Deutsche Umwelthilfe will Laufzeit von Klimakiller-Kraftwerken befristen
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Berlin (ots)
Gipfelbeschlüsse von Brüssel erfordern entschlossenes Handeln zu Hause - DUH-Initiative soll bevorstehenden Bauboom bei Stein- und Braunkohlekraftwerken bremsen - Unbefristete Betriebsgenehmigungen nur noch für Gaskraftwerke mit bester verfügbarer Technik - Integration des Befristungsgebots ins geplante Umweltgesetzbuch - DUH-Bundesgeschäftsführer Baake unterbreitet Konzept in Schreiben an Bundesumweltminister Gabriel
12. März 2007: Neu errichtete Braun- und Steinkohlekraftwerke sollen in Zukunft nur noch eine befristete Betriebsgenehmigung für einen Zeitraum von zehn Jahren erhalten. Nach deren Ablauf kann die Betriebserlaubnis auf Antrag verlängert werden, sofern zu diesem Zeitpunkt die dann besten verfügbaren Technologien zur Minderung der Kohlendioxid-Emissionen zum Einsatz kommen. Das ist der Kern eines Vorschlags, den die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in einem Schreiben unterbreitet hat. Die Umweltorganisation reagiert mit ihrer Initiative auf ein beispielloses Ausbauprogramm in- und ausländischer Stromversorger, die in den kommenden Jahren in Deutschland 26 große Kohlekraftwerke errichten wollen. Würden alle geplanten oder bereits beantragten Projekte realisiert und dann über Jahrzehnte mit hohem Kohlendioxid-Ausstoß betrieben, könnte Deutschland seine angestrebten Minderungsziele nicht mehr umsetzen.
"Gerade nach den Klimaschutz-Beschlüssen des EU-Gipfels von Brüssel müssen wir alle Festlegungen vermeiden, die Deutschland in der Zukunft aus der Rolle des Vorreiters in die des Bremsers zwingen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Die derzeitigen Kraftwerksplanungen stünden jeder mittel- und langfristig tragfähigen CO2-Minderungsstrategie diametral entgegen. Schon die Umsetzung des von Umweltminister Gabriel anvisierten Ziels, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, erfordere nach der Erfüllung der Kiotoverpflichtung noch einmal eine Minderung um 234 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Baake geht davon aus, dass sich der derzeitige Boom bei den erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Geothermie fortsetzen und die wegen des Atomausstiegs wegfallenden nuklearen Stromerzeugungskapazitäten voraussichtlich voll kompensieren werde. Darüber hinausgehende CO2-Minderungen im Energiesektor müssten dann allerdings durch höhere Energieeffizienz und weitere Klimaschutzanstrengungen bei den fossilen Kraftwerken erzielt werden.
Nach dem Konzept der Umwelthilfe sollen von der zehnjährigen Befristung der Betriebsgenehmigungen nur solche Kraftwerke betroffen sein, die mehr CO2 ausstoßen als mit der heute besten verfügbaren Technik notwendig wäre. Diesen Stand der Technik repräsentieren derzeit moderne Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad um die 60 Prozent. Sie emittieren pro Kilowattstunde etwa 365 Gramm CO2 und würden nach dem DUH-Konzept wie bisher unbefristet genehmigt. Neue Steinkohlekraftwerke stoßen dagegen rund 750 g CO2/kWh aus, aktuell gebaute Braunkohlekraftwerke sogar 950 g CO2/kWh. Baake: "Ob nach Ablauf der 10-Jahresfrist die heute viel diskutierte Technik der CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) zur Verfügung steht und ökologisch verantwortet werden kann oder eine andere CO2-Minderungstechnik wissen wir nicht. Wichtig ist, dass der Einsatz von neuen Technologien dann durchgesetzt werden kann und nicht an Bestandsschutzargumenten aufgrund von unbefristeten Betriebsgenehmigungen für Braun- und Steinkohle-Kraftwerke scheitert."
"Mit dem Umweltgesetzbuch steht eine Modernisierung des deutschen Umweltrechts auf der politischen Tagesordnung", sagte Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht bei der DUH. "Bei keinem anderen Umweltthema sind neues Denken und neue Instrumente dringlicher als beim Klimaschutz. Das DUH-Konzept ist geeignet, die staatliche Handlungsfähigkeit in der Klimapolitik für die kommenden Jahrzehnte zu sichern. Dem Gesetzgeber steht es frei, von dem bisher im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) verankerten Konzept unbefristeter Genehmigungen Abschied zu nehmen. Das Umweltgesetzbuch mit dem Schwerpunkt eines neuen Anlagenzulassungsrechts bietet die Chance dafür. Unbefristete Genehmigungen für Klimakiller-Kraftwerke passen nicht mehr in die Zeit. Sie würden in zehn oder fünfzehn Jahren zudem mit Sicherheit zu einem Stilllegungsgezerre um veraltete Kohlekraftwerke und milliardenschwere Schadensersatzforderungen führen, wie wir es seit bald einer Dekade von den Atomkraftwerken her kennen", so Ziehm.
Die DUH rechnet bei einer Abkehr von der Tradition unbefristeter Genehmigungen mit großen Widerständen bei den Kraftwerksbetreibern. Sie müssten überwunden werden: "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass Unternehmen angesichts der Jahrhundertherausforderung des Klimawandels allein aufgrund kurzfristiger Rentabilitätsüberlegungen Brennstoffe einsetzen, bei deren Verstromung die doppelten bis dreifachen CO2-Frachten ausgestoßen werden als heute in fossilen Kraftwerken notwendig. Wir erwarten eine starke Lenkung der Investitionen in Richtung erneuerbare Energien und Erdgas", sagte Baake. An die Bundesregierung appellierte er, den derzeitigen beispiellosen Rückenwind für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik nicht nur auf der internationalen Bühne, sondern auch im eigenen Land für wirkliche Schritte hin zu einer "grünen Industriepolitik" zu nutzen.
Die DUH unterbreitet ihren Vorschlag vor dem Hintergrund, dass derzeit von deutschen und ausländischen Unternehmen bundesweit 26 Braun- und Steinkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu 26.000 Megawatt geplant werden. Werden diese Kraftwerke realisiert und anschließend etwa 7.500 Stunden pro Jahr betrieben, ergibt sich eine jährliche Klima-Belastung der Atmosphäre von etwa 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die Leistung der geplanten Kraftwerke entspricht etwa einem Fünftel der in Deutschland derzeit insgesamt installierten Kraftwerksleistung (inklusive erneuerbare Energieanlagen), ihre Kohlendioxid-Emissionen aber mehr als der Hälfte des allen Kraftwerken in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2012 zugestanden Klimagasausstoßes. Dieser Anteil würde sich naturgemäß weiter dramatisch erhöhen, wenn die Kraftwerke über Jahrzehnte ohne technische Veränderungen am Netz blieben, während der CO2-Ausstoß insgesamt aufgrund der zu erwartenden internationalen Verpflichtungen ständig weiter sinken muss.
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Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht, Hackescher
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