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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Feinstaub: Deutsche Umwelthilfe warnt vor Stillstand bei Rußfilter- Einführung

Radolfzell (ots)

Entscheidungsunfähigkeit der Politik und neue
Verzögerungstaktik von Teilen der Autoindustrie führen zu
Fahrverboten in fast allen deutschen Ballungszentren.
Das vorzeitige Ende der Legislaturperiode droht die flächendeckende
Einführung sauberer Dieselfahrzeuge in Deutschland um Jahre zu
verzögern. Das erklärte die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) in
Berlin. Fortgesetzte Überschreitungen der Feinstaub-Grenzwerte in
fast allen Ballungszentren führten deshalb bereits in diesem Jahr
beginnend zu Fahrverboten für Diesel-Stinker in 70 bis 120 deutschen
Städten.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte Regierung und
Oppo- sition dazu auf, sich kurzfristig zumindest auf die Grundsätze
einer steuerlichen Förderung sauberer Diesel-Pkw und Lkw zu einigen.
Gegenüber Teilen der Autoindustrie und hier insbesondere Volkswagen
erhob die Umwelthilfe in Berlin den Vorwurf der „vorsätzlichen
Verbrauchertäuschung“.
Als Hauptverantwortlichen hat die DUH Teile der Autoindustrie
ausgemacht. Ihnen warf Resch vor, „den gegenwärtigen politischen
Schwebezustand instinktsicher für weitere Verzögerungen bei der
Einführung des voll wirksamen Partikelfilters nutzen“ zu wollen. Als
dreist bezeichnet die DUH den Versuch von VW-Chef Bernd Pischets-
rieder, der Bundesregierung und insbesondere Umweltminister Jürgen
Trittin die Verantwortung für das Scheitern der steuerlichen
Förderung des Partikelfilters zuschieben zu wollen. „Diese
Argumentation ist unanständig“, sagte Resch.
Pischetsrieder, der auch Präsident der europäischen
Autoherstellervereinigung ACEA ist, führt seit Jahren die Phalanx der
Blockierer gegen die Filtereinführung an. In einem bisher
unveröffentlichten Brandbrief an SPD-Fraktionschef Franz Müntefe-
ring hatte sich der VW-Chef am 26. März 2004 vehement gegen die
„steuerliche Inzentivierung“ des Filters ausgesprochen. Sinn des
Schreibens war es damals, einen bereits zwischen den
Regierungsfraktionen abgestimmten Bundestags-Beschluss über die
Filterförderung in letzter Minute zu verhindern. Indirekt bestritt
Pischetsrieder darin die „Gesundheitsgefährdung durch Dieselabgase“
als „überzogene Interpretation“. Eine Förderung des Filters dürfe es,
wenn überhaupt, erst „nach Vorliegen der neuen europäischen
Abgasstandards“ geben. Sein Schreiben an den SPD-Fraktionschef schloß
Pischetsrieder mit einem Angebot: „Die Fachleute aus unserem Hause
stehen für vertiefende Diskussionen zur Verfügung, um den notwendigen
Fortschritt gemeinsam abzubilden.“ Reschs Resumee: „Diese
Parlamentsbeeinflussung mit der Brechstange hat eine entsprechende
Gesetzesinitiative von Rotgrün damals erfolgreich verhindert. Ohne
sie wären wir heute durch“, betonte Resch.
Ein wesentlicher Grund für das Scheitern der Filterförderung ist
die durch die Automobilindustrie erhobene Forderung, auf eine
Höherbesteuerung von Diesel-Stinkern zu verzichten und den
Steueranreiz aus normalen Haushaltsmitteln zu bezahlen. Nach
Informationen der Deutschen Umwelthilfe wurde diese Forderung am 1.
Februar, genau ein Tag vor dem „Rußfiltergipfel“ unter Leitung von
Bundeskanzler Gerhard Schröder, vom Präsidenten des Verbandes der
Automobilindustrie Gottschalk gegenüber Bundesfinanzminister Hans
Eichel erhoben. Resch: „Angesichts der dramatischen Haushaltslage war
und ist eine Zustimmung der Landesfinanzminister zu einer
Finanzierung über ihre Haushalte so realistisch wie die Zustimmung
der OPEC-Länder zu einer Kerosinsteuer.“ Wie pragmatisch andere EU-
Staaten handeln zeige dieser Tage zum Beispiel unser Nachbar
Österreich: Ab 1. Juli 2005 wird dort die Normverbrauchsabgabe für
Dieselfahrzeuge mit Filter im Sinne eines Bonus-Malus-Systems um 300
€ abgesenkt und für Fahrzeuge ohne Filter um 150 bzw. 300 € an-
gehoben.
Im Frühjahr hatte die Deutsche Umwelthilfe alle Autohersteller
aufgefordert, ab dem 1. Juli 2005 nur mehr Diesel-Neufahrzeuge
anzubieten, die den EU-Grenzwert von 5,0 Milligramm Partikelmasse pro
Kilometer (mg/km) einhalten. Nachdem die bundesdeutsche
Automobilindustrie die Einführung rußfreier Diesel-Pkw zunächst
jahrelang boykottiert hatte, reagierten zumindest Opel und Mercedes
Benz mit einem umfassenden Angebot an Filterfahrzeugen.
