Zertifizierung ist gemäß Wortlaut der Paragraphen 4a und 4b des Energiewirtschaftsgesetzes bereits seit 2012 beziehungsweise 2013 abgelaufen.
Links:
Rechtliche Bewertung der Zertifizierung von Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin: http://l.duh.de/p211027b
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz
0160 4334014, zerger@duh.de
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