Nur ein Unternehmen weigert sich standhaft. Außerhalb der
Luxusklasse (Phaeton, Touareg) wird bei Volkswagen nur der 2-Liter-
Passat mit einem vollwertigen Filter angeboten. Beim Fox, Lupo, Polo,
Golf, Bora, New Beetle, Touran, Caddy, Sharan und Multivan verweigert
VW derzeit rußfreie Motoren.
Die ohne Filter kostengünstiger zu produzierenden Diesel-Stinker
verkauft VW mit einer raffinierten Marketingstrategie: Nach dem so
genannten Nachrüstprogramm bietet der Wolfsburger Konzern den Kunden
gegen einen „garantierten Festpreis“ von 565 € für jetzt georderte
Neuwagen eine spätere Filter-Nachrüstung an. Dem Kunden wird dabei
von den Händlern versprochen, ein in der Filterwirkung gleichwer-
tiges und darüber hinaus – gegenüber den angeblich veralteten und
wartungsintensiven geschlossenen Systemen – absolut wartungsfreies
Filtersystem zu erwerben. Verbraucherbeschwerden hatten die DUH auf
diese Praktiken aufmerksam gemacht, bei Testanrufen durch die
Deutsche Umwelthilfe in VW-Vertragswerkstätten in Stuttgart, Ulm,
Mannheim und Wolfsburg hat sich diese „vorsätzliche Täuschung“ des
Verbrauchers voll bestätigt.
Was der Kunde allerdings von seinem Händler nach kürzlich
durchgeführten stichprobenartigen Tests der Deutschen Umwelthilfe
praktisch nie erfährt, ist die Tatsache, dass es sich hierbei um
minder wirksame Einfachfilter handelt. Sie erreichen deshalb nicht –
wie mit Partikelfilter ausgerüstete Neuwagen anderer Hersteller - den
für 2010 anvisierten Euro-5-Grenzwert von 5 Milligramm Partikelmasse
pro Kilometer. Verschwiegen bzw. glatt bestritten wurde selbst auf
Nachfrage die mangelnde Filterleistung von 30% gegenüber 99,9% des
Vollfilters. Nicht nur die Umwelt auch der Käufer hat dadurch sehr
praktische Nachteile: Der Wertverlust beim Wiederverkauf ist höher
und im Fall künftiger Fahrverbote in den Ballungszentren gibt es
keine Mobilitätsgarantie für die Besitzer dieser Diesel-Fahrzeuge.
Sie erhalten nach der dem Bundesrat zur Entscheidung vorliegenden
Regelung wie Euro 3 + 4 Pkw ledig-lich eine gelbe Plakette. Diese
Plakette steht voraussichtlich für Fahrverbote in Zeiten hoher
Feinstaub-Belastungen.
VW-Kunden, die seit 1. Mai 2005 einen für die Filter-Nachrüstung
vorgesehenen Diesel-Pkw gekauft haben, und denen ein voll wirksamer
Partikelfilter versprochen wurde, bietet die DUH ab Ende dieser Woche
einen besonderen Service an. Unter www.duh.de steht dann ein
Formbrief zum Download bereit, mit dem unter Hinweis auf die
zugesagte Eigenschaft der Einbau eines vollwertigen Partikelfilters
verlangt bzw. der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen vorsätzlicher
Täuschung ausgesprochen wird.
Die Deutsche Umwelthilfe wiederholte ihren Vorschlag einer für die
Landes- und Bundeshaushalte aufkommensneutralen Finanzierung der
steuerlichen Filterförderung. In dem vorgeschlagenen Bonus-Malus-
System müssten Dieselstinker künftig pro Jahr etwa 150 € Steuern mehr
zahlen und so die Entlastung der sauberen Neu- und Altfahrzeuge
finanzieren. Um einen Anreiz zur – aufwendigen – Nachrüstung von
Altfahrzeugen mit vollwertigem Filter zu setzen, müssten diese mit
erheblich mehr als den bisher von der Bundesregierung vorgesehenen
250 € gefördert werden. Weil ein Durchbruch vor der Bundestagswahl
nicht zu erwarten ist, appelliert die DUH an alle Parteien, sich
schon jetzt und ausnahmsweise außerhalb des Wahlkampfgetümmels zu
einer rückwirkenden Förderung des Filters zu verpflichten – un-
abhängig davon, wer im Herbst das Land regiert.
Resch: „Ohne eine solche grundsätzliche Verständigung geraten wir
auf diesem Feld unweigerlich in eine Verdrossenheitsspirale nach dem
Muster: Weniger Partikelfilter, höhere Belastungen an den
Hauptverkehrsadern, mehr Fahrverbote in den Städten, mehr Zweifel an
Willen und Fähigkeit der Politik, überhaupt noch irgendwelche rea-
len Probleme lösen zu können“. Das Urteil des VG Stuttgart vom 31.
Mai 2005, in dem die Richter den Stuttgarter Klägern für reine Luft
in vollem Umfang Recht gaben, hat eindeutig festgestellt, dass ein
„Schutz der menschlichen Gesundheit im Allgemeinen ohne effektiven,
einklagbaren Schutz der Gesundheit Einzelner im Besonderen ein
Widerspruch in sich wäre“. Jede Überschreitung des Tagesgrenzwertes
für Feinstaub-Partikel über die zulässige Marge von 35 Tagen hinaus
„ist verboten“, heißt es unmissverständlich in der Entscheidung. Das
Urteil, dessen Begründung inzwischen schriftlich vorliegt (Az.: 16K
1121/05), ist akribisch begründet. Die DUH rechnet deshalb sicher mit
einer schnellen Bestätigung in einem Hauptsacheverfahren vor dem VGH
Mannheim. Es ist zudem die erste Entscheidung eines
Verwaltungsgerichts in einem Hauptsacheverfahren.
Angesichts des derzeitigen Verlaufs bei der Feinstaubbelastung
geht die DUH davon aus, dass es bis zum Jahresende in 70 bis 120
deutschen Städten zu mehr oder weniger stringenten Fahrverboten
kommen wird. Die DUH sieht sich in ihrer Strategie der Musterklagen
voll bestätigt. In drei der bisher fünf beklagten Städte sind inzwi-
schen Fahrverbote umgesetzt, im Falle Düsseldorf mit belegbarem
Erfolg. Nach Einführung eines gestuften Fahrverbots für Dieselstinker
im April 2005 wurde der Grenzwert nur noch einmal überschritten – und
das wegen eines Feuerwerks. „Düsseldorf zeigt, dass gezielte
Fahrverbote die Luftqualität entscheidend verbessern“, so Resch.
Die Ergebnisse widerlegen nach Überzeugung der DUH zudem alle, die
zwischenzeitlich mit windigen Argumenten von der Hauptverantwortung
des Straßenverkehrs ablenken wollten. In der am vergangenen Freitag
veröffentlichten Stellungnahme des Sachverständigenrats für
Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung heißt es dazu: „Der
Straßenverkehr trägt durch Partikelemissionen aus Motoren, durch
Sekundäraerosole, Reifenabrieb und Aufwirbelung zu etwa 45 bis 65 %
der in Verkehrsnähe auftretenden PM10-Spitzenbelastungen bei.
Außerdem sind gerade im verkehrsnahen Bereich die Anteile der
besonders gesundheitsrelevanten Bestandteile des Feinstaubs nämlich
Rußpartikel und schwerlösliche organische Verbindungen deutlich höher
als an den Hintergrundstationen.“ Außerdem erklären die Umweltweisen:
„Die meisten Grenzwertüberschreitungen treten im verkehrsnahen
Bereich auf.“ Das Maß der Überschreitungen werde „sehr deutlich von
der Belastung durch den Straßenverkehr verursacht“. Resch: „Dass
diese Tatsachen allein nicht ausreichen, um alle Verantwortlichen zu
wecken, beweist der Ende vergangener Woche vom Regierungspräsidium
Stuttgart veröffentlichte Entwurf eines Luftreinhalte- und
Aktionsplans, der die Vorgaben des VG Stuttgart nur unzureichend
umsetzt.“ Der Plan reagiere nicht ausreichend auf die inzwischen 80
Überschreitungen der Tagesgrenzwerte am Stuttgarter Neckartor allein
in diesem Jahr. Die DUH werde deshalb in Stuttgart und anderen
Städten in Baden-Württemberg von Grenzwertüberschreitungen betroffene
Bürgern aktiv unterstützen, die mit Einzelanträgen an das Land,
Maßnahmen entsprechend dem Beschluss des VG Stuttgart einfordern.
Die Kennzeichnung sauberer Diesel-Fahrzeuge mit deutlich
sichtbaren Plaketten soll bei selektiven Verkehrssperrungen die Spreu
vom Weizen trennen. Erfreulicherweise zeichnet sich hier eine
schnelle Einigung zwischen Bund und Ländern ab. Nur Diesel-Pkw, die
den EU- Grenzwert 5,0 mg/km einhalten, sollen nach diesen Plänen eine
grünen Plakette erhalten und sind voraussichtlich uneingeschränkt
mobil. Fahrzeuge mit offenen Filtersystemen bzw. Diesel-Pkw die die
Grenzewerte Euro 3+4 einhalten, werden mit einer „gelben Plakette“
gekennzeichnet. Ab dem 1. Juli 2005 bietet die DUH die Möglichkeit,
dass sich Besitzer sauberer Diesel-Pkw unter www.duh.de ihre grüne
Plakette mit ihrem Kfz-Kennzeichen versehen herunterladen oder gegen
eine geringe Unkostenpauschale zusenden lassen können.
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 07732 9995-11, mobil: 0171/ 3649170, E-Mail:  
resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail:  
rosenkranz@duh.de

